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Bötschi fragt Melanie Winiger: «Noël geht mir immer noch auf den Sack»
Von Bruno Bötschi
7.6.2018
Schauspielerin Melanie Winiger erzählt, warum sie seit kurzem süchtig nach Sport ist, macht ihrem Mann Reto eine wunderbare Liebeserklärung und erklärt, weshalb ihr 16-jähriger Sohn Noël ihr «immer noch auf den Sack geht».
Zürich-City, kurz vor 13 Uhr: Der Journalist ist nudelfertig. Uff! Während den letzten 45 Minuten durfte er mit Melanie Winiger trainieren. Hart trainieren. Brutal hart. Eine neue Trendsportart, manche sagen auch Quälsportart: Sparkcycle!
Dieses Indoor-Cycling-Training wird in einem abgedunkelten Raum abgehalten: Strampeln ohne Ende, schrecklich laute Musik, hin und wieder stöhnt jemand und die Trainerin schreit immer wieder: «Don't panic!» Gegen Ende hängen sogar die Fortgeschrittenen überm Lenker.
Nach dem Training wäre der Journalist (51) gerne auf dem heimischen Sofa ruhen gegangen, stattdessen durfte er mit der Winiger (39) in einer Bar rumhängen. Sie Tee, er Wasser. Gemeinsam wurde über Gott und die Welt gesprochen ... und ihre neue Frisur. Sie sieht gut aus! Sofort alle Fragen umstellen!
Bluewin: Frau Winiger, ich stelle Ihnen in den nächsten 30 Minuten möglichst viele Fragen. Und Sie antworten möglichst kurz und schnell. Wenn Ihnen eine Frage nicht passt, sagen Sie einfach «weiter».
Melanie Winiger: Verstanden.
Ihre neue Frisur sorgt gerade für Aufregung.
Wirklich?
Mir ist noch nie passiert, dass Freunde mich vor einem Gespräch mit einer bekannten Persönlichkeit darauf hinwiesen, diese trage ihre Haare seit kurzem kürzer.
Es stimmt, meine neue Frisur hat einige Wellen geschlagen. Warum dem so ist, weiss ich nicht. Haare sind doch einfach Haare.
Was ist der Grund für den kürzeren Schnitt? Eine neue Filmrolle?
Nein. Ich machte einen Screenshot von einer Frisur, die ich megacool fand, und schickte diesen per SMS meiner Coiffeuse, die seit Jahren meine Make-up-Artistin und längst auch zu einer guten Freundin geworden ist. Sekunden später schickt sie mir als Antwort ein ähnliches Bild des gleichen Models zurück und setzte ganz viele Smileys dazu. Wir hatten also mehr oder weniger zur gleichen Zeit die gleiche Idee.
Zürich oder Berlin?
Zürich. Ich bin bisher nicht warm geworden mit Berlin – zur grossen Enttäuschung meiner Agentin. Ich bin eher der Hamburg-Typ. Hamburg finde ich eine extrem tolle Stadt. Berlin ist zu überlegt, zu wenig spontan. In Hamburg sind die Leute frisch, offen, aufgestellt und gut erzogen. In Hamburg helfen die Menschen einander. Die Jungen stehen auf, wenn eine ältere Frau in den Bus steigt und bieten ihr den Platz an. An solchen kleinen Dingen merke ich, wie eine Stadt funktioniert.
Und Zürich?
Also die Zürcher, die ich kenne, sind alle super.
Schweizer Illustrierte oder Weltwoche?
Schweizer Illustrierte.
Doris Leuthard oder Simonetta Sommaruga?
Hmmm ... Doris Leuthard. Ich habe einmal mit ihr zusammengearbeitet. Sie ist sympathisch.
Yoga oder Sparkcycle?
Ach, das mussten Sie ja jetzt sagen ...
... nein, muss ich nicht ...
... wir haben gerade zusammen 45 Minuten auf diesen Indoor-Velos trainiert.
Wie gesagt: Ich muss gar nichts. Fakt ist: Ich bin jetzt 39 und ich habe noch nie eine Sportart gefunden, die mich süchtig macht. Aber jetzt ist es passiert. Seit drei Monaten gehe ich sicher vier- , fünfmal pro Woche ins Training. Auch in Bangkok, wo ich kürzlich vier Wochen gedreht habe, tat ich es.
Sie dachten wohl: Wenn der Journalist vom Training nudelfertig ist, kann er keine dummen Frage mehr stellen.
