Die Chancen von Magnin & Co. So erfolgreich sind interimistische Trainer in der Super League wirklich

Von Syl Battistuzzi

18.3.2024

Joël Magnin ist seit dem 4. März offizieller YB-Cheftrainer.  
Joël Magnin ist seit dem 4. März offizieller YB-Cheftrainer.  
KEYSTONE

Mit YBs Joël Magnin sowie den FCZ-Co-Cheftrainern Murat Ural/Umberto Romano sind aktuell gleich bei zwei Super-League-Klubs interimistische Trainer am Ruder. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, wie nachhaltig diese Lösungen in der Praxis sind.

Von Syl Battistuzzi

18.3.2024

Die Meldungen sind jeweils fast deckungsgleich. In Bern hiess es zuletzt: «Die Young Boys und ihr Cheftrainer Raphael Wicky gehen ab sofort getrennte Wege: Der 46-jährige Walliser ist am Montagvormittag von seinem Amt freigestellt worden. Interimistisch wird die Mannschaft bis zum Saisonende von U21-Trainer Joël Magnin geführt.»

Der FCZ schrieb zum Henriksen-Abgang: «Bis Ende Saison werden Murat Ural und Umberto Romano als Co-Trainer die Verantwortung für die erste Mannschaft übernehmen.»

Sowohl in der Hauptstadt als auch in Zürich wurden also interne Lösungen für die – freiwillige (Wicky) oder unfreiwillige (Henriksen) – Trainervakanz gewählt. Kein Wunder, schliesslich liegt es für einen Klub auf der Hand, sich erst einmal im eigenen Haus umzusehen, welchen Mann – ja, auch in Zeiten des Weltfrauentags sind es im Profi-Fussball die Herren der Schöpfung – man auf den Chefsessel befördern kann. 

Sich als Interner zu beweisen, ist aber oft ein steiniger Weg. Schliesslich trägt man die Bürde «a.i» mit sich herum, sprich ad interim. Oder mit anderen Worten: Den Job darf man laut Duden nur «einstweilen, unterdessen oder vorläufig» ausüben. Mit diesem Kürzel im Titel startet die berufliche Laufbahn in der Super League schon mal mit einer grossen Hürde. Wie schwierig es ist, sich «in der Zwischenzeit» für höhere Aufgaben zu beweisen, zeigt der Blick in den Rückspiegel.

Haufenweise Interimstrainer bleiben auf der Strecke

Vorweg: In den meisten Fällen bleibt es bei den betreffenden Kandidaten beim «interimistisch». Nur selten gelingt es einem glücklichen Exemplar, sich intern vom Assistenz- oder Nachwuchstrainer hochzudienen, um die Klub-Leitung davon zu überzeugen, mit ihm (weiterhin) in die Zukunft zu gehen.

Seit der Gründung der Super League 2003/2004 gab es natürlich viele Trainer, die zumindest kurzfristig mal die Hauptverantwortung für ihren Arbeitgeber tragen durften. Die Namen, welche sich bei den Schweizer Klubs die Klinke in die Hand gaben, bleiben Fussnoten in der Historie. Nur wenige Fussball-Experten dürften sich etwa an Übergangslösungen wie Genesio Colatrella (FCZ), Sandro Chieffo (Luzern) Hugo Raczynski (Sion), Alexander Weaver (Lausanne-Sport) oder Daniel Hasler (Vaduz) erinnern. 

Die Ausnahmen bestätigen die Regel

Ab und zu schafft es aber eine Inhouse-Variante, ins Rampenlicht zu kommen – und auch auf der landesweiten Bühne zu bleiben. Mattia Croci-Torti brauchte etwa 2021 nur 19 Arbeitstage, um seine Vorgesetzten in Lugano davon zu überzeugen, aus ihm eine dauerhafte Lösung zu machen (die notabene gegenwärtig immer noch hält). Im selben Jahr erhielt auch Patrick Rahmen beim FC Basel nach 9 Spielen und einem starken Punkteschnitt von 1,89 einen Vertrag als Cheftrainer, ehe ihm nach gut sieben Monaten in neuer Position dann trotzdem die Kündigung ins Haus flatterte.

