Kollektivstrafen drohen Die Liga präsentiert neues Modell gegen Fan-Gewalt – die Klubs toben

lih

20.10.2023

Das Zünden von Pyro-Material ist in den Fankurven gang und gäbe.
Das Zünden von Pyro-Material ist in den Fankurven gang und gäbe.
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Wie bekämpft man Fan-Gewalt? Die Liga will es mit einem Stufenmodell versuchen. Die Klubs haben wenig Freude daran.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die «Swiss Football League» (SFL) will das Stufenmodell einführen. Mittels fünf Stufen ist festgehalten, welche Massnahmen bei welchen Auslösern eingeleitet werden.
  • Allem voran die Kollektivstrafe sorgt für rote Köpfe. «Kurvensperrungen? Das kann man noch hundertmal machen. Es ändert nichts», meint YB-CEO Wanja Greumel beim «Blick».
  • Auf der Gegenseite erwähnt Karin Kayser, Co-Präsidentin der Nidwaldner Justiz- und Polizeidirektoren-Konferenz, dass es schwierig sei, Einzelpersonen zu identifizieren. «In der Kurve schützen sich die Fans gegenseitig.»

Die «Swiss Football League» (SFL) will das sogenannte Stufenmodell einführen. Die Vernehmlassung ist durch, nun wird es der Politik vorgestellt. Dieses Modell kommt zum Zuge, sobald es Ausschreitungen von Fan-Gruppierungen gibt. Es beinhaltet fünf Stufen. Ab der dritten Stufe greifen Kollektivstrafen. Gibt es aufgrund von Fangewalt oder dem Einsatz von Waffen oder Pyros Verletzte, muss ein Klub die Fankurve im Minimum für das nächste Heimspiel sperren.

Zur Fan-Gewalt kam es auch Ende September. Anhänger der Berner Young Boys beschädigten vor einem Auswärtsspiel gegen die Grasshoppers Busse der Verkehrsbetriebe Zürich sowie Einsatzfahrzeuge der Polizei. Die Konsequenz: Ein Geisterspiel beim nächsten Heimspiel gegen die Grasshoppers.

Kollektivstrafen sind den Klubs ein Dorn im Auge

YB-CEO Wanja Greuel steht beim «Blick» den Massnahmen kritisch gegenüber: «Den Vorfall haben rund 15 Auswärtsfahrende verursacht. Dafür werden Tausende bestraft. Da sehe ich die Verhältnismässigkeit nicht. Wir wollen keinesfalls die Täter zu Opfern machen. Im Gegenteil. Man muss diese schnappen und das ist Aufgabe der Polizei. Aber Kurvensperrungen? Das kann man noch hundertmal machen. Es ändert nichts.»

Das Fünf-Stufen-Modell (Quelle: SFL)

  • Stufe 1 – Auslöser: Gefährdung von Personen durch zünden von Böllern; gravierende Sachbeschädigungen; gemeinschaftlicher Diebstahl | Massnahmen: Klubs und Fans sind zu Dialog mit Behörden verpflichtet; 3 Spiele Bewährung
  • Stufe 2 – Auslöser: Gefährdung von Personen durch Zünden von Pyros; besonders gravierende Sachbeschädigungen; Plünderungen; Ausschreitungen während Bewährung (Stufe 1) | Massnahmen: Strengere Einlasskontrollen mit Gesichtserkennung für 1 oder 2 Spiele; Mehrkosten trägt Klub der fehlbaren Fans
  • Stufe 3 – Auslöser: Gewalt mit Verletzten; Einsatz von Pyros/Waffen gegen Personen | Massnahmen: Schliessung Fankurve des fehlbaren Vereins für mind. 1 Spiel; Stopp Ticketverkauf; Verbot Fanaktionen ums Stadion, 5 Spiele Bewährung
  • Stufe 4 – Auslöser: erneutes Auftreten während Bewährung Stufe 3 | Massnahmen: 1 Geisterspiel, 5 Spiele Bewährung
  • Stufe 5 – Auslöser: Erneutes Auftreten während Bewährung Stufe 4 | Massnahmen: Nächstes Heimspiel findet nicht statt; Forfait-Niederlage

Auch der FC Basel ist der Meinung, dass die Einführung von Kollektivstrafen nicht der richtige Ansatz sei. «Der FCB setzt sich dafür ein, Fangewalt wenn immer möglich präventiv zu begegnen, gleichzeitig aber individuelle Verfehlungen konsequent zu sanktionieren», wird der 18-fache Schweizer Meister im Artikel zitiert. «Der gewählte Weg über Kollektivstrafen ist ein einfacher, da eine Ermittlung von einzelnen Tätern nicht notwendig ist. Er ist aber aus unserer Sicht auch der falsche, weil die Bestrafung grossmehrheitlich Nichtbeteiligte trifft», führt der Klub fort.

Befürworter-Seite: «Es ist schwierig, Einzelpersonen zu identifizieren»

Das Stufenmodell hat aber auch Befürworter. Im Bericht kommt die Nidwaldner Regierungsrätin Karin Kayser zu Wort, die als Co-Präsidentin der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren-Konferenz amtet. Aus ihrer Sicht seien die Argumente der Klubs nachvollziehbar, dass viel mehr die Ahndung der Einzeltäter anstelle der Kollektivstrafen gefordert wird. «Es ist meist schwierig, Einzelpersonen zu erreichen», meint Kayser und führt fort: «In der Kurve schützen sich die Fans gegenseitig. Und wenn eine Meute in einem Bus tobt, ist es nicht zumutbar, Polizisten da hineinzuschicken, um Personalien aufzunehmen. Dies würde die Lage vielmehr eskalieren lassen und die Sicherheitskräfte wären stark gefährdet.»

Folglich sei es für die Sicherheitskräfte nicht möglich, Einzelpersonen zu identifizieren. «Aus diesem Grund darf beim Mittragen der Strafen auch eine gewisse Solidarität erwartet werden. Dass nun diese Massnahmen als Kollektivstrafe empfunden werden, darf nicht im Mittelpunkt stehen.»

Canepa empfindet allem voran die Forfait-Strafe als «absurd»

Die Kollektivstrafe bleibt bei den Klubs jedoch ein grosses Thema. So sprechen sich neben YB und Basel weitere Klubs gegen diese Schritte aus. «Aus unserer Sicht werden solche Massnahmen nicht zum Ziel führen und keinen mässigenden Einfluss haben auf Fans mit problematischem Verhalten», wird der Mediensprecher des FC Luzern, Markus Krienbühl, bei «SRF» zitiert.

FCZ-Präsident Ancillo Canepa ist kein Fan vom Fünf-Stufen-Modell.
FCZ-Präsident Ancillo Canepa ist kein Fan vom Fünf-Stufen-Modell.
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Auch FCZ-Präsident Ancillo Canepa machte an einer Medienkonferenz kein Hehl daraus, dass er Vorbehalte gegenüber den schärfsten Massnahmen habe. Insbesondere die Forfait-Strafe empfinde Canepa als absurd. «So können irgendwelche Leute aus Willkür ein Spiel so beeinflussen, dass eine Mannschaft verliert. Das geht nicht.»

Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Kayser meint zum «Blick»: «Das Ergebnis der Vernehmlassung wird nun der Politik vorgestellt. Die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) wird die Resultate auswerten und über das weitere Vorgehen bis Ende Januar 2024 entscheiden.»