Überhaupt nicht. Ich gehöre nicht zu jenen Menschen, die wenn sie etwas Gutes entdecken, es anderen nicht weiter erzählen. Sparkcycle ist ein hartes Konditionstraining, das Spass macht. Bei mir ersetzt das Training sogar den Ausgang.
Wie bitte?
Ohne Witz! Wenn ich ins Sparkcycle-Training gehe, höre ich die Musik, die ich mag, schwitze mehr, als wenn ich Tanzen gehe und habe am nächsten Tag keinen Kater.
Es ist ein Talent, das die Winiger wohl mit der Muttermilch aufgesogen hat und eine Erklärung für ihren medialen Erfolg: ihre prägnanten Aussagen, Schlüsselsätze genannt. Genau: Schlagzeilen!
Der neue Fitnesstrend aus den USA wird so beschrieben: «Es ist ein ganzheitliches Erlebnis: Das körperliche Training, die Musik, die Coaches, die Gemeinschaft, der fast abgedunkelte Raum, die Flucht aus dem Alltag.» – Vor was flüchten Sie?
Jeder Mensch flüchtet doch hin und wieder vor etwas. Ich für mich kann sagen: Ich bin schon mehrmals mit schlechter Laune ins Sparkcycle-Training gegangen und als ich 45 Minuten später wieder auf der Strasse stand, war das Leben wieder okay. Nein, das Problem war natürlich nicht weg. Aber nach diesem Training kann ich Probleme mit einer gewissen Neutralität anschauen. Für einen emotionalen Mensch wie mich ist Sparkcycle wirklich etwas, das mein Leben verbessern kann.
Der englische Premierminister Winston Churchill sagte: «Sport ist Mord.»
Churchill hat, wie jeder Mensch, vieles gesagt, was nicht stimmt, aber er hat auch viel Gutes gesagt. Aber verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich bin grundsätzlich ein fauler Sack. Ich bin kein Mensch, der gerne Sport macht. Es ist wirklich das erste Mal im Leben, dass ich eine Sportart gerne mache.
Wie heisst Ihr Personal Trainer mit Vornamen?
Ich habe keinen.
Haben Sie ein gutes Ballgefühl?
Meinen Sie Fussball oder Bälle allgemein (lacht schallend)? Als Kind spielte ich Fussball, wirklich gut war ich nicht. Aber ich schaue extrem gerne Fussball. Schon manch ein Mann, der mit mir Champions League geschaut hat, war erstaunt, wie gross mein Fussball-Wissen ist. Nein, ich entspreche nicht dem Typ Frau, über den sich die Männer lustig machen – so nach dem Motto: «Ach, du bist ja eine Frau, was verstehst du schon von Fussball?»
Wenn Sie ins Training gehen: Duschen Sie im Fitnesscenter oder machen Sie das lieber daheim?
Ich bin eine Daheim-Duscherin.
Je doof angemacht worden in einer öffentlichen Dusche?
Nein, noch nie, aber angesprochen schon. Ich habe dann der Frau gesagt, ich fände es komisch, füdliblutt unter der Dusche miteinander zu reden. Wir haben uns dann beide angezogen und in der Garderobe weiter diskutiert.
Mehr Wind! Mehr Drama! Melanie, komm!
So ganz unter uns: Warum gehen Frauen, trotz der Gleichberechtigung, nach wie vor zu zweit auf die Toilette?
Hören Sie auf! Sagen Sie nicht «ganz unter uns»! Dieses Interview wird auf «Bluewin» erscheinen und dann können es alle lesen. Und wegen Ihrer WC-Frage: Ich kenne auch viele Männer, die zu zweit auf die Toilette gehen. Ich bin jemand, der eher selten zu zweit auf das WC geht. Aber natürlich passiert es hin und wieder, wenn man sagt, man müsse auf die Toilette, dass noch eine Kollegin mitkommt. Vielleicht liegt es daran, dass der Mensch ein Rudeltier ist. Aber sowieso: Ich gehe nicht gerne auswärts auf die Toilette.
In Deutschland machten Sie einst, nach der Ausstrahlung eines TV-Spots, mit der Schlagzeile «Die schönste Klofrau der Welt» von sich reden.
Stimmt. Und weil ich genau so ein WC-Modell besitze, erledige ich mein Geschäft am liebsten daheim.
Unterm Strich: Sind Frauen interessanter als Männer?
