SRF-Moderatoren im Style-Check«Sandro Brotz' Auftritt erinnert an eine sozialistische Uniform»
Von Bruno Bötschi
2.12.2022
SRF-Moderatoren im Style-Check: «Vieles sieht sehr nach Mainstream aus»
Früher sorgten SRF-Moderatoren gewollt oder ungewollt mit ihren Outfits für Aufsehen. Und heute? Mode- und Stilexperte Jeroen van Rooijen beurteilt die Outfits für blue News.
25.11.2022
Früher sorgten SRF-Moderatoren gewollt oder ungewollt mit ihren Outfits für Aufsehen. Und heute? Mode- und Stilexperte Jeroen van Rooijen beurteilt die Outfits für blue News.
Von Bruno Bötschi
02.12.2022, 06:03
05.12.2022, 06:44
Bruno Bötschi
Jeroen van Rooijen, stell dir vor, du sitzt daheim vor einem Fernsehgerät und schaust gerade die «Tagesschau». Was kommt dir als Erstes in den Sinn, wenn du an den modischen Auftritt der SRF-Moderator*innen denkst?
Vor meinem inneren Auge erscheint ein jüngerer, leicht konservativ, aber durchaus adrett gekleideter Mensch. Eine Person, die möglicherweise ein anstrengendes Leben führt.
Wieso anstrengend?
«Tagesschau»-Moderator*innen sind extrem exponierte Personen, sie stehen im Rampenlicht. In der heutigen Mediokratie sind sie sozusagen unsere Säulenheiligen – und als solche müssen sie vermeintlich perfekt sein.
Tatjana Kotoric war bis im Sommer 2021 Chefstylistin des Schweizer Fernsehen SRF. Und das mehr als zehn Jahre lang. Sie beschrieb den Stil der SRF-Moderator*innen in der «NZZ» so: «Elegant, zeitlos und doch noch ein bisschen modern.»
Mit der Formulierung «doch noch ein bisschen modern» habe ich Mühe. Ich finde, damit verkauft Tatjana Kotoric ihre Arbeit unter ihrem Wert. Die SRF-Moderator*innen waren und sind auf der Höhe der Zeit.
Wie würdest du den SRF-Kleidungsstil in einem Satz beschreiben?
Konservativ mit Schuss.
Zur Person: Jeroen van Rooijen
Bild: zVg
Jeroen van Rooijen, aufgewachsen in der Ostschweiz, hat er an der Zürcher Hochschule für Gestaltung Mode studiert. Das journalistische Handwerk erwarb in den 1990er Jahren bei Radio Zürisee, Radio 24, der Annabelle und der Modezeitschrift Bolero. Ab 2003 prägte er während 15 Jahren die Lifestyle-Seiten der «NZZ» und der «NZZ am Sonntag». Von 2014 bis 2019 war er ausserdem regelmässig mit dem «Stiltipp» auf Radio SRF3 zu hören. Seit 2018 ist van Rooijen als freischaffender Entwickler von Content-Strategien tätig und schreibt Kolumnen.
Wenn du auf die letzten 20 Jahre Fernsehgeschichte zurückblickst: Wie hat sich das Äussere der SRF-Moderator*innen entwickelt?
Der Look ist in den letzten Jahren moderner geworden. Die Unterschiede zwischen dem, was Herr und Frau Schweizer im Alltag tragen und den Kleidern, welche die Fernsehschaffenden am Bildschirm zeigen, waren früher viel krasser. Ich denke, heute entspricht der Look der SRF-Moderator*innen viel eher dem gelebten Alltag des Publikums.
Beim SRF hat bald jede/r Moderator*in ein Markenzeichen: «Tagesschau»-Sprecher Florian Inhauser zum Beispiel trägt immer ein Poschettli.
Ein Markenzeichen ergibt dann Sinn, wenn es zum Typ Mensch passt. Ich finde, das Poschettli passt gut zu Florian Inhauser.
Was schon länger auffällt: Immer mehr Sportmoderatoren tragen weisse Sneakers.
Die Männer tragen heute immer weniger klassische Herrenschuhe. Früher waren weisse Sneakers das Markenzeichen besonders cooler und peppiger Typen. Inzwischen werden sie durch alle Schichten getragen. Ich finde das weder störend noch falsch.
Was hältst du von den Dreitagebärten, etwa von Arthur Honegger?
Der Dreitagebart passt gut zu Arthur Honegger. Haar im Gesicht kann zudem die eine oder andere Gebrauchsspur mildern. Doch Vorsicht: Ein Dreitagebart mit viel Grau-Anteil, das weiss ich aus eigener Erfahrung, sieht nicht immer vorteilhaft aus. In Erinnerung ist mir da der ehemalige «10 vor 10»-Moderator Stephan Stephan Klapproth: Je älter er wurde, desto clochardhafter sahen die Stoppeln in seinem Gesicht aus.
Ein modischer Hingucker war sicher die ehemalige «G&G»-Moderatorin Annina Frey. Und in grauer Vorzeit Mister «Grellpastell», Kurt Aeschbacher. Ansonsten hat beim SRF schon länger der geordnete Mittelstand Einzug gehalten. Modische Exot*innen gibt es heute kaum mehr. Und so gehört auch die Erregung wegen vermeintlicher modischer Fehlgriffe der Vergangenheit an.
An welche modischen Fauxpas erinnerst du dich mit Schaudern?
Was mich immer wieder vor dem Bildschirm zusammenzucken lässt, sind jene vermeintlich glamourösen Roben der Moderator*innen, die sie während Galas oder irgendwelchen Preisverleihungen tragen. Für solche Anlässe werden sie jeweils schlimm aufgetakelt und in irgendwelche Plastik-Glitzerkleider gesteckt. Etwas weniger Drama fände ich an solchen Abenden durchaus wünschenswert.
