Würdigung einer Legende Wie Rafa Nadal sogar die Herzen der Federer-Fans eroberte

Von Luca Betschart

10.10.2024

Rafael Nadal musste Rivale Roger Federer in Vergangenheit mehrfach trösten.
Rafael Nadal musste Rivale Roger Federer in Vergangenheit mehrfach trösten.
Bild: Keystone

Als einer der erfolgreichsten Spieler aller Zeiten beendet Rafael Nadal Ende Jahr seine Karriere. Auf dem Weg zur Ikone fügt er auch Roger Federer bittere Pleiten zu. Ein Feindbild ist der Dauerrivale für den Schweizer und viele seiner Fans aber nie.

L. Betschart

22 Grand-Slam-Titel, 209 Wochen an der Weltranglistenspitze und mit einem einmaligen Kämpferherz gesegnet – mit Rafael Nadal verabschiedet sich ein ganz Grosser vom Welttennis. Ein Rückblick auf die eindrückliche Laufbahn und die einzigartige Rivalität mit Roger Federer.

Wie Phönix aus der roten Asche

29. März 2004: Ein 17-jähriger Spanier schaltet den Weltranglistenersten Roger Federer in Miami sensationell in zwei Sätzen aus. In Dreiviertelhosen und ärmellosem Shirt lässt der Teenager dem Dominator der Szene keine Chance und macht ein erstes Mal auf sich aufmerksam. Obwohl ihn in der Folge eine Verletzung ausbremst, schafft Rafael Nadal den endgültigen Durchbruch bereits im folgenden Jahr mit elf Turniersiegen eindrücklich.

Auf Sand ist Nadal bereits 2005 als 18-Jähriger derjenige Spieler, den es zu schlagen gilt. Acht Turniere gewinnt er auf seinem Lieblingsbelag. Als erster Spieler seit Mats Wilander gewinnt er auf Anhieb die French Open in Paris, wo er im Halbfinal auch Federer in die Schranken weist. «Er ist sehr gut in der Defensive. Ich muss immer zweimal überlegen, ob ich ans Netz komme», stellt der enttäuschte Schweizer schon damals fest. Ein Dilemma, das Federer so schnell nicht loswerden soll.

Der Federer-Schreck?

Nadal gewinnt fünf der ersten sechs Direktduelle. Immer mehr avanciert er zum Schrecken der Federer-Fans. 2006 verhindert er mit dem Triumph bei den French Open im Alleingang, dass der Schweizer das Kunststück vollbringt, alle vier Grand-Slam-Turniere einer Saison zu gewinnen. Im Sommer 2008 führt Nadal den Maestro im French-Open-Final regelrecht vor und überlässt ihm nur vier Games.

Kurz später gewinnt er in Federers Wohnzimmer eines der dramatischsten Tennis-Matches überhaupt. Erst bei Einbruch der Dunkelheit in Wimbledon holt sich Nadal im fünften Satz das entscheidende Break und gewinnt 9:7 – bei 8:8 wäre die Partie auf den Folgetag verschoben worden. Kurz darauf verdrängt er Federer nach 237 Wochen vom Thron und als er zum Jahresauftakt 2009 auch den Australian-Open-Final gegen den Schweizer gewinnt, ist Nadals Jagd auf Federers Vermächtnis definitiv eröffnet.

Zwar gehen die diversen Ticks des Sandkönigs so manchen Zuschauern vor dem Bildschirm hierzulande auf die Nerven. Böse kann man dem stets demütigen Mallorquiner aber selbst aus Schweizer Sicht nicht sein. Was einige an seinen Gewohnheiten auf dem Court kritisieren, macht der Sympathieträger mit seinem Verhalten neben dem Platz wett. Als Federer nach der verpassten Titelverteidigung in Melbourne 2009 bei der Siegerehrung die Tränen nicht mehr zurückhalten kann, zeigt Nadal grosses Mitgefühl und nimmt den Baselbieter gar in den Arm. Da verzeiht ihm wohl gar der grösste Federer-Anhänger die soeben zugefügte Enttäuschung.

Eine Rivalität unter Freunden

Die beiden Kontrahenten wirken zu keinem Zeitpunkt wie Feinde. Trotz knallharten Duellen auf den Tennisplätzen entwickelt sich zwischen den beiden gar eine Freundschaft. Eine gewisse Harmonie ist beispielsweise beim Lachanfall der beiden während eines Werbedrehs für die erste Ausgabe des «Match for Africa» 2010 nicht zu leugnen.

Für Federers Herzensprojekt, im Zuge des Showmatches Geld für seine Foundation zu sammeln, reist Nadal im Dezember 2010 nach Zürich, wo er von Federers Familie, Freunden und Fans euphorisch im Hallenstadion empfangen wird. Zwei Tage später revanchiert sich Federer und gastiert bei Nadal in Madrid, um für dessen Foundation zu sammeln. 2020 wiederholen die Ausnahmekönner das Ganze, spielen im «Match in Africa» in Kapstadt und stellen mit knapp 52'000 Zuschauern einen Publikumsrekord auf. 

Ein mitreissendes Kämpferherz

Es spielt aber ohnehin keine Rolle, wo Rafa auftritt: Die Begeisterung ist grenzenlos. Sein mitreissendes Kämpferherz und die unfassbare Leidensfähigkeit lassen keinen Sport-Fanatiker kalt. Insbesondere gegen Ende seiner Laufbahn scheint Nadal während grossen Matches kaum mehr stehen zu können, jubelt am Ende aber trotzdem über den Sieg. Gegen den zehn Jahre jüngeren Daniil Medvedev dreht er in Melbourne einen 0:2-Satzrückstand, um in extremis seinen 21. Major-Triumph einzufahren.

Bei den French Open 2022 plagen ihn starke Fussschmerzen, sodass er gegen Casper Ruud nur mit einem betäubten Fuss zum Endspiel antreten kann. Ein Champion seines Formats lässt sich auch davon nicht aufhalten. Das brutale Verdikt: 6:3, 6:3, 6:0 und Major-Trophäe Nummer 22 für den «Stier aus Manacor».

Nadal hat sich den Abtritt als einer der erfolgreichsten Spieler der Geschichte mehr als verdient. Bleibt zu hoffen, dass er seine Rekorde mit der Gefahr bleibender gesundheitlicher Probleme nicht zu teuer zu bezahlen hat. Was er im Unterschied zu seinen gesetzten Bestmarken aber nie verlieren wird: die Sympathien der Fans.