Hubert Strolz gewann als Skifahrer 1988 in Calgary Gold und Silber. Nun macht es sein Sohn Johannes in Peking gleich. Und frohlockt strahlend: «Hallo Papa, jetzt sind wir medaillenmässig bei Olympia gleichauf.»
Mit seinen 171 Einwohnern ist Warth im Bregenzerwald die zweitkleinste Gemeinde im an die Schweiz angrenzenden österreichischen Bundesland Vorarlberg. Doch zwei aus diesem Dörfchen haben etwas geschafft, was auf der ganzen Welt einmalig ist.
Der heute 59-jährige Hubert Strolz wird 1988 in Calgary Olympiasieger in der Kombination. 34 Jahre später tut es ihm sein 29-jähriger Sohn Johannes an den Winterspielen in Peking gleich und gewinnt am vergangenen Donnerstag in der gleichen Disziplin Olympia-Gold. In der Geschichte des alpinen Skisports gab es dies noch nie.
Und damit nicht genug. Hubert Strolz holte 1988 auch noch Silber. Und auch da kopierte ihn Sohn Johannes nun frech. Der einzige Unterschied. Papa Strolz schaffte es im Riesenslalom, Sohn Strolz im Slalom. Hinter Olympiasieger Clément Noël. «Hallo Papa, jetzt sind wir medaillenmässig bei Olympia gleichauf, und ich freue mich, wenn ich euch alle Zuhause wiedersehe», frohlockte Johannes Strolz gegenüber dem ORF.
«Was hier passiert, ist einfach verrückt»
Sein Vater schaute das Rennen seines Sohnes natürlich Zuhause im beschaulichen Warth an. «Was hier passiert ist, einfach verrückt. Es ist unglaublich, dass wir beide das erreichen konnten. Es ist einfach schön, wenn der Sport solche Geschichten schreibt», stammelte er mit Tränen in den Augen.
Dabei schien es im vergangenen Sommer noch ausgeschlossen zu sein, dass Strolz Junior dieses österreichische Skimärchen wird schreiben können. Er war damals etwa gleich weit von einer Olympia-Goldmedaille entfernt, wie die Einwohnerzahl von Warth jener von Wien. Denn wegen zu schlechten Ergebnissen schmiss ihn der ÖSV (Österreichischer Skiverband) aus allen Kadern. Bis zu diesem Zeitpunkt war ein 10. Rang im Slalom von Madonna di Campiglio aus dem Januar 2020 sein bestes Resultat.
Der Coup in Adelboden mit Startnummer 38
Der Rauswurf war für Johannes Strolz ein Schock. Er dachte mangels Perspektiven daran, den Bettel hinzuschmeissen und seine Skikarriere zu beenden. Zunächst kehrte er auch in seinen angestammten Beruf als Polizist zurück. Es war dann ausgerechnet sein Vater Hubert, der ihm wieder Mut machte und ihn dazu ermunterte, es nochmals zu versuchen.
Der Weg war steinig. Auf eigene Kosten musste sich Strolz neu organisieren. Zusammen mit Kollege Marc Digruber, den das gleiche Schicksal ereilt hatte, bildete er eine Trainingsgemeinschaft. Eric Digruber, der Bruder von Marc, und der ehemalige Fahrer und jetzige Coach Linus Walch kümmerten sich um die Trainingseinheiten. Dabei ging es für die beiden Slalom-Spezialisten statt wie üblich mit dem ÖSV-Team auf den Gletscher unter anderem in eine Ski-Halle nach Oslo. Gelegentlich konnten sie sich auch dem deutschen Team anschliessen.
Auch wegen Verletzungen und Corona-Absenzen anderer Fahrer erhielten Strolz und Digruber relativ rasch wieder im österreichischen Slalom-Team eine neue Chance im Weltcup. Vor allem Strolz packte sie. Und wie: Der Vorarlberger gewann im Januar sensationell den Slalom in Adelboden. Mit Nummer 38. Und selbst präparierten Skis. Denn auch von diesen Leistungen des ÖSV konnte er ohne Kaderzugehörigkeit nicht mehr profitieren.
Die Hochachtung der Kollegen
«Das kann sich keiner vorstellen, was das heisst, wenn man nach dem Training noch im Skiraum stehen muss und die Ski richten muss», sagte der österreichische Slalom-Star Manuel Feller damals voller Hochachtung. Überhaupt ist Johannes Strolz im Fahrerfeld enorm beliebt, daher mögen ihm auch so viele die Auferstehung gönnen.
Nun ja, seine Olympiaselektion hatte sich Strolz mit seinem Adelboden-Sieg auch ohne Kaderzugehörigkeit eingefahren. Und da er auch in den schnelleren Disziplinen ganz gut kann, wurde er auch in der Kombination eingesetzt, was ihm dann am letzten Donnerstag bei der Olympia-Premiere sogleich Olympia-Gold bescherte.
«Ich stand alleine da, habe mich durchgebissen»
An der Medaillenzeremonie wurde es dann ein erstes Mal sehr emotional, was angesichts der Vorgeschichte nicht erstaunen kann. Johannes Strolz strahlte übers ganze Gesicht. Er schloss während der österreichischen Hymne aber auch die Augen, war den Tränen nahe.
«Ich habe an all diese Stunden, die ich mit hartem Training aufgeopfert habe und nie aufgehört habe, weiter zu machen. Oft stand ich alleine da, bei Wind und Regen und habe mich da durchgebissen. Das kam nun alles wieder in meinen Kopf und daneben natürlich auch die Bilder von meinem Vater von früher und die Goldmedaille von ihm, die Zuhause hängt. Es kam einiges zusammen», verriet Strolz hinterher dem ORF.
Druck habe er überhaupt keinen verspürt, trotz der Olympia-Vorgeschichte seines Vaters. In schönen Worten führt er dazu aus: «Mein Papa ist für mich mein Papa und nicht ein Olympiasieger und das ist auch gut so. Jetzt bin ich zwar erwachsen, aber als Kind braucht man einen Papa und keinen Olympiasieger und den hatte ich immer.»
Ein Dorf mit 171 Einwohnern im Freudentaumel
Sein Vater, wie auch die Mutter und die Freundin seien ihm in den schwierigen Zeiten immer eine grosse Stütze gewesen. «Sie hielten mir immer den Rücken frei und haben immer an mich geglaubt.» Er habe von seinem Elternhaus mit auf den Weg bekommen, dass man fleissig sein müsse im Leben, nach vorne schauen und sich eben durchbeissen müsse, wenn es mal nicht so gut laufe. Das habe er getan.
Und wie er das getan hat. Nach seinem zweiten Medaillenstreich, der Silbermedaille am Mittwoch im Slalom, meinte Strolz: «Ich hatte schon Gold, konnte also nicht viel verlieren. Ich habe mich auf meine Aufgabe konzentriert, die Silbermedaille zu Gold ist einfach ein Traum.»
Johannes Strolz dürfte mit seinem Traum nicht nur seinen Vater zu Tränen gerührt haben, sondern wohl noch einige mehr der 171 Einwohner von Warth. Oder besser gesagt der 170. Den der 171. weilt ja gerade noch in besonderer Mission in China.