In Wimbledon scheint alles angerichtet für den 21. Grand-Slam-Titel von Novak Djokovic. Doch der eine oder andere Spieler könnte durchaus zum Favoriten-Schreck werden.
Durch die Absenz von Roger Federer in Wimbledon ist die Frage nach dem besten Rasen-Tennisspieler schnell beantwortet. Sechs Mal triumphierte Novak Djokovic schon im All England Club und ist allein deswegen schon der Hauptfavorit auf den diesjährigen Titel. Es scheint, als müsse sich der Serbe nicht einmal in Topform befinden, um hier seinen 21. Grand-Slam-Titel abzuholen. Erst recht, weil die Auslosung es ziemlich gut meinte mit Djokovic.
Ganz so einfach wird es in den nächsten zwei Wochen aber wohl doch nicht werden. Schliesslich hat Rafael Nadal erst gerade in Paris einmal mehr demonstriert, dass er auch unter Schmerzen noch immer grosse Turniere gewinnen kann. Zu den beiden üblichen Verdächtigen auf den Titel gesellen sich aber noch eine Handvoll weiterer Spieler, die sich durchaus Chancen auf den Sieg auf dem heiligen Rasen ausrechnen dürfen. Und diese nehmen wir nun etwas genauer unter die Lupe.
Matteo Berrettini – das perfekte Gesamtpaket
Berrettini stand bereits letztes Jahr im Final und lieferte dort eine beeindruckende Vorstellung ab, weshalb er auf Rasen zum Besten gehört, was die Tennistour zu bieten hat. Zwar reichte es damals nur für einen Satzgewinn, doch der Italiener hat sich in den letzten zwölf Monaten nochmal deutlich gesteigert. Das demonstrierte Berrettini zuletzt auch in Stuttgart und im Londoner Queen's Club. Beide Turniere hat er gewonnen und reist deshalb auch mit dem nötigen Selbstvertrauen nach Wimbledon.
Der 26-Jährige verfügt ganz einfach über das perfekte Gesamtpaket für das Rasenspiel. Seine Vorhand und sein Aufschlag sind eine Bank. Hinzu kommen seine gute Beinarbeit und auch der Mut, in den richtigen Momenten ans Netz zu gehen. Einzig bei der Rückhand hat Berrettini vielleicht noch etwas Luft nach oben, obwohl er gerade in diesem Bereich auch nochmal grosse Fortschritte erzielte.
Nick Kyrgios – die gefährliche Wundertüte
Der australische Paradiesvogel hat sich in einem Interview kürzlich gleich selber zum aktuell besten Rasenspieler gekürt. Ob im Scherz oder nicht war nicht ganz klar. Auf alle Fälle hat Kyrgios das Potenzial jeden Spieler der Welt zu schlagen. Auf Mallorca, konstatierte Turnierdirektor Toni Nadal, habe Kyrgios einmal mehr «gezeigt, dass er, wenn er will, ein grossartiger Spieler ist». Das Wörtchen «wenn» ist bedeutsam - und wird darüber entscheiden, ob Kyrgios in Wimbledon tatsächlich die grosse Rolle spielt.
Ehe es zu einem Duell mit Djokovic käme, wo Kyrgios in der Vergangenheit jeweils über sich hinauswuchs, muss der Australier aber erst einige andere Hürden nehmen. Schon in der dritten Runde droht ihm ein Duell mit Stefanos Tsitsipas, im Viertelfinal würde er auf Berrettini treffen. Hinzu kommt auch noch eine leichte Bauchmuskelverletzung, die er sich in Mallorca zugezogen hat und trotzdem ist Kyrgios immer für jede Überraschung gut.
Hubert Hurkacz – der Federer-Killer
Als Schweizer Tennis-Fan konnte man im Vorjahr schon fast nicht mehr hinsehen als Roger Federer im Viertelfinal auf den vermeintlichen Aussenseiter Hubert Hurkacz traf. In drei Sätzen und einem 6:0 im dritten Durchgang fertigte der Pole den achtfachen Wimbledon-Champion ab. Klar war Federer zu diesem Zeitpunkt nicht in Bestform und angeschlagen, doch das soll die Qualitäten von Hurkacz nicht schmälern.
Ähnlich wie Berrettini hat sich auch der stille Arbeiter zuletzt enorm verbessert und sich bis auf Rang 10 in der Weltrangliste vorgearbeitet. Bei vielen Turnieren fliegt er oft etwas unter dem Radar, doch gerade in Wimbledon ist er durch seinen starken Service ein extrem gefährlicher Spieler. Seine Ansprüche untermauerte er zuletzt auch mit dem Turniersieg von Halle.
Carlos Alcaraz – der stürmische Newcomer
Viele trauten Carlos Alcaraz schon bei den French Open den grossen Durchbruch zu. Mit seinen erst 19 Jahren bringt er alles mit, was einen absoluten Top-Spieler ausmacht. Auf Vorbereitungsturniere hat der junge Spanier zuletzt verzichtet, weil er eine Ellbogenverletzung auskurieren wollte. Das könnte sich als Nachteil erweisen, vielleicht hat der Newcomer dadurch aber auch wieder das wichtige Selbstvertrauen tanken können, um ähnlich fulminant aufspielen zu können wie in der ersten Jahreshälfte.
Ein Viertelfinal gegen Novak Djokovic würden viele Tennisfans wohl nur zu gerne erleben. Sollte es tatsächlich so weit kommen, wäre das für ihn die beste Chance, im All England Club Tennisgeschichte zu schreiben.