Gammenthaler über Flückiger «Wenn man so lange unter Dopingverdacht steht, hat man Angst»

Von Manuel Rupp und Jan Arnet

3.3.2023

Rad-Experte Henri Gammenthaler: «Mathias Flückiger ist total sauber»

Rad-Experte Henri Gammenthaler: «Mathias Flückiger ist total sauber»

Am Donnerstag stellte sich der Schweizer Mountainbiker Mathias Flückiger zum ersten Mal seit seinem Doping-Skandal den Medien. Rad-Experte Henri Gammenthaler schätzt die Medienkonferenz und die aktuelle Form des 34-Jährigen ein.

03.03.2023

Am Donnerstag stellte sich Mathias Flückiger zum ersten Mal seit seiner positiven Dopingprobe den Medien. Rad-Experte Henri Gammenthaler schätzt die Medienkonferenz und die aktuelle Form des 34-jährigen Mountainbikers ein.

Von Manuel Rupp und Jan Arnet

«Die Geschichte mit Flückiger stinkt zum Himmel», sagte Rad-Experte Henri Gammenthaler schon im September zu blue News. Er glaubte an Flückigers Unschuld, witterte gar eine Verschwörung und erhob schwere Anschuldigungen gegen Swiss Cycling.

Die provisorische Sperre gegen den Oberaargauer wurde mittlerweile aufgehoben. Er darf wieder Rennen fahren und wurde letzte Woche im spanischen Banyoles – in seinem ersten Rennen seit mehr als sieben Monaten – Sechster.

Bewiesen ist Flückigers Unschuld zwar noch nicht, er wurde aber mutmasslich vorschnell zum Doper erklärt. Flückiger sieht sich als zu Unrecht Verurteilter, mit seinem Beraterteam will er aufzeigen, weshalb es sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus juristischer Sicht nie zum «Dopingfall Flückiger» hätte kommen dürfen. Der 34-Jährige erklärte seine Sicht der Dinge am Donnerstag in einer Medienkonferenz.

«Endlich konnte sich Mathias Flückiger mitteilen, endlich haben ihm die Leute und Medienvertreter zugehört. Ihm ist ein grosser Stein vom Herzen gefallen», kommentiert Henri Gammenthaler die Pressekonferenz des Mountainbikers. «Er wollte ruhig reden. Zwei-, dreimal ist er ins Stocken gekommen, da dachte ich schon, jetzt beginnt er zu weinen.»

«Flückiger ist total sauber»

Nun könne Flückiger endlich wieder angreifen. «Er dachte, dass er diese Sportart nie mehr ausüben kann. Jetzt geht es endlich wieder bergauf», so Gammenthaler, der einst selber Radfahrer und später unter anderem Kommentator der Tour de Suisse war. «Wenn man so lange weg ist und unter Dopingverdacht steht, hat man Angst. In Spanien hat er aber etwas ganz Schönes erlebt: Viele Fahrer sind auf ihn zugegangen, haben ihn begrüsst und ihm die Hand gegeben.»

Noch läuft das Verfahren allerdings. Gammenthaler ist nach wie vor von Flückigers Unschuld überzeugt. «Ich habe es schon im August gesagt: Mathias Flückiger ist total sauber. Er lebt für diesen Sport. Nur weil er sein eigenes Ding macht, versucht man ihm immer wieder Hindernisse in den Weg zu legen.»

Der Fall Flückiger

Am 18. August 2022 wurde Mathias Flückiger wegen einer positiven Dopingprobe provisorisch gesperrt. Vier Monate später wurde die Sperre aufgehoben. Der 34-jährige Mountainbiker darf wieder Rennen fahren, freigesprochen ist er aber nicht.

