Er ist immer wieder für einen Eklat gut und sagte einst, dass er Roger Federer hasste. Jetzt ist Daniil Medwedew auf dem Weg in den Tennis-Olymp: Der Russe gewinnt in Cincinnati sein erstes Masters-1000-Turnier und ist neu die Weltnummer 5.
Wann ist sie vorbei, die goldene Ära von Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic? Noch immer sind es die «Big 3», welche die Tour nach Belieben dominieren und die Grand-Slam-Titel unter sich ausmachen. Die so hochgelobte «Next Gen» mit ihren Aushängeschildern Alexander Zverev oder Stefanos Tsitsipas spielt zwar in den grossen Turnieren oft eine wichtige Rolle, zum grossen Coup hat es allerdings noch keinem gereicht.
Nun mausert sich klangheimlich Daniil Medwedew zum aktuell vielleicht ärgsten Widersacher für Federer, Nadal und Djokovic. Letzteren konnte der 23-jährige Russe bei seinem Siegeszug in Cincinnati im Halbfinal bezwingen, worauf ihn Djokovic lobte: «Er ist in jedem Fall einer der besten Spieler auf der Welt.» Nach seinem Triumph im Final über David Goffin in der Nacht auf Montag steht Medwedew neu auf Rang 5 der Weltrangliste und hat neben den «Big 3» nur noch Dominic Thiem vor sich.
Der Erfolg kommt nicht von ungefähr, Medwedew befindet sich in absoluter Top-Form. Schon bei seinen letzten beiden Turnier-Teilnahmen kam der Russe bis in den Final, scheiterte in Washington (ATP 500) nur an Nick Kyrgios und in Montreal (ATP 1000) an Rafael Nadal. Die starke Form macht Medwedew an den in einer Woche beginnenden US Open zu einem Geheimfavoriten.
Doch wer ist dieser Daniil Medwedew eigentlich? «Bluewin» stellt den exzentrischen Russen vor.
Das «hässliche» Spiel
«Sein Spielstil ist ziemlich verrückt», sagte Stefanos Tsitsipas einst über Medwedew. «Das meine ich nicht negativ. Er macht es dir auf dem Platz einfach ungemütlich. Er spielt schlampig – aber in einem positiven Sinne.» Was der Grieche meinte: Es sieht ziemlich unorthodox aus, wenn Medwedew seine schlaksigen Arme wie einen Golfschläger schwingt und den Ball so übers Netz befördert. «50 Prozent der Spieler sagen, dass mein Spiel hässlich ist, die anderen sagen, mein Spiel sei lustig», sagt Medwedew mit einer gewissen Selbstironie. «Manchmal sehe ich mir Videos von meinen Spielen an und denke mir nur: 'Was mache ich da bloss?'».
Die kurze Zündschnur
Trotz seines aktuellen Erfolgs ist die Weltnummer 5 eher ein Badboy als ein Publikumsliebling. Das liegt daran, dass Medwedew auf dem Court immer wieder ausrastet. Im April 2016 etwa wurde er bei einem Turnier in Savannah disqualifiziert, weil er dem Schiedsrichter vorwarf, er helfe seinem Kontrahenten, da beide schwarz wären. Legendär ist sein Münzwurf von Wimbledon 2017: Nach seiner Niederlage in der zweiten Runde warf Medwedew dem Schiedsrichter Münzen vor den Stuhl, um so Bestechung zu suggerieren. Der Russe musste darauf eine Busse von 14'500 Dollar bezahlen.
Im März 2018 wollte Medwedew trotz Sieg gegen Tsitsipas nach dem Spiel auf seinen Kontrahenten losgehen, weil der Grieche ihn mit den Worten «Scheiss Russe» beleidigt haben soll. Der Schiedsrichter musste dazwischen gehen, um Handgreiflichkeiten zu verhindern. «Neben dem Platz bin ich eigentlich ein ruhiger Kerl und würde nie auf jemand sauer werden, egal was er tut. Aber auf dem Platz werde ich sehr schnell wütend», sagte Medwedew danach.
Der «Hass» gegen Federer
Dass der 23-Jährige anders ist als die meisten Tennis-Profis, zeigt auch seine Aussage, die er im Juni dieses Jahres gegenüber der britischen Zeitung «Metro» tätigte. Da verriet Medwedew nämlich, dass er in jungen Jahren alles andere als ein Fan von Roger Federer war: «Ich hasste Roger. Ich konnte einfach nicht zusehen, wie er wieder und wieder gewann. Ich habe von der ersten Runde an für die anderen Spieler gejubelt, weil ich diese Einstellung hatte.»
Medwedew hielt stets zu den Underdogs. «Auch als Barcelona im Fussball alles gewann, wollte ich unbedingt, dass sie verlieren.» Mittlerweile hat sich seine Sichtweise geändert. Federer, wie auch Nadal und Djokovic, bewundere er nun: «Sie sind in ihrem Alter unserer Generation immer noch voraus, sie haben etwas Spezielles. Höhen und Tiefen, die ein normaler Tennisspieler hat, scheint es bei ihnen nicht zu geben. Sie sind immer bereit.»
Die Angst vor der Ehe
Aufsehen erregte auch ein Interview mit «Tennis World», in dem Medwedew im Oktober 2018 sagte, dass er Angst davor hatte, zu heiraten. «Ich dachte, die Ehe macht mich zu einem schlechteren Spieler», meinte er. Seine Daria erhielt dann aber doch noch einen Heiratsantrag – und seit der Eheschliessung im September des letzten Jahres ging es mit der Karriere Medwedews nur noch steil nach oben.
Der Weltrekord
Medwedew mag mit seiner offenen Art und seinen Ausrastern nicht der grösste Sympathieträger der Tour sein, doch seine Qualitäten auf dem Platz sind unbestritten. Im Juni schaffte er in Stuttgart sogar etwas, was zuvor weder Federer, noch Nadal, Djokovic oder sonst einem Spieler gelang: Er brachte gegen Lucas Pouille sein Aufschlagsspiel in 29 Sekunden (!) mit vier Assen durch.