Als Trainer-Lehrling gewann Mattia Croci-Torti 2022 mit Lugano den Cup.
Als Trainer-Lehrling gewann Mattia Croci-Torti 2022 mit Lugano den Cup.
sda

Ein Spezialfall ist Heiko Vogel, der beim FC Basel gleich drei Mal als Interimstrainer fungierte. 2011/12 wurde er als Co-Trainer auf den Chefsessel befördert. 2023 kam der als Sportdirektor geholte Deutsche an die Seitenlinie runter. Nachdem Vogel – wieder in seiner Funktion als Sportdirektor – zur neuen Saison mit Timo Schultz den falschen Mann auswählte, musste Vogel selbst als Coach einspringen – und wurde nach vier sieglosen Spielen abgesetzt.

Den Rekord als Interimstrainer in der Super League hält kein Geringerer als Christian Constantin, der sogar vier Mal (2009/2016/2021/2023) offiziell als (präsidiale) Zwischenlösung amtierte. Inoffiziell ist die Zahl sogar noch höher, da der Sion-Boss 2019 das Duo Zermatten/Sébastien Bichard eigentlich nur vorschob, weil ihm die nötigen Papiere fehlten. 

Die offiziellen Amtszeiten von CC als Trainer sind unter dem Strich aber bescheiden. Kumuliert kommt der Waliser Sonnenkönig auf 25 Tage als Interimstrainer. Zum Vergleich: In seiner Rolle als Sion-Präsident hat der 67-Jährige schon über 10'000 Tage auf dem Buckel. 

Geduldiger Seoane als Musterbeispiel

Die Haltbarkeit eines Interimstrainers übersteigt nur selten die 100-Tage-Frist, welche neuen Amtsträgern üblicherweise in der Politik und Wirtschaft gewährt wird, ehe die Öffentlichkeit erste Resultate sehen will. Meist sind die internen Kandidaten im Schweizer Fussball da schon ersetzt worden.  Und selbst nach dieser Zeitspanne ist die Weiterbeschäftigung nicht garantiert: Matteo Vanetta (YB – 114 Tage) und Guillermo Abascal (Basel – 108) mussten diese unliebsame Erfahrung 2021 machen. 

Fazit: Im letzten Jahrzehnt schafften es mit Mattia Croci-Torti und Patrick Rahmen nur zwei «Feuerwehrmänner», sich als fixe Übungsleiter aufzudrängen. Auch in den Jahren davor hatten es interne Anwärter deutlich schwieriger als extern geholte Fachkräfte. Die Aussichten für Magnin sowie Ural/Romano sind also alles andere als rosig, um über die neue Saison hinaus Cheftrainer beziehungsweise Co-Cheftrainer zu bleiben.

Auch Gerardo Seoane fing als Übergangslösung an. Hier bei seiner missglückten Premiere.
Auch Gerardo Seoane fing als Übergangslösung an. Hier bei seiner missglückten Premiere.
KEYSTONE

Ein kleiner Hoffnungsschimmer besteht: So bekam 2013 der damals 34-jährige Gerardo Seoane in Luzern ein Spiel, um sich zu beweisen. Nach einer Pleite in Sion war sein Gastspiel nach vier Tagen bereits wieder zu Ende. Erst fünf Jahre später bekam der Schweiz-Spanier erneute eine Chance in der Zentralschweiz – und nutzte das halbe Jahr, um Eigenwerbung zu betreiben. Im Sommer 2018 holte YB das Trainer-Talent zu sich, nach drei Saisons mit drei Meistertiteln und einem Cup-Erfolg sowie dem bis heute besten Punkteschnitt (2,26; Trainer mit mindestens 50 Einsätzen) wechselte Seoane schliesslich in die grosse Bundesliga. Der heute 45-Jährige ist aktuell bei Gladbach unter Vertrag.

Und wie machen sich die aktuellen Interimstrainer in der Super League? Für Magnin bei YB gab es nach einer 5:1-Gala zum Auftakt gegen Basel am Sonntag einen herben Dämpfer – eine 0:2-Pleite bei Lausanne-Sport. Und das Duo Ural/Romano beim FCZ konnte bislang auch nicht wirklich überzeugen: Aus den sechs Spielen mit den beiden Co-Cheftrainern resultierten zwei Siege, ein Remis und drei Niederlagen. 