Die Chronologie im «Fall Flückiger»

  • 5. Juni 2022: Mathias Flückiger wird in Leysin Schweizer Meister im olympischen Cross-Country. Anschliessend muss er zur Dopingkontrolle, die später das positive Ergebnis liefert.
  • 10. und 12. Juni 2022: Flückiger gewinnt am Weltcup im österreichischen Leogang das Short Race und das Hauptrennen und muss erneut zur Dopingkontrolle.
  • 11. Juli 2022: Die Swiss Sport Integrity (SSI) bekommt das Testergebnis der Probe vom 5. Juni durch das zuständige Labor in Lausanne. Die Probe enthält eine geringe Menge der verbotenen Substanz Zeranol, einem Anabolikum aus der Tiermast, das in der Schweiz und in der EU seit 1981 verboten ist. Weil der nachgewiesene Wert unterhalb des Schwellenwerts liegt, handelt es sich um ein «Atypical Fining». Die SSI unternimmt, wie im Protokoll der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) vorgesehen, zusätzliche Abklärungen. Eine Kontaktaufnahme mit Flückiger erfolgt nicht. Im englischsprachigen WADA-Protokoll steht zum Punkt über der Kontaktaufnahme das Wort «shall». Es ist ein Wort mit Interpretationsspielraum. Es heisst «sollen», kann aber auch verpflichtende Bedeutung haben.
  • 15. Juli 2022: Flückiger gewinnt auch das Short Race am Weltcup in Vallnord, Andorra. Danach wird er krank und verpasst das Hauptrennen. Er wird positiv auf Corona getestet und verzichtet vor der EM in München auf die Weltcups im amerikanischen Snowshoe und kanadischen Mont-Sainte-Anne.
  • 18. August 2022: Die Swiss Sport Integrity informiert den nationalen Radsportverband Swiss Cycling über das Testergebnis von Flückiger vom 5. Juni. Der Athlet wird einen Tag vor dem EM-Rennen provisorisch gesperrt.
  • 7. September 2022: Flückiger präsentiert entlastendes Material. Das Ergebnis einer Haarprobe schliesst ein Dopingszenario nach Ansicht von Flückigers Expertengruppe aus. Der Swiss Sport Integrity wirft Flückigers Seite Verfahrensfehler vor. Anwalt Thilo Pachmann sagt, Flückiger hätte von der SSI kontaktiert werden müssen und die provisorische Sperre hätte nicht öffentlich gemacht werden dürfen.
  • 16. September 2022: Flückiger reicht Einsprache gegen die provisorische Sperre ein. Und führt mögliche Ursachen des atypischen Testergebnisses auf.
  • 28. September 2022: Die Disziplinarkammer von Swiss Olympic (DK) ordnet vorsorglich an, dass die A-Probe nicht als abnormal gewertet werden darf. Die B-Probe bleibt damit eingefroren.
  • 21. Oktober 2022: Die Swiss Sport Integrity nimmt Stellung zur Einsprache gegen die provisorische Sperre.
  • 17. Dezember 2022: Die DK heisst die Einsprache Flückigers gut und hebt die provisorische Sperre per sofort auf.
  • 10. Februar 2023: Erstes Treffen zwischen der Swiss Sport Integrity und Flückiger. Flückiger wird unter anderem zu den Ursachen einer möglichen Kontamination befragt.
  • 26. Februar 2023: Flückiger bestreitet im spanischen Banyoles sein erstes Rennen seit mehr als sieben Monaten und wird Sechster.
  • 2. März 2023: Flückiger spricht zum ersten Mal seit dem Fall öffentlich. Er schildert, wie am 18. August 2022 seine Welt zusammenbrach. Die folgenden fünf Monate bezeichnet er als die mit Abstand schlimmsten seines Lebens. Zusammen mit seinem Beraterteam versucht er aufzuzeigen, weshalb es wissenschaftlich und juristisch nie zu einem «Dopingfall» hätte kommen dürfen. Flückiger will gegen den Stempel des Dopers ankämpfen und wieder «ohne Rucksack an der Startlinie» stehen können.
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