Es gibt Männer, die super interessant sind, und es gibt Frauen, die super interessant sind. Und es gibt Männer und Frauen, die uninteressant sind. Ich werde oft als Feministin bezeichnet. Dabei bin ich das gar nicht. Ich bin vielmehr eine Gleichberechtigistin. Ich sehe nicht ein, warum man Frauen und Männer anders behandeln soll. Wenn Sie besser sind als ich, dann sollen Sie den Job kriegen und nicht ich. Ich finde, es muss egal sein, ob ich Brüste habe oder nicht, sondern es soll immer jene Person den Job bekommen, die die Beste ist. Und egal, ob Mann oder Frau – für den gleichen Job sollten alle gleich bezahlt werden.
Was können Frauen besser als Männer?
Gebären (lacht laut). Möglicherweise sind Frauen empathischer als Männer, aber ich kenne auch viele Männer, die empathisch sind.
Haben Sie sich je als Frau benachteiligt gefühlt?
Ja. Aber ehrlich gesagt, ich bin ein Mensch, der sich nicht als Opfer fühlt oder sich zu den Opfern zählt.
Nach Ihrem wirklich erfrischenden «Noël geht mir manchmal auf den Sack»-Geständnis als 23-jährige Mutter in der «Schweizer Illustrierten» die Preisfrage: Wie würden Sie heute Ihr Verhältnis zu Ihrem Sohn beschreiben?
Er geht mir immer noch auf den Sack – ich ihm übrigens auch. Noël und ich gehen offen miteinander um. Es ist definitiv so, dass ich eine strenge Mutter bin. Und ich mache Dinge mit meinem Sohn, die vielleicht nicht konform sind. Ich rede über alles mit ihm. Wenn er über Sex reden will, dann rede ich mit ihm darüber, auch über Drogen haben wir schon gesprochen.
Man spürt: Mami Winiger will ihren Sohn wie einen erwachsenen Menschen behandeln. Und das ist gut so.
War der «Sack»-Satz schon einmal Thema zwischen Noël und Ihnen?
Noël ist mittlerweile 16 und er findet es lächerlich, wie die Leute damals auf meine Aussage reagiert haben. Ich hätte ja nicht gesagt, ich würde ihn schlagen. Ich hätte nur gesagt, dass er mir ab und zu auf den Sack gehe. Noël findet, dass sei völlig normal. Ich denke, es gibt keine Beziehung in der man sich nicht ab und zu auf den Sack geht.
Wann zuletzt mit Ihrem Sohn in einer Beiz gesessen und für die Liebhaberin eines jüngeren Mannes gehalten worden?
Das habe ich noch nie erlebt. Bei uns fragen Sie immer: Ist das deine ältere Schwester? Ohne Scheiss, aber Noël mag das überhaupt nicht.
Sind «huere» und «shit» immer noch zwei Ihrer Lieblingswörter?
Nein, jetzt sind ... ähm, «huere» und «shit» meine Lieblingswörter? Habe ich das einmal gesagt in einem Interview? Vor meinem Sohn habe ich früher nie «mega» gesagt, nie «geil», nie «Scheisse», nie «fuck», nie «shit». Bei uns zu Hause war nie ein schlechtes Wort zu hören. Als Noël zehn Jahre alt wurde, sass ich mit ihm an einem Tisch und sagte ihm: «Du hast sicher auch gemerkt, dass andere Leute oft Kraftausdrücke brauchen. Deine Mami spricht auch anders, wenn sie mit ihren Freundinnen und Freunden unterwegs ist. Aber vor dir habe ich diese Wörter bis anhin nie gebraucht. Ich glaube, jetzt bist du genug alt um zu wissen, dass diese Wörter nicht zu deiner Umgangssprache gehören sollten. Aber wenn shit happens, shit happens.»
Ihre Einsamkeitsbeschäftigung?
Sparkcycle. Hey, das ist nicht gelogen. Und die zahlen mir im Fall nichts, das ist nicht Sponsored Content.
Wann haben Sie zuletzt einen Brief geschrieben?
Mit abschicken?
Muss nicht sein.
Am 1. Januar 2016. Danach habe ich den Brief ins Meer geworfen.
Es ist 22 Jahre her, dass Sie Miss Schweiz wurden. Was ist geblieben?
Ich habe doch jetzt grad erzählt, dass alle meinen, ich sei die Schwester meines Sohnes. Warum kommen Sie jetzt mit dieser Miss-Wahl, die ewig her ist ...