Ich zeige dir nun nach dem Zufallsprinzip Bilder von acht SRF-Moderatoren. Nach kurzer Bedenkzeit möchte ich von dir jeweils eine knackige Einschätzung zum Outfit hören.
Florian Inhauser, «Tagesschau»-Moderator
«Florian Inhauser steht im neuen ‹Tagesschau›-Studio und trägt einen ultra-festlichen dreiteiligen Anzug. Er sitzt gut und die schmale Krawatte ist gekonnt kombiniert.
Mir ist der Auftritt insgesamt aber etwas zu abendfein. Zudem ist die Frisur etwas verwachsen. Sie erinnert mich an die Tolle von Schauspieler Kyle MacLachlan in der TV-Serie ‹Twin Peaks›.»
Sven Epiney, «Wer wohnt wo?»-Moderator
«Sven Epiney ist ein liebenswerter Typ mit einem grossen Herzen und nicht umsonst der Liebling der Nation. Ich finde es zudem bewundernswert, wie er seine queere Lebensform öffentlich macht – zusammen mit seinem Partner Michael Graber.
Modisch hingegen könnte ich mich mit Sven Epiney durchaus streiten. Er zieht sich für meinen Geschmack einen Tick zu jugendlich an. Seine Kleider erwecken oft den Eindruck, als habe er gerade einige Kilos zugenommen.
Das heisst, er trägt sie für meinen Geschmack eine Nummer zu klein, also zu eng. Ich habe mich schon oft gefragt: Fühlt sich Sven Epiney darin wohl oder ist er einfach schlecht beraten?»
Sandro Brotz, «Arena»-Moderator
«Sandro Brotz zähmt als Torero in der ‹Arena›-Manege die Schweizer Politiker*innen. Das Outfit – schwarzes Hemd zu schwarzem Anzug – ist deshalb durchaus nachvollziehbar.
Mir persönlich gefällt es aber nicht. Schwarz zu Schwarz mag für einen Kellner oder Bestatter gehen, nicht aber für den Host einer Talksendung. Mit einem weissen Hemd sähe er ein gutes Stück frischer aus.»
Olivier Borer, «Sport»-Moderator
«Olivier Borer sieht in dem netten Tschööpli sehr frisch aus. Die Hosen und das Jackett haben aber etwas zu wenig Kontrast. Eine dunklere Hose fände ich passender. Oder trägt der Sport-Moderator einen Anzug? Ich hoffe es nicht!
Tweed-Jacket mit Hoodie und einer Jeans wäre cool, aber ein Hoodie zum Anzug wäre ein schrecklicher Missgriff. Extra-Bonuspunkte gibt es für die coole Brille und die adrette Frisur.»
Arthur Honegger, «10 vor 10»-Moderator
«Arthur Honegger ist der wichtigste Anchorman beim Schweizer Fernsehen SRF. Und so steht er auch da. Der Anzug sitzt gut, auch wenn das Jackett etwas knapp geschnitten ist.
Das ist denn auch mein einziger Kritikpunkt: Der Anzug ist wohl ab Stange. Arthur Honegger bräuchte jedoch bei seiner Figur einen massgeschneiderten. Damit würde er auch noch die letzten fünf Prozent Glamour- und Sympathiebonus herausholen.»
Sascha Ruefer, «Sport»-Moderator
«Bei Sascha Ruefer fehlt mir der touch of sports. Das dunkle Jacket ist meines Erachtens zu formell. Das würde besser zu einem ‹Tagessschau›-Moderator passen.
Zudem ist das Teil zu eng und zu kurz geschnitten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es sich bequem tragen lässt. Die dunklen Jeans hingegen sind okay.»
Urs Gredig, «10 vor 10»-Moderator
«Der Anzug von Urs Gredig sitzt ordentlich. Es scheint ein Konfektionsmodell zu sein. Leider ist zwischen Anzug und Hemd kein farblicher Kontrast wahrnehmbar.
Etwas Schmückendes wäre hier zudem nicht falsch. Ich nehme aber an, die SRF-Moderatoren dürfen keine Uhren tragen, weil sonst der Verdacht von Sponsoring aufkommen könnte.»
Michael Rauchenstein, «Tagesschau»-Moderator
«Michael Rauchenstein hat auch ein Kontrast-Problem: Die silberne Krawatte auf dem weissen Hemd ist nicht die beste Wahl. Hätte er den Binder einen Ton dunkler ausgewählt, wäre alles gut.
Die Krawatte ist super symmetrisch geknotet – kann man so machen, ein bisschen Schieflage wäre aber auch nicht schlimm. Der Bart kompensiert zudem, was auf dem Kopf nicht mehr wächst. Doch, der sieht so ganz okay aus.»
Damit sind wir mit den SRF-Moderatoren durch. Wie lautet dein Fazit?
Ich bin jetzt gerade etwas desillusioniert. Die SRF-Moderatoren sehen alle so normal und so brav aus. Wie, wenn sie alle das gleiche Internat besucht hätten. Ich wünschte mir jedoch von unserem Staatssender etwas mehr Charakter und auch mehr Diversität.
Geht es noch etwas konkreter?
Die SRF-Moderatoren sind alle hübsch, schlank und wohlfrisiert. Meiner Meinung nach täten dem TV-Sender aber ein paar schräge Figuren ganz gut.
Was Designer Alessandro Michele beim italienischen Modehaus Gucci zu viel an Individuen rekrutiert hat, hat das Schweizer Fernsehen SRF zu wenig. Unsere Gesellschaft ist auf dem Weg zu multi-ethnischer Diversität – da müsste dringend etwas Farbe rein.