Marlen Reussers letzter Renneinsatz datiert vom 19. Mai 2024. Wann die gesundheitlich angeschlagene Bernerin wieder Rennen fahren kann, ist nicht absehbar. In einem emotionalen Interview spricht sie mit SRF über ihre aktuelle Situation.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Marlen Reusser spricht in der SRF-Doku «Gold, Pech und Leidenschaft» über ihr Seuchenjahr 2024 und das Post-Covid-Syndrom, an dem sie leidet.
- Bei vergleichsweise geringer Anstrengung kämpft die 32-jährige Bernerin aufgrund der Krankheit mit verstärkten Symptomen und Fieber.
- «Es ist nicht sicher, dass ich genese», weiss Reusser, die weiterhin nicht leistungsmässig trainieren kann.
- Der Schweizer Rad-Star will deshalb vollen Fokus auf die eigene Gesundheit legen.
Der grosse Traum vom Olympiasieg in Paris oder vom Triumph an der Heim-WM in Zürich löste sich für die Marlene Reuss in diesem Jahr in Luft auf. Mit ihrer Leidensgeschichte war das Ziel für die 32-Jährige nicht im Ansatz realisierbar.
Ausgerechnet das Jahr 2024, das sie in ihrer Agenda schon lange dick angestrichen hatte und in dem sie «die beste Version ihrer selbst» sein wollte, wurde zu Reussers Seuchenjahr – mit einer Covid-Erkrankung, verschiedenen Infekten der oberen Atemwege sowie Ende März einem schweren Sturz an der Flandern-Rundfahrt. Bei diesem Sturz zog sich die Olympiazweite im Zeitfahren von Tokio 2021 Brüche an Kiefer, beiden Gehörgängen und acht Zähnen zu.
Weiterhin kein leistungsmässiges Training
Doch die in Flandern erlittenen Verletzungen überwand Reusser überraschend schnell. Schon Ende April erfolgte die Rückkehr in den Wettkampfmodus, und das mit beachtlichen Leistungen an drei Rundfahrten in Spanien.
Danach war allerdings bereits wieder Schluss mit Rennen. Auf die Teilnahme an der Tour de Suisse musste die Vorjahressiegerin Reusser im Juni verzichten. Vier Wochen hatte sie erhöhte Temperatur und konnte nicht auf dem Velo trainieren. Danach folgten die Forfaits für die Olympischen Spiele und die Weltmeisterschaft in Zürich.
Der Grund: Reusser leidet an einem Post-Covid-Syndrom und kämpft schon bei vergleichsweise geringer Anstrengung mit verstärkten Symptomen und Fieber. Immer wenn sie eine Anstrengung unternimmt, muss ihr Körper leiden. Für die Bernerin ist deshalb weiterhin nicht an leistungsmässiges Training zu denken.
«Im Moment bin ich chronisch krank», sagt eine sichtlich mit den Emotionen kämpfende Reusser in der SRF-Dokumentation «Über Gold, Pech und Leidenschaft». «Es gibt Zeiten und Momente, in denen es besser geht und in denen es schlechter geht. Aber es geht immer nicht gut», erzählt die 32-Jährige und bricht in Tränen aus.
Sie rede nicht oft über das Thema, gesteht Reusser. «Es gibt Phasen, in denen es so schlecht geht, dass ich einfach nichts mache. Es gab auch Phasen, in denen ich in so einem halb komatösen Zustand im Bett liege und im Kopf in so einer Zwischenwelt bin.»
Manchmal verspüre sie auch Energie und sie habe Pläne, «aber sobald ich diese umsetzen will, haut es mich in die Pfanne». Sie sei «im Moment chronisch krank».
«Ich brauche viel Geduld»
Die im vergleichsweise hohen Alter in den Radsport eingestiegene Ärztin weiss, was in ihrem Fall nun gefordert ist: «Ich brauche viel Geduld. Es gibt Leute, die davon nicht wieder genesen.» Sie sei wohl zu arrogant unterwegs gewesen, weil sie immer gedacht habe, das komme bei ihr schon wieder gut.
«Ich hatte einfach beschlossen, dass ich wieder gesund bin. Und dann habe ich es übertrieben», erzählt Reusser über die Zeit vor der WM. «Dann hat es mich richtig in die Pfanne gehauen.»
«Nun habe ich deutlich mehr Demut», erzählt die Bernerin aus Hindelbank im SRF-Interview weiter. «Ich kann nicht sicher sein, dass ich wieder gesund werde. Das ist eine spezielle Perspektive, in die ich mich aber gar nicht zu fest hineingeben will.»
Wann sie in den kommenden Wochen oder Monaten die nächsten Schritte auf dem Weg zurück anpacken kann, lässt Marlen Reusser offen. Zu regeln gäbe es für die dreifache Zeitfahr-Europameisterin und je zweifache Tour-de-France-Etappensiegerin und WM-Zweite im Zeitfahren einiges. So auch die Frage, für welches Team sie ab 2025 zu fahren gedenkt. Ihr Vertrag mit dem Team SD Worx, zu welchem sie 2022 stiess, läuft Ende dieses Jahres aus.
Überhaupt wieder gesund werden
Reusser sagt gegen Ende der SRF-Dokumentation, dass «ich die nächste Saison im Kopf, aber eben nicht in den Händen habe. Das habe ich mittlerweile gelernt. Nicht ich kann entscheiden, sondern es wird für mich entschieden».
WM, Olympia, fast die ganze Saison, «einfach alles musste ich gehen lassen. Ich konnte weder trainieren noch sonst irgendetwas machen. Der Fokus liegt nun viel deutlicher auf meiner Gesundheit und darauf, dass ich überhaupt wieder gesund werde».
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