... okay, nächste Frage ...
... nein, nein, alles gut. Das war ein Witz. Was ist vom Miss-Jahr geblieben? Ich erlebte ein super cooles Jahr. Viele Leute, die ich damals kennengelernt habe, gehören bis heute zu meinen nächsten Freundinnen und Freunden. Es war eine Lebensschule, davon profitiere ich bis heute. Ich bin keine von den Ex-Missen, die später findet, die Wahl war etwas vom Schlimmsten, was mir passiert ist. Ich sage immer: Danke lieber Gott, oder wer immer da oben sitzen oder wie diese Macht auch heissen mag, dass ich dieses Jahr erleben durfte.
Melanie Winiger war die jüngste Miss Schweiz aller Zeiten und ist bis heute wahrscheinlich die erfolgreichste. Die Schweizer Mediendatenbank (SMD) findet 5917 Dokumente über die Winiger, ihre Nachfolgerin Tanja Gutmann kommt auf einen Drittel (1762) davon.
Welches war der grösste Preis, denn Sie als Ex-Miss bezahlen mussten?
Die Leute haben oft bereits eine Meinung über mich, bevor sie mich richtig kennenlernen.
Was kostet ein Ring, mit dem man Melanie Winiger eine Freude machen kann?
Ich bin eine Person, die keine Erwartungen hat. Es ist nicht teuer, mit mir zusammen zu sein. Glücklicherweise habe ich jetzt einen Partner, der mir bis anhin nur Dinge geschenkt hat, bei denen ich dachte: Wow, der hört mir zu.
Sie haben sich von der Ex-Miss zur erfolgreichen Moderatorin und Schauspielerin entwickelt. Hatten Sie in den letzten 22 Jahren je finanzielle Sorgen?
Es gab Höhe und Tiefen. Manche Leute denken, dass man nach dem Miss-Jahr reich ist. Aber dem ist nicht so, jedenfalls nicht bei mir. Vielleicht waren andere Missen sparsamer als ich. Ich war erst 17, als ich Miss Schweiz wurde und lebte nach dem Motto «Du brauchst was? Ach - da, nimm!». Ich teile gerne mit anderen, war schon immer ein gebender Mensch.
Wie viel verdienten Sie letzten Monat?
Diese Frage kann ich, ehrlich gesagt, nicht beantworten, weil Lea, meine Managerin, meine Finanzen macht. Jesses, die könnte mich total über den Tisch ziehen, wenn sie das wollte. Sie hat alle Vollmachten und ich habe nicht wirklich den Überblick. Aber etwas verdient haben muss ich im letzten Monat, weil ich ja 25 Tage in Bangkok am Drehen war.
Sie feiern in diesem Jahr ein Jubiläum als Schauspielerin: Vor 15 Jahren standen Sie zum ersten Mal vor einer Filmkamera – in der Komödie «Achtung Fertig Charlie!». Erzählen Sie, wie war es, das erste Mal?
Super – im Gegensatz zu anderen ersten Malen. Ich wollte ja erst gar nicht mitmachen bei diesem Film, hatte nicht den Traum Schauspielerin zu werden. Zum Glück hat mich die Casterin Corinna Glaus so lange genervt, bis ich dann doch zum Casting mit Regisseur Mike Eschmann ging. Natürlich haben danach viele gesagt, ich würde im Film mich selber spielen. Aber das muss man ja zuerst auch noch können: Sich vor vier Kameras hinsitzen und genauso tun, wie man immer tut.
Und die Sexszene?
Das war wahrscheinlich die unromantischste Szene, die ich je gedreht habe. Da standen 40 Leute um uns herum und ständig wurde «Cut!» geschrieen.
Welchen Melanie-Winiger-Film würden Sie gerne nochmals im Kino sehen?
Dieses Interview ist genial, es spornt einen zum Überlegen an. Ähm ... ich würde gerne «Who killed Johnny» nochmals im Kino sehen, weil ich es Yangzom Brauen gönnen würde. Sie ist der beste Mensch auf Erden und eine gute Regisseurin und wir hatten es extrem lustig. Wir machten in acht Drehtagen das, wofür andere zwei Monate Zeit haben.
Sind Sie eigentlich eine gute Schauspielerin?
