Es war zu befürchten: Das demonstrative Ausblenden der Corona-Pandemie im Rahmen der Adria Tour bleibt nicht ohne Folgen. Nach Grigor Dimitrov ist auch Borna Coric positiv auf Covid-19 getestet worden. Die ganze Sache wird allmählich zum Bumerang für Novak Djokovic.
«In dieser Region hier haben wir die Situation gut gehandhabt», sagte Novak Djokovic am Rande der Adria Tour vor einer Woche in Belgrad mit der Frage konfrontiert, weshalb man die Vorgaben bezüglich Social Distancing nicht wirklich ernst nehme. Die Kritik komme hauptsächlich aus dem Westen, erklärte der 17-fache Major-Sieger. Djokovic ist und war zwar nicht Organisator des Events, aber dessen Aushängeschild und Sprachrohr. Entsprechend haben seine Worte Gewicht – mehr als alle anderen.
Der Aufruhr im Ausland über den unbekümmerten Umgang von Djokovic und Co. mit der Bedrohung durch das Virus war gross. Auf gängige Abstandsregeln wurde keine Rücksicht genommen. Im Gegenteil: Es wurde gefeiert und getanzt. Hier eine Umarmung, da ein Handshake. Ein Gruppenfoto mit Ballkindern, ein Besuch bei einer Basketball-Mannschaft und eine rauschende Schlussparty … alles inklusive.
Doch jetzt dreht der Wind und die Kritiker erhalten Wasser auf die Mühlen. Am Sonntag wurde bekannt, dass Grigor Dimitrov positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Am Montag nun schreibt der Kroate Borna Coric auf Twitter in praktisch identischem Wortlaut wie Dimitrov zuvor: «Ich möchte sicherstellen, dass jeder, der in den letzten Tagen mit mir in Kontakt getreten ist, getestet wird und die erforderlichen Massnahmen trifft. Es tut mir leid für den Schaden, den ich verursacht haben könnte.» Er zeige aber derzeit keine Symptome, schreibt die Weltnummer 15 weiter.
Am Samstag spielten Coric und Dimitrov im kroatischen Zadar, wo die Adria Tour am Wochenende haltmachte, noch gegeneinander. Offenbar fühlte sich der Bulgare schon da unwohl. Dort war aufgefallen, dass er ein Händeschütteln mit Borna Coric und dem Schiedsrichter vermieden hatte.
Kroatische Medien berichten derweil, dass sich neben Coric zwei weitere Spieler und zwei Trainer infiziert haben sollen. Namen werden zunächst keine genannt – unbestätigt ist das Gerücht, wonach Djokovics Fitnesscoach positiv getestet worden sein soll. Auf Twitter gehen die Wogen derzeit hoch. Nick Kyrgios fragt, ob nun auch Thiem, Zverev und nicht zuletzt Djokovic getestet würden.
Der Grieche Stefanos Tsitsipas soll verlangt haben, dass Djokovic Verantwortung übernehmen müsse. Gemäss serbischen Medienberichten verweigere die Weltnummer 1 aber einen Test. Er sei gesund und zeige keine Symptome, heisst es.
Zynisch: «Alle epidemiologischen Vorgaben erfüllt»
Gar zynisch liest sich die Mitteilung der Adria-Tour-Organisatoren am Sonntag kurz vor der Absage des Endspiels in Zadar zwischen Novak Djokovic und Andrey Rublev: «Wir haben jederzeit die epidemiologischen Vorgaben in den Ländern, wo die Adria Tour stattfindet, befolgt.»
Das ist zwar so, dennoch scheint es inzwischen zumindest fahrlässig gewesen zu sein, den Event in dieser Form zu veranstalten. Letztlich geht es nicht nur um die Gesundheit der austrainierten Spitzenathleten, sondern auch jener aller Besucher, Betreuer und Helfer.
Irreparabler Reputationsschaden für Novak Djokovic?
Erstaunlich ruhig ist es seit Sonntag auf dem Instagram-Account von Novak Djokovic, der zuvor in der letzten Woche täglich sehr aktiv Inhalte postete. Zur Stunde gibt es noch keine offizielle Stellungnahme in Bezug auf Dimitrov oder Coric. Für den serbischen Ausnahmeathleten, dessen sportliche Erfolge überragend sind, werden die nächsten Tage und Wochen auch über sein Vermächtnis neben dem Platz entscheiden: Steckten sich weitere Spieler, Betreuer, Besucher, Kinder und alle, die in Belgrad mit den Spielern in Kontakt kamen, mit dem Virus an, dürfte der Schaden irreparabel sein. Djokovic hatte sich bereits früher vehement gegen eine Impfpflicht für Tennisspieler ausgesprochen und damit die Kritik von Epidemiologen im In- und Ausland provoziert.
Ob die Adria Tour unter den gegebenen Umständen fortgesetzt wird, steht noch nicht fest. Weitere Turniere wären in Montenegro und in Bosnien vorgesehen.