In seinem 13. Endspiel winkt Roger Federer am Sonntag eine Premiere der besonderen Art. Sollte ihm diese glücken, schliesst man im Südwesten Londons sogar den Rücktritt nicht aus.
Dank dem Prestigesieg über Rafael Nadal steht Roger Federer am Sonntag in seinem 31. Grand-Slam-Final und verbessert damit den eigens aufgestellten Allzeit-Rekord. 20 der bisher gespielten Endspiele konnte der Schweizer bekanntlich für sich entscheiden – und trotzdem winkt ihm bei einem Sieg über Novak Djokovic eine Premiere: Erstmals könnte er auf dem Weg zu einem Major-Titel sowohl Nadal als auch Djokovic ausschalten, seine beiden grössten Rivalen.
Es wäre die Krönung schlechthin, unter diesen Umständen den Thron in Wimbledon zurückerobern zu können. Und hört man sich dieser Tage in Wimbledon um, könnte das zudem der Abschluss einer überragenden Karriere und der perfekte Abschied sein. An der Church Road fallen vereinzelt Sätze wie: «Wenn Federer am Sonntag gewinnt, könnte die Zeit für den Rücktritt reif sein.» Auch wenn der Schweizer Tennisfan das nicht gerne hört und wohl auch sofort abwinkt – was ist da dran?
Das Ende auf dem absoluten Höhepunkt?
Fakt ist, dass Federer in weniger als einem Monat 38 Jahre alt wird – definitiv ein hohes Tennisalter. Selbst der 33-jährige Nadal gab vor dem Halbfinal-Kracher zu bedenken: «Die Gelegenheiten (für ihn selbst und Federer, Anm. d. Red.) werden weniger.» Sollte Federer seine Karriere auf dem Höhepunkt beenden wollen, dürfte das bei einem Finalsieg am Sonntag wohl die Chance schlechthin sein. Ein Ende, das kaum zu toppen wäre.
Und bergab kann es schnell gehen. Sich auf dem Thron zu halten war schon immer schwieriger, als diesen zu besteigen. Zudem werden die Knochen des Ausnahmeathleten auch nicht jünger, die Belastungen fordern ihren Tribut. Das Horrorszenario wäre wohl, wenn der Schweizer verletzungsbedingt den Zeitpunkt seines Rücktritts gar nicht mehr selbst bestimmen könnte.
«Das Alter fährt ein»
Und dass das «Alter einfährt», bestätigte er nach dem Halbfinal am Freitag auf die kurze Erholungszeit angesprochen. Interpretationsspielraum lässt zudem eine andere Aussage an der besagten Pressekonferenz: «Mit Mirka rede ich nicht mehr viel über Tennis. Wir haben andere Sachen zu erledigen.» Es muss nicht nur physisch, sondern auch organisatorisch eine enorme Belastung sein, «jedes Jahr wie Musiker auf eine Welttournee zu gehen» – und zwar für die ganze Familie Federer.
Andererseits sprechen wir hier über einen Spieler, der seinen Beruf wohl noch immer so sehr liebt wie am ersten Tag. Die Leidenschaft fürs Tennis ist ein gewichtiger Grund, wieso Federer heute noch immer die Weltnummer drei ist. In Topform kann er nach wie vor jedes Turnier gewinnen und er jagt beinahe in jedem Match neue Rekorde. Das treibt ihn seit Jahren an und dürfte so abrupt nicht enden, genau wie die Fanliebe, die ihm auf jedem Flecken dieses Planeten nur so entgegenfliegt.
Olympiagold als letztes Ziel?
In einem Jahr stehen zudem die olympischen Spiele in Tokyo auf dem Programm, das einzige wichtige Turnier, das der Maestro im Einzel noch nicht gewinnen konnte. Durchaus denkbar, dass Federer sich diese Chance nicht entgehen lassen will – unabhängig vom Ausgang der Partie am Sonntag.
Das schürt berechtigte Hoffnungen, dass sich die Tennisromantiker unter den Briten gewaltig täuschen. Eins muss man ihnen aber lassen: Der Abtritt mit einem Finalsieg über Djokovic in Wimbledon wäre in der Tat ein königlicher Abschied und der phänomenalen Karriere von Roger Federer würdig.