Zwei Zürcher aus Rüschlikon geben am Dienstag in Wimbledon ihr Debüt auf Grand-Slam-Stufe. Für Marc-Andrea Hüsler und Alexander Ritschard geht damit ein Traum in Erfüllung.
Der Freitag war für Marc-Andrea Hüsler und Alexander Ritschard ein grosser Tag. Ehrfürchtig und aufgeregt gingen sie in Begleitung eines Guides über das Gelände an der Church Road, über die berühmteste Tennisanlage der Welt. Sie hatten zwar bereits drei Runden in der Qualifikation gewonnen, im Gegensatz zu allen anderen Grand-Slam-Turnieren werden diese allerdings im rund fünf Kilometer entfernten Roehampton gespielt.
Für Wimbledon-Neulinge gibt es deshalb eine Einführung. Der ehrwürdige Centre Court, die Garderoben, das edle «Vorzimmer», die Pokale oder die Royal Box – die beiden Zürcher waren beeindruckt.
Erfüllung eines Traums
«Es ist wie ein Traum, der in Erfüllung geht», schwärmt Alexander Ritschard. «Das wünscht man sich als junger Bub und aufstrebender Tennisprofi.» Die beiden als Fast-Nachbarn in der Zürichsee-Gemeinde Rüschlikon aufgewachsenen Hüsler und Ritschard haben vieles gemeinsam, auch wenn der 28-jährige Ritschard zwei Jahre älter ist. Beide sind sie gross gewachsen, spielen beim Tennisclub Seeblick an der Zürcher Stadtgrenze und seit diesem Jahr gehören beide dem Schweizer Davis-Cup-Team an. «Es ist auch der Lohn für schwierige Zeiten», sagt Hüsler am Montag gegenüber Keystone-SDA.
Der 1,96 m grosse Linkshänder erinnert sich auch an andere Zeiten. In Usbekistan wurde er mal mit einem Taxi von der Hauptstadt Taschkent nach Fergana gefahren – nachts fünf Stunden durch die Berge. «Das Auto war in einem bedenklichen Zustand, der Fahrer schlief fast ein und alle 10 oder 20 Kilometer wurden wir an einer Strassensperre von mit Maschinengewehren bewaffneten Soldaten oder Polizisten gestoppt.» Im Vergleich dazu ist Wimbledon natürlich eine andere Welt.
Die Qualifikation von Hüsler kommt eigentlich nicht überraschend. Sein Spiel mit dem starken Linkshänder-Aufschlag scheint wie gemacht für Rasen, als Nummer 105 der Welt klopft er nach einem starken ersten Halbjahr auch kräftig an die Pforte der Top 100. Würde es in Wimbledon ATP-Punkte geben, hätte er diese schon praktisch in der Tasche. «Daran habe ich aber beim Spielen nicht einmal gedacht», versichert er.
Dennoch darf er darauf hoffen, am US Open in zwei Monaten direkt im Hauptfeld zu stehen. Nun steht aber zuerst einmal das Wimbledon-Debüt an. In diesem ist Hüsler gegen den Lucky Loser Hugo Grenier (ATP 141), der im Gegensatz zu ihm in der letzten Runde der Qualifikation verlor, sogar der Favorit. «Wir haben beide nichts zu verlieren», denkt er. Im Fall eines Sieges winkt ein Duell mit Vorjahres-Finalist Matteo Berrettini.
Keinen Sack getroffen
Ritschard hat dieses grosse Duell auf einem der Hauptplätze schon auf sicher. Er zeigt sich selber verblüfft, dass er gerade auf Rasen erstmals die Qualifikation für das Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers schaffte. In der Woche davor, beim Challenger-Turnier in Ilkley, fand er sich auf der ungewohnten Unterlage überhaupt nicht zurecht. «Ehrlich gesagt, habe ich da keinen Sack getroffen», erzählt er lachend. «Ich hatte keine Ahnung, was ich machen musste.» Nach etwas mehr Training fand er aber heraus, wie er auf Rasen spielen musste.
In der letzten Runde der Qualifikation sei er dann gar nicht mehr gross nervös gewesen. «Ich war wirklich überzeugt, dass ich weiterkommen würde.» Ritschard gewann tatsächlich in drei Sätzen und wird nun am Dienstag mit einem grossen Auftritt gegen die Weltnummer 5 Stefanos Tsitsipas belohnt. «Das ist natürlich ein Riesendebüt», freut er sich. «Das ist ein richtig geiles Gefühl, ein richtig geiler Match.» Er bereite sich vor wie in der letzten Woche immer und hoffe, dass die Nervosität nicht noch kommt.
Erfahrung wichtiger als Geld oder Punkte
Für Ritschard ist es natürlich besonders schade, dass sich sein Exploit auf das Ranking nicht auswirken wird. Aktuell ist er als Nummer 188 so gut klassiert wie noch nie, beim US Open in seiner langjährigen Wahlheimat wird er deshalb erneut in die Qualifikation müssen. Nach seinem Studium mit einem Tennisstipendium an der Universität von Virginia repräsentierte er auf der ATP Tour die USA, ehe er auf dieses Jahr hin wieder in die Schweiz wechselte. Auf das Ranking wolle er aktuell aber nicht zu sehr achten.
Punkte gibt es zwar keine, doch Hüsler und Ritschard haben schon mal mindestens 50'000 Pfund – knapp 59'000 Franken – Preisgeld auf sicher. «Das ist natürlich willkommen», gibt Hüsler zu. «Aber auch das steht nicht im Vordergrund.» Viel wichtiger ist die Erfahrung, es nach Wimbledon geschafft zu haben. Usbekistan ist da – nicht nur geografisch – sehr weit weg.
sda