Das Schweizer Trio an der Vendée Globe zählt nicht zum engeren Favoritenkreis. Justine Mettraux und Alan Roura dürfen als Erfolg einen Top-Ten-Platz werten, Oliver Heer das Erreichen des Ziels.
Sechs Seglerinnen und 34 Segler aus zehn Ländern werden am Sonntagmittag in Les Sables-d'Olonne an der französischen Atlantikküste in See stechen und die Erde nonstop und allein umrunden. Die zehnte Austragung der Vendée Globe verspricht während drei Monaten Spektakel. Rund 45'000 Kilometer gilt es auf dem Weg rund um die Antarktis, das Eisschild auf der Südhalbkugel, zurückzulegen.
Die Schweizer Flagge wird von den Experten nicht in den vordersten Positionen erwartet. Denn wie im America's Cup, der unlängst vor Barcelona mit fliegenden AC75-Jachten zu Ende ging, wird auch in der Open-60-Klasse der Einrumpfboote ständig an Verbesserungen getüftelt. Rund ein Drittel des Feldes wird auf Booten der neusten Generation unterwegs sein, nicht aber Mettraux und Roura.
Zweitbeste Version
Das Duo aus der Westschweiz segelt auf abgeänderten Versionen der zweitneuesten Generation. Die Unterschiede zu den Top-Jachten dürften nicht riesig, aber eben doch vorhanden sein. Insbesondere der Rumpf der Imoca-Boote wurde in den letzten Jahren nochmals optimiert. Die rund 18 Meter langen Kolosse agieren ebenfalls mit Foils, der Idealzustand ist aber nicht das reine Fliegen. Vielmehr sollen die Jachten auf dem hinteren Teil des Rumpfs surfen, während die Foils helfen, das Boot leicht anzuheben und vor allem möglichst aufrecht im Wind zu halten, um mehr Segelfläche zu bieten.
Boote der neusten Generation sind erfahrungsgemäss anfällig auf Pannen. Mettraux und Roura werden bestimmt von Ausfällen profitieren. Ob schon dies reichen wird, um in den Top Ten zu bestehen, muss sich weisen. Denn in der Vendée Globe schaffen auch die Routenwahl oder die Wetterbedingungen die Differenz.
Aus diesem Grund könnte der Streckenrekord des Franzosen Armel Le Cléac’h mit 74 Tagen 3 Stunden und 35 Minuten, aufgestellt 2017, weitere vier Jahre halten. Damals spielte das Wetter perfekt mit. 2021 kam der Erste in 80 Tagen ins Ziel, am längsten als Gewinner unterwegs bei der Weltumseglung war Alain Gautier 1993, nämlich 110 Tage.
Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird auch bei der zehnten Austragung ein Franzose gewinnen. Charlie Dalin und Yoann Richomme stehen bei den Buchmachern besonders hoch im Kurs. Am anderen Ende der Skala figuriert Heer, der als erster Deutschschweizer überhaupt an diesem Rennen teilnimmt. Unerfahren auf hoher See ist der Mann aus Rapperswil aber nicht. Von 2018 bis 2022 segelte er für ein Team der 60-Open-Klasse. Heer fehlten allerdings die Sponsoren, um eine konkurrenzfähige Kampagne zu lancieren. Der 36-Jährige erhielt den 40. und letzten Startplatz.
Jean Le Cam ist mit 65 Jahren der älteste Teilnehmer. Der Bretone startet bereits zum sechsten Mal zum «Mount Everest der Meere». Roura ist mit 31 Jahren einer der Jüngsten und schon zum dritten Mal dabei. Für Mettraux und Heer ist es eine Premiere.
Harte Bedingungen
Die Regatta verlangt Mut, seglerisches Können und jede Menge technisches Knowhow. Denn ohne Probleme oder Schäden kommt kaum jemand rund um die Welt. Und auch das Durchhaltevermögen ist gefragt. Viel Schlaf bekommen die Seglerinnen und Segler nicht – trotz Autopilot. Mehr als eine halbe Stunde am Stück liegt kaum drin.
Zudem ist die Vendée Globe auch eine Art Klima-Reise. Vom herbstlichen Frankreich führt die Route runter auf die sommerliche Südhalbkugel und dann rund um die Antarktis zurück ins winterliche Europa. Letzteres passt zum Essen. Es gibt fast ausschliesslich Gefriergetrocknetes.
hle, sda