Einer der Grössten im alpinen Skirennsport kündigt seinen Rücktritt an. Beat Feuz beendet im Januar seine grossartige, aussergewöhnliche Karriere.
Noch die Klassiker in Bormio kurz vor dem Jahreswechsel und in Wengen und Kitzbühel im Januar – und dann ist Schluss, dann verlässt Beat Feuz drei Wochen vor seinem 36. Geburtstag die grosse Bühne. Mit ihm verliert der Skirennsport eine der prägendsten Figuren überhaupt, einen Athleten mit einem der aussergewöhnlichsten Wege dazu.
Feuz gewann trotz unzähliger gesundheitlicher Rückschläge alles, was es zu gewinnen gibt. Mit dem Gewinn von olympischem Gold im vergangenen Februar in Yanqing/Peking veredelte er seine imposante Erfolgsbilanz. Vor bald sechs Jahren wurde er in St. Moritz Weltmeister, viermal sicherte er sich die kleine Kristallkugel, die Auszeichnung für den besten Abfahrer einer Weltcup-Saison.
In seinem aktuellen Palmares hat Feuz 16 Weltcup-Siege stehen, 13 in der Abfahrt und drei im Super-G. Neben Gold in China gewann er bei den Spielen vier Jahre zuvor in Pyeongchang in Südkorea Silber im Super-G und Bronze in der Abfahrt. An Weltmeisterschaften sicherte er sich neben dem Abfahrtstitel vor knapp acht Jahren in Beaver Creek und im vorletzten Winter in Cortina d'Ampezzo Abfahrts-Bronze.
Der Kreuzbandriss und seine Folgen
Das Verletzungspech hatte im Herbst vor 15 Jahren seinen Anfang genommen, als Feuz im Abfahrtstraining in Zermatt einen Kreuzbandriss im linken Knie erlitt. Ein halbes Jahr zuvor war er in Altenmarkt-Zauchensee im Salzburgerland Junioren-Weltmeister in Abfahrt und Super-G geworden und hatte eine Woche später auch im Weltcup seine ersten Spuren hinterlassen. Beim Saisonfinale in Lenzerheide, für das er als Nachwuchs-Champion qualifiziert war, gewann er dank Platz 14 in der Abfahrt auf Anhieb seine ersten Weltcup-Punkte.
Es waren erste Bestätigungen des Talents, das Feuz schon früh nachgesagt wurde, mit dem er als Jungspund im Training auch die gestandenen Schweizer Fahrer beeindruckte. Er fiel allerdings nicht nur durch seine hohe Begabung, sondern auch durch seine Postur auf. Der rundliche Bauch war ein Zeichen von vernachlässigten Konditionseinheiten. Trainer Sepp Brunner, dem Feuz damals zugeteilt war, sprach Klartext. «Wenn du so dick das nächste Mal ins Trainingslager einrückst, kannst du gleich wieder nach Hause gehen.»
Brunner deutete den Kreuzbandriss und seine Folgen, die Feuz zwei komplette Saisons von den Rennpisten fern hielten, als Quittung für die mangelhafte Fitness. Der Steirer wurde deshalb noch deutlicher. «Du verschleuderst dein Talent.» Es sind Episoden, die von einem hochbegabten Skifahrer handeln, der jede noch so schwierige Aufgabe mit schierer Leichtigkeit löst, der mit derart viel Feingefühl die Pisten runterrast wie kaum ein anderer, der sich dabei stets auf seinen Instinkt verlassen kann.
Das Talent und sein Kampf
Ohne diese immense Begabung wäre es Feuz nicht möglich gewesen, an der Spitze mitzumischen, ja die Szenerie zu beherrschen, zumal ihn die Probleme mit dem linken Knie und die Sorgen um das mehrmals operierte Gelenk durch seine gesamte Karriere begleitet haben. Zwischenzeitlich hatte sogar eine Amputation des Unterschenkels oder eine Versteifung des Knies im Raum gestanden. Die Ärzte rieten ihm umgehend zum Rücktritt.
Wäre Feuz dem Rat der Mediziner gefolgt, wäre seine Karriere längst zu Ende. Doch Feuz wollte sich seinem Schicksal nicht ergeben. Er kämpfte um sein Dasein als Skirennfahrer, nahm Strapazen auf sich und betrachtete jeden noch so kleinen Fortschritt als gutes Zeichen für den Weg zurück auf die Pisten. Feuz sollte sich nicht täuschen. Der Kampf und all die Entbehrungen lohnten sich.
Der angekündigte Abgang mitten in der Saison kommt trotz dem damit verbundenen Verzicht auf eine letzte WM-Teilnahme nicht ganz überraschend. Der Termin für die Derniere macht für Feuz Sinn. Am Lauberhorn und am Hahnenkamm beschliesst er seine Karriere mit jenen Abfahrten, die ihm stets am meisten am Herzen gelegen haben, die er in seiner Wertschätzung stets ganz oben eingereiht hat. Siege in Wengen und in Kitzbühel haben ihm am meisten bedeutet. Er hat sie sogar über den Gewinn von olympischem oder WM-Gold gestellt.
Je dreimal hat Feuz in Wengen die längste und die schwierigste Abfahrt bisher gewonnen. In Kitzbühel hat er Geduld aufbringen und viermal Zweiter werden müssen, bis es vor knapp zwei Jahren, damals gleich doppelt, und im letzten Winter geklappt hat.
In gut vier Wochen fährt Feuz noch zweimal rennmässig die Streif runter. Dann ist Schluss. Dann tritt ein aussergewöhnlicher Fahrer nach einer aussergewöhnlichen Karriere ab.
ber, sda