Marco Odermatt ist der König des Berner Oberlands. Nach dem Sieg in Adelboden, dem dritten in Folge an diesem Ort, erfüllt er sich in Wengen gleich zwei Träume und setzt neue Massstäbe.
Die einen reagieren ungläubig, andere können nur lachen, als Marco Odermatt am Samstag mit 2,55 Sekunden Vorsprung ins Ziel fährt. Der Nidwaldner bewegt sich derzeit in anderen Sphären als seine Konkurrenz. Nach dem erstmaligen Sieg einer Weltcup-Abfahrt am Donnerstag kürt sich Odermatt am Samstag zum «echten» Lauberhornsieger. Das Berner Oberland liegt dem 26-Jährigen zu Füssen, seiner Konkurrenz bleibt bloss das Staunen.
Beim dichten Programm in Wengen fährt Odermatt einzig im Super-G am Freitag nicht ganz so befreit wie sonst. Der schwere Sturz des erfahrenen Alexis Pinturault setzt dem noch oben wartenden Schweizer zu. Der Unfall habe ihm gezeigt, dass «man vielleicht nicht jeden Tag alles riskieren muss», wie er danach zu Protokoll gibt. Hinter dem an diesem Tag entfesselten Cyprien Sarrazin fährt Odermatt in den 2. Rang.
Als er danach gefragt wird, warum es an diesem Tag nicht geklappt habe, lacht Odermatt kurz. «Es ist ja nicht so, dass ich 25. geworden bin, sondern Zweiter», konstatiert er trocken. «Das ist immer noch sehr, sehr gut.» Dies müsste wohl kein anderer Fahrer nach einem soeben erreichten 2. Platz unterstreichen, doch Odermatt setzt schlicht neue Massstäbe.
Bereits über 1000 Punkte gesammelt
Zwölf Rennen hat Odermatt in der aktuellen Saison bestritten. Davon gewann er deren sieben und stand er nur einmal nicht auf dem Podest. Bereits jetzt hat er die Marke von 1000 Punkten geknackt. Zur Erinnerung: Letzte Saison stellte Odermatt mit insgesamt 2042 Punkten einen Rekord auf. In dieser Saison stehen in Abfahrt, Super-G und Riesenslalom noch 17 weitere Rennen auf dem Programm.
Doch Odermatt wäre nicht Odermatt, wenn er dies gross kommentieren würde. Denn die Tage in Wengen haben ihm auch gezeigt, wie schnell etwas passieren kann. «Um in unserem Sport zu gewinnen, muss man ans Limit gehen. Aber die Anzahl der Stürze in dieser Woche war schlicht zu hoch.» Es ist deshalb gut möglich, dass selbst Odermatt – trotz seiner Fähigkeit, auch nach schwierigen Rennen enorm schnell zu regenerieren – mal ein Rennen auslassen wird.
Vorerst geniesse er es einfach, seine Leistungen mit dem Heimpublikum feiern zu können, sagt Odermatt, der am Samstag gemeinsam mit seinen Konkurrenten noch lange auf der Bühne in Wengen tanzte. Mit einem Auge schielt er jedoch bereits nach Kitzbühel, wo bereits der nächste Abfahrtsklassiker ansteht. Dort zu triumphieren, bezeichnete Odermatt unlängst als sein zweites grosses Saisonziel nach dem Sieg am Lauberhorn.
Es winken gleich vier Kugeln
Rückblick: Kurz vor Neujahr veröffentlicht Odermatt in den sozialen Medien ein Bild, das auf grossen Anklang stösst. Bekleidet ist er bloss mit den roten Trikots, die den Führenden einer Disziplin kennzeichnen. Das eine trägt er normal, das andere ist um die Hüfte gezogen, das dritte nutzt er als Kopftuch. Es sei ihm einfach langweilig gewesen daheim, wird er später dazu sagen.
Es spricht wenig dafür, dass der Nidwaldner eines seiner drei roten Trikots nochmals abgeben muss. Den Riesenslalom dominiert Odermatt sowieso, in den Speed-Disziplinen – das zeigten die letzten Tage in Wengen – kann ihn derzeit einzig Sarrazin einigermassen fordern.
Im Gesamtweltcup liegt Odermatt schon jetzt schier uneinholbar vorne. Auch, weil die Saison seiner Konkurrenten Marco Schwarz und neu auch Aleksander Kilde durch Verletzungen vorzeitig endete. Die Chance ist daher gross, dass Odermatt am Schluss mit vier Kristallkugeln dasteht. Das ist zuletzt dem Österreicher Hermann Maier in den Saisons 1999/00 sowie 2000/01 gelungen. Keine Bestmarke ist sicher vor Odermatt.