Das müssen Sie nicht mich fragen, das sollten Sie die Menschen fragen, die mit mir zusammenarbeiten. Die zwei dänischen Regisseure, die kürzlich mit mir gearbeitet haben, waren auf alle Fälle total begeistert – ausser sie haben gelogen.
Das lustigste Alkohol-Erlebnis?
Oh Gott, da gab es viele. Das lustigste Erlebnis oder das tragischste? Am Konzert von Guns n’Roses stand ich ganz nah vor der Bühne. Ich trug ein T-Shirt und darunter ein Bikini-Top. Irgendwann stand Duff McKagan, einer der Gitarristen, direkt über uns und ich wusste nichts Besseres als mein T-Shirt hochzuheben und – keine Angst, das Bikini hatte ich immer noch an – laut «Duffy» zu schreien. Duffy musste mega lachen, während er weiter spielte und ich jubelte: «Er hat mich gesehen». Meine Freunde lachten und sagten: «Er lacht wahrscheinlich, weil du kleine Brüste hast.» Sie sehen, mir fehlt es nicht an Spass im Leben.
Tosendes Gelächter! Natürlich, natürlich.
Die Sexismusdebatte #Metoo ist aktuell das Thema im Filmgeschäft: Welche Erfahrungen haben Sie in den letzten 15 Jahren damit gemacht?
Ich habe auch meine Erfahrungen gemacht. Auf einem Filmset hat jeder, egal ob Regisseur, Tönler oder Schauspieler, seinen Job zu tun. Aber es gibt immer wieder Menschen, die das Gefühl haben, sie könnten sich mehr erlauben als andere. Ich dulde es absolut nicht, wenn Frauen missbraucht werden. Mir wurde es auch schon angeboten, dass ich ins Hotelzimmer mitkommen soll. Ich tat es nicht.
Gibt es wirklich überdurchschnittlich viele Grüselmänner auf einem Filmset?
Nein, es ist nicht so, dass das Filmbusiness ein Gruselkabinett ist. Ich erlebe es jedenfalls nicht als Sodom und Gomorra. Aber vielleicht strahle ich auch nicht diese Bereitschaft aus und deshalb wird mit mir anders umgegangen.
Was tun Sie, wenn Sie sich auf dem Set überfordert fühlen?
Dann frage ich den Regisseur, ob ich einige Minuten austreten darf. Ich höre dann Musik oder gehe in den Wald und schreie ganz laut. Das mache ich übrigens auch im Alltag hin und wieder, wenn mich etwas überfordert.
Sie spielen in zwei Krimiserien mit – in «Mordkommission Istanbul» die Forensikerin Güzel und in «The Team 2» die Polizistin Sabine. Was fasziniert Sie an Krimis?
Nichts, ich wurde einfach für diese Rollen besetzt. Sie würden besser den Regisseur oder den Produzenten fragen, warum sie mich gewählt haben. Vielleicht hat es mit meiner Stimme zu tun oder mit meiner natürlichen Autorität (lacht laut). Oder mit meinem Look, weil ich kein typisches Beautyface bin.
Was denken Sie: Steckt in jedem Mensch ein Mörder?
Ich rede ungern für alle Menschen. Aber ich weiss, in mir steckt definitiv ein Mörder. Ich kann mir gut vorstellen, wenn meinem Sohn etwas Schlimmes passieren würde, dass ich dann nicht mehr zu halten wäre. Das wird sicher die Schlagzeile für dieses Interview werden. Ach, bitte sorgen Sie dafür, dass dieses Interview keinen Skandal auslösen wird.
Na ja, für eine Skandal wird diese Aussage kaum reichen. Aber schauen wir einmal, vielleicht reicht es ja für eine Melanie-Winiger-Schlagzeile im «Blick».
Ihre absolute Traumrolle?
Hilary Swank in «Million Dollar Baby». Als ich die Geschichte eines alten Boxtrainers und seiner jungen Schülerin im Kino sah, habe ich Rotz und Wasser geweint. Es wäre grossartig, wenn ich auch einmal so eine Charakterrolle spielen dürfte.
Träumen Sie nach wie vor vom Gewinn eines Oscars?
Träumen ja. Aber mir war und ist klar: Träume und Ziele sind nicht das gleiche, man muss beides schön auseinander halten.
Wie bringt man im Kino den quatschenden Vordermann zum Schweigen?
Das ist mir noch nicht oft passiert. Vielleicht bin auch ich die, die immer am Quatschen ist. Aber was soll man sonst machen, wenn der Film langweilig ist?
