Kommentar Desplanches' WM-Silber ist ein Stück Schweizer Sportgeschichte

Von René Weder

25.7.2019

Jérémy Desplanches holt über die prestigeträchtige 200-Meter-Lagenstrecke die Silbermedaille für die Schweiz. Dieser Erfolg lässt sich nicht hoch genug einstufen.

Es ist eine halbe Ewigkeit her, seit sich die Schweiz über eine WM-Medaille in der Weltsportart Schwimmen freuen durfte: 2007 kämpfte sich die Tessinerin Flavia Rigamonti über 1500 Meter Freistil mit Europarekord zu Silber.

Auch zuvor war helvetisches Edelmetall an Grossanlässen eine Seltenheit. Vor der Tessinerin, die über die längste (und nicht-olympische) Strecke im Becken insgesamt dreimal WM-Zweite geworden war (2001, 2005 und 2007), hatte die Schweiz 15 Jahre – und seit Dano Halsall (Silber) und Marie-Thérèse Armentero (Bronze) 1986 in Madrid – warten müssen. WM-Gold gab es für Swiss Swimming im Pool noch nie. Einzig 2011 an der Weltmeisterschaft in Schanghai hatte die Genferin Swann Oberson im Fünf-Kilometer-Wettbewerb «Open Water» sensationell triumphiert. 



Die Medaille von Desplanches ist für eine kleine Schwimmnation wie die Schweiz eine Sensation. Im Vergleich mit Ländern wie Australien oder der USA, wo der Schwimmsport eine lange Tradition und entsprechend professionelle Strukturen hat, oder China, das mit seiner schlichten Masse immer wieder Spitzenschwimmer hervorbringt, ist der Erfolg des Schweizers Desplanches umso höher zu werten. Dass er über die Lagen-Strecke zustande kommt, ist ebenfalls erstaunlich, ist dieses Rennen doch nur kompletten Athleten vorbehalten, weil es einer unglaublichen Trainingsdisziplin bedarf.

Jérémy Desplanches und sein einziger Bezwinger: Der Japaner Daiya Seto.
Jérémy Desplanches und sein einziger Bezwinger: Der Japaner Daiya Seto.
Bild: Getty

Das Fernziel bleibt Tokio 2020

Der Europameister und jetzige WM-Medaillenträger hat den Exploit in Südkorea nicht nur seinem eisernen Willen zu verdanken, sondern auch seiner kontrollierten Karriereplanung. 2014 zog er nach Frankreich, um sich in Nizza den letzten Schliff bei Erfolgstrainer Fabrice Pellerin zu holen. Mit der bedachten Planung geht bei Desplanches zudem auch die nötige Demut einher. Der Genfer sagte vor dem Lagen-Final und der schnellsten geschwommenen Zeit im Halbfinal: «Eine Medaille wäre wunderbar. Aber mein Ziel bleibt eine Klassierung in den ersten Fünf. Auch wenn es toll ist, dank der Bestzeit auf der Bahn Nummer vier zu schwimmen. Ich bleibe ein Aussenseiter.»

Aussenseiter wird Desplanches, der sich mit diesem Erfolg ebenfalls für den Titel zum Schweizer Sportler des Jahres 2019 empfiehlt, nun so schnell nicht mehr sein. Sein Fernziel bleiben die Sommerspiele in Tokio 2020: Wenn in einem Jahr am 31. Juli der Final über 200 Meter Lagen im Tatsumi International Swimming Center über die Bühne geht, wird Desplanches zu den Mitfavoriten gehören. Sieben Tage vor seinem 26. Geburtstag. Eine Medaille hat die Schweiz an Olympischen Spielen übrigens bisher erst einmal gewonnen: Etienne Dagon holte 1984 in Los Angeles Bronze über 200 Meter Brust. Träumen ist ab sofort erlaubt.


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