Pirmin Zurbriggen und Peter Müller waren nie die besten Freunde. Im Interview mit blue Sport verrät Zurbriggen, wie der Zoff intern inszeniert wurde und in welcher Situation er Müller richtig hässig machte.
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- Pirmin Zurbriggen gegen Peter Müller, das war nicht nur auf den Abfahrts-Strecken ein intensives Duell.
- Die beiden Schweizer Top-Skifahrer haben sich auch neben der Piste nicht sonderlich gut vertragen. Im Interview mit blue Sport klärt Zurbriggen nun auf: «Das wurde bewusst intern so inszeniert.»
- Als die beiden in Argentinien das Zimmer teilen, hat Zurbriggen die Schnauze voll vom «Saustall» von Müller und wirft dessen Turnschuhe in den Tiefschnee.
Pirmin Zurbriggen ist eine der ganz grossen Schweizer Ski-Legenden. Der Walliser gewann alles, was es zu gewinnen gibt und trat dann bereits mit 27 Jahren zurück, weil er sich ausgebrannt fühlte. Ein Begleiter seiner Karriere war der Schweizer Abfahrts-Konkurrent Peter «Pitsch» Müller. Die beiden haben sich nie gut verstanden. Im Interview mit blue Sport im Rahmen des 100-Jahr-Jubiläums von Ausrüster Kästle erzählt Zurbriggen, wie es damals wirklich zum Zwist mit Müller kam und weshalb er dessen Turnschuhe einst aus dem vierten Stock in den Tiefschnee warf.
Im heutigen Schweizer Ski-Team herrscht eine kollegiale Stimmung. Wie man hört, war das früher noch etwas anders.
Pirmin Zurbriggen: Das war noch witzig damals. Wenn ich im Abfahrtsteam war, hat man die Konkurrenz richtig gespürt. Und im Slalom und Riesenslalom-Team waren wir die besten Freunde. Da haben wir uns gepusht, geholfen und versucht, alles zusammen zu machen. Genau so, wie es jetzt bei den Schweizern ist.
Und bei den Abfahrern?
Da wurde bewusst eine andere Stimmung kreiert.
Von den Medien?
Nein, das war eine interne Sache. Erstens wollte Pitsch (Peter Müller, die Red.) eine andere Welt. Der hat es gebraucht, sich hochzupushen. Generell haben sich die Abfahrer nicht so gut verstanden. Du musst dir vorstellen, ich war da der Externe.
Wie meinen Sie das?
Ich war ja im Team der Techniker. Das hat damit begonnen, dass Karl Frehsner gesagt hat, ich müsse nur zwei Tage Abfahrt trainieren, nicht mehr. Da habe ich ihm gesagt: «Gehts dir noch?» und er sagte nur, doch, doch, das klappt dann schon. Dann hat er bewusst eine Abfahrt gesteckt, von der er genau wusste, die kommt mir entgegen. Dann hat der Primin denen zwei Sekunden aufs Dach gegeben und Frehsner hat mich wieder heimgeschickt. Zum Glück haben die Kollegen gesehen, dass das eigentlich nicht mein Wunsch war. Aber der Frehsner, der hat das provoziert.
Warum hat er das gemacht?
Er hat das bewusst so inszeniert, um die anderen Fahrer zu pushen, um das Ganze nochmals anzukurbeln. Das war seine Art und Weise. Er wollte die Abfahrer dazu bringen, risikobereit zu fahren, dass sie Vollgas geben müssen. Auf der anderen Seite hat er mich in diese unangenehme Situation gebracht.
Sie und Peter Müller (24 Weltcup-Siege, davon 19 in der Abfahrt) waren bekanntlich nicht die besten Freunde.
Nein.
Es gibt diese Geschichte mit den Turnschuhen während eines Trainingslagers in Argentinien.
Ja, das stimmt. Wir waren zusammen im Zimmer und er hatte immer einen wahnsinnigen Saustall. Also habe ich ihm gesagt, hier in der Mitte des Zimmers ist eine Linie, was auf meiner Seite liegt, fliegt aus dem Fenster. Dann bin ich also eines Tages ins Zimmer gekommen und die Turnschuhe lagen da. Also habe ich sie aus dem dritten oder vierten Stock in den Tiefschnee geworfen.
Müller war nicht begeistert?
(lacht) Da kam er auch rauf und hat gefragt, wo denn seine Turnschuhe seien. Und ich habe ihm gesagt, das ist die Linie und er entgegnete nur: «Du dumme Siech» und ging seine Turnschuhe ausbuddeln.
Das klingt wie zwei Kollegen, die sich ärgern und es lustig haben.
Nein, lustig war es nicht. Es ist ganz interessant gewesen. Wir beide haben uns nie zerfressen. Wir haben auch ganz normal kommuniziert. Wir hatten auch unsere Gespräche, sonst hätte es ja gar nicht funktionieren können mit dem gemeinsamen Zimmer. Es war nie eine Fehde oder ein «Ich will nichts von dir wissen».
Also war euer Verhältnis gar nicht so schlecht?
Nein, viel wurde auch hochgespielt. Vor Sölden hiess es zum Beispiel: Ihr beiden seid die grössten Konkurrenten für den Winter in der Abfahrt, wir machen ein Foto von euch. Da kam «Pitsch» und hat gesagt: «Mit dir mache ich kein Foto.» Da habe ich gesagt: «Was hast du jetzt gefressen, was ist nicht gut?» Da wollte er nur ein Foto Rücken an Rücken. Das wollte er bewusst so steuern, weil das für ihn wichtig war. «Ich bin da, ich bin der Champion, ich suche eine Challenge.» Unten beim Hotel war dann wieder alles vergessen.
Waren Sie sensibel?
Ja, ich hätte das nicht gebraucht. Ich habe mich im Techniker-Team wohler gefühlt. Hätte ich nicht die Riesenslalom- und Slalomtruppe gehabt, wäre der Pirmin nicht das gewesen, was er war.
Wie war das denn im Techniker-Team?
Ich gebe ein Beispiel. Bei einem Rennen waren wir fünf Schweizer in den ersten Sechs. Damals haben wir uns jedes Detail der Strecke hochgefunkt. Pass da auf, pass hier auf. Wir hatten immer die Philosophie, dass das Gute wieder zurückkommt. Ich habe das Gefühl, die aktuellen Schweizer wie Odermatt, Meillard, Caviezel, Tumler oder Murisier, die sind ebenfalls ganz sensibel und die brauchen das ebenfalls. Dazu wissen sie, dass sie brutal voneinander profitieren können. Darum sind sie auch so stark.
Odermatt hat aber zum Beispiel auch ein gutes Verhältnis mit der internationalen Konkurrenz wie einem Sarrazin, mit dem er zusammen Party macht.
Das gab es bei uns nicht. Da kam man bewusst gar nie zusammen. Da gab es vom Trainer oder Verband her schon gar nie die Chance. Ich hatte für solche Dinge sowieso keine Zeit. Bei mir gab es nur Rennen, Erholung, trainieren, weiter. Für mich gab es diese Möglichkeit gar nie. Eine Party nach einem Sieg? Keine Chance. Darum ist es nicht verwunderlich, dass ich mit 27 aufgehört habe, ich hatte einfach keine Energie mehr.