Was muss ein Mann haben, dass Sie aufmerksam werden auf ihn?
Ich mag wenn etwas in den Augen eines Mannes abgeht und als zweites schaue ich auf das Füdli. Ach, habe ich jetzt wieder etwas Dummes gesagt?
Sie waren oft wegen Beziehungen im Gespräch. Mühsam oder nicht?
Es gab Zeiten, da war es mühsam. Natürlich wäre schön, wenn ich bis heute mit dem Mann zusammen wäre, der meine erste grosse Liebe war. Es ist aber anders gekommen. Ich finde, manchmal könnten die Medien schon etwas mehr Respekt und Empathie zeigen. Eine Trennung ist nie einfach, besonders dann, wenn auch noch Kinder involviert sind.
Gregory Knie, das Model Andreas Roth, Stress, Campino, Vujo Gavric – haben Sie mit Ihren Ex-Partnern noch Kontakt?
Ich habe es mit allen gut. Ich habe übrigens auch noch Kontakt mit Emanuele, das war mein allererster Freund von 15 ½ bis 19. Er hat zwei Kinder und manchmal, wenn ich im Tessin bin, gehen wir zusammen essen.
Herrlich, was die Winiger alles über ihre Männer zu erzählen weiss, äh, wüsste. An dieser Stelle hat sie (oder war es ihre Managerin?) nach dem Gegenlesen des Interviews zum Rotstift gegriffen. Äusserungen über Campino (alle total nett, wirklich!) wurden gestrichen, genauso jene über den Mann, den sie nur liebte, weil sie «unter einer verfrühten Midlife-Crisis litt».
Welche Männer, neben Ihrem Mann und Ihrem Sohn, sind noch wichtig in Ihrem Leben?
Mein Vater ist der Oberchef. Er ist der beste Mann den es «je hets gits». Mein bester Freund, der Marc, ist auch super wichtig in meinem Leben. Und natürlich Tenzin – mit ihm bin ich aufgewachsen, er ist quasi mein Bruder. Er lebt heute in New York. Und es gibt noch viele andere Freunde, die mir wichtig sind. Aber ich kann nicht alle aufzählen. Das Interview wird sonst zu lang.
2017 sagten Sie über die Ehe mit Ihrem Mann Reto Ardour: «Wir haben eine Wohnung in Zürich, teilen uns die Hausarbeit, gehen zusammen einkaufen, zahlen Steuern wie alle anderen. Alles ganz langweilig.»
Ich weiss, meinen Humor verstehen nicht alle. Ich bin jetzt seit zweieinhalb Jahren mit Reto zusammen und es war noch nie langweilig. Wir führen eine ganze normale Beziehung, wie andere Menschen das auch tun.
Welchen Teil der Hausarbeiten erledigen Sie?
Viele, ich finde zu viele. Zusätzlich muss ich noch ständig mit den Hunden raus, obwohl einer meinem Mann und der andere meinem Sohn gehört. Ich liebe diese Hunde auch, aber ich wollte sie eigentlich nicht und jetzt muss ich trotzdem ständig mit ihnen Gassi gehen. Kürzlich, als ich für Dreharbeiten vier Wochen in Bangkok weilte, machte mir mein Mann am Telefon ein ganz herziges Kompliment.
Was hat er gesagt?
Es sei krass, seit ich weg sei merke er, wie viele kleine Dinge ich immer machen würde, die jetzt einfach nicht gemacht würden. Er sei froh, dass ich bald wieder nach Hause kommen würde.
Was kann Ihr Mann besonders gut im Haushalt?
Mein Mann war sehr jung unabhängig und deshalb kann er eigentlich alles. Aber vor allem ist er als Mensch cool. Ich wäre nicht mit Reto zusammen, nur weil er seine Hemden schön zusammenlegen kann.
Und der Sohnemann hilft auch ab und zu mit?
Der Sohnemann hilft tendenziell von sich aus gar nichts, aber wenn ich ihm sage, dass er helfen soll, dann ist er sofort dabei. Aber ich erwarte von einem Teenager auch nicht, dass er viel im Haushalt hilft. Er hat schon genug mit seinen Hormonschüben im Körper zu tun.
Ist es immer wieder ein gutes Gefühl in den Spiegel zu schauen?