Interimstrainer in der Super League Saison 23/24

  • Joel Magnin (YB)
    Tage im Amt: 14
    Spiele: 3
    Punkteschnitt: 1,50
  • Murat Ural/Umberto Romano (FCZ)
    Tage im Amt: 34
    Spiele: 6
    Punkteschnitt: 1,17
  • Heiko Vogel (Basel)
    Tage im Amt: 31
    Spiele: 4
    Punkteschnitt: 0

Interimstrainer in der Super League Saison 22/23

  • Heiko Vogel (Basel) 
    Tage im Amt: 143
    Spiele: 25
    Punkteschnitt: 1,56
  • Christian Constantin (Sion)
    Tage im Amt: 7
    Spiele: 2 
    Punkteschnitt: 0,50
  • Genesio Colatrella (FCZ)
    Tage im Amt: 16
    Spiele: 3
    Punkteschnitt: 0,67

Interimstrainer in der Super League Saison 21/22

  • Matteo Vanetta (YB)
    Tage im Amt: 114
    Spiele: 11
    Punkteschnitt: 1,45
  • Guillermo Abascal (Basel)
    Tage im Amt: 108
    Spiele: 16
    Punkteschnitt: 1,38
  • Sandro Chieffo (Luzern)
    Tage im Amt: 28
    Spiele: 4
    Punkteschnitt: 0,25
  • Mattia Croci-Torti (Lugano) *
    Tage im Amt: 19
    Spiele: 2
    Punkteschnitt: 2,0

Interimstrainer in der Super League Saison 20/21

  • Patrick Rahmen (Basel) *
    Tage im Amt: 85
    Spiele: 9
    Punkteschnitt: 1,89
  • Hugo Raczynski (Sion)
    Tage im Amt: 3
    Spiele: 1
    Punkteschnitt: 0
  • Christian Constantin (Sion)
    Tage im Amt: 6
    Spiele: 1
    Punkteschnitt: 3
  • Massimo Rizzo (FCZ)
    Tage im Amt: 79
    Spiele: 11
    Punkteschnitt: 1,64

Interimstrainer in der Super League Saison 19/20

  • Christian Zermatten/Sébastien Bichard (Sion)
    Tage im Amt: 56
    Spiele: 5
    Punkteschnitt: 0,8

Interimstrainer in der Super League Saison 18/19

  • Alex Frei (Basel)
    Tage im Amt: 7
    Spiele: 2
    Punkteschnitt: 0,5

Interimstrainer in der Super League Saison 17/18

  • Boro Kuzmanovic (St.Gallen)
    Tage im Amt: 67
    Spiele: 5
    Punkteschnitt: 0
  • Alexander Weaver (Lausanne-Sport)
    Tage im Amt: 50
    Spiele: 2
    Punkteschnitt: 1,5
  • Mathias Walther (GC)
    Tage im Amt: 14
    Spiele: 3
    Punkteschnitt: 1

Interimstrainer in der Super League Saison 16/17

  • Mauro Lustrinelli (Thun)
    Tage im Amt: 95
    Spiele: 11
    Punkteschnitt: 1,64
  • Sébastien Fournier (Sion)
    Tage im Amt: 38
    Spiele: 7 
    Punkteschnitt: 0,86
  • Daniel Hasler (Vaduz)
    Tage im Amt: 15
    Spiele: 2
    Punkteschnitt: 1,50
  • Christian Constantin (Sion)
    Tage im Amt: 10
    Spiele: 2
    Punkteschnitt: 1,50

Interimstrainer in der Super League Saison 15/16

  • Marc Schneider (Thun)
    Tage im Amt: 4
    Spiele: 1
    Punkteschnitt: 1
  • Daniel Tarone (St. Gallen)
    Tage im Amt: 14
    Spiele: 1
    Punkteschnitt: 0
  • Harald Gämperle (YB)
    Tage im Amt: 31
    Spiele: 7
    Punkteschnitt: 1,29
  • Massimo Rizzo/Alexander Kern (FCZ)
    Tage im Amt: 27
    Spiele: 6
    Punkteschnitt: 1,17

Interimstrainer in der Super League Saison 14/15

  • Zoltan Kadar (GC)
    Tage im Amt: 6
    Spiele: -
    Punkteschnitt: -
  • Jochen Dries (Sion)
    Tage im Amt: 69
    Spiele: 9
    Punkteschnitt: 1,11