Ich schaue nicht so oft in den Spiegel. Das kennt wohl jeder Mensch: An manchen Tagen will man sich überhaupt nicht ansehen und an anderen Tagen findet man «Läck, sehe ich gut aus» (lacht).
Wirklich wahr, dass Sie Falten wunderschön finden?
Ja, sonst hätte ich schon lange Botox gespritzt. Ich finde, Keith Richards von den «Rolling Stones» ist der schönste Mann der Welt. Und zwar nicht, als er 20 war, sondern heute mit 74. Er ist extrem sexy. Falten zeigen, wie ein Mensch gelebt hat. Sie sind sozusagen die Landkarte unseres Lebens. Statt sich ständig mit den Falten in ihrem Gesicht zu beschäftigen, sollten sich manche Menschen lieber damit beschäftigen, was sie in ihrem Leben noch alles machen wollen.
Schönheits-OPs sind kein Thema für Sie?
Ich musste in meinem Leben lernen, nie nie zu sagen. Heute kann ich mir zwar nicht vorstellen, dass ich einmal so eine OP machen werde. Da hat mich meine Mutter gut beeinflusst. Sie hat nie etwas machen lassen und ich finde sie eine wunderschöne Frau.
Ist 40 das neue 20?
Nein, 50 ist das neue 20.
Wo sind Sie in zehn Jahren?
Keine Ahnung. Diese Frage wurde mir schon oft gestellt, aber jedesmal wenn ich das Gefühl hatte, ich wisse wohin mein Leben geht, wurde mir der Teppich unter den Füssen weggezogen und es ging in eine andere Richtung. Ich habe gelernt, einen Tag nach dem anderen zu leben. Natürlich muss man gewisse Dinge planen. Ich zahle zum Beispiel die Steuern voraus und bin im Alltag ziemlich gut organisiert, aber was das Leben sonst noch alles bringen wird, darauf habe ich keinen Einfluss. Und das ist gut so.
Wenn wir einen halben Tag Zeit hätten, wohin würden Sie mit mir fahren?
Einen halben Tag? Ich will mehr. Einen halben Tag finde ich doof.
Ich rede von mir.
Ja, ja, ich weiss, aber ein halber Tag ist blöd. Wo fährt man in einem halben Tag hin? Ach, ich würde mit Ihnen zum Reiten gehen. Das ist meine grosse Leidenschaft.
Sie haben ein Pferd?
Ja, in Australien. Es heisst Mackellar. Wenn ich die Stute in die Schweiz bringen würde, ginge sie wahrscheinlich ein. Mackellar ist sich Freiheit gewöhnt, denn sie lebt meistens draussen auf einer riesigen Weide. Hierzulande wäre sie die meiste Zeit in einer Box eingesperrt. Wahre Liebe ist, wenn du jemanden frei lässt. Genau, das könnte zum Beispiel der Titel dieses Interviews sein: «Melanie Winiger: Wahre Liebe lässt man frei».
Okay, ich überlege es mir.
Es stimmt wirklich. Und es ist übrigens ein Grund, warum die Liebe mit meinem Mann Reto funktioniert. Viele Männer haben immer den gleichen Fehler mit mir gemacht. Sie sahen mich als wildes Pferd und dachten: Oh lässig, die breche ich. Aber das hat nicht funktioniert. Reto ist der erste Mann, der das nicht versucht. Er hat sich in die Person verliebt, die ich bin, und versucht nicht, mich zu ändern.
Zur Person: Melanie Winiger
Melanie Winiger – geboren am 22. Januar 1979, Vater Deutschschweizer, Mutter halb Inderin, halb Kanadierin – ist in Zürich und im Tessin aufgewachsen. 1996 wurde sie zur Miss Schweiz gekürt und arbeitet seither als Schauspielerin («Achtung, fertig, Charlie!», «Love Made Easy», «One Way Trip»), Moderatorin und Model. Nach der Scheidung von Rap-Musiker Stress 2012 zog sie für ein Jahr mit Sohn Noël, 10, nach New York. Danach war sie einige Zeit mit dem Tote-Hosen-Sänger Campino liiert. Seit zweieinhalb Jahren ist sie mit DJ Reto Ardour zusammen und lebt wieder in Zürich.
Leserangebot «Traumfänger»
Leserinnen und Leser von «Bluewin» können das Buch «Traumfänger» von Redaktor Bruno Bötschi kostenlos bei der Redaktion bestellen. Und so geht es: Einfach eine Mail an redaktion2@bluewin.ch senden.
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