Nachdem Kariem Hussein an den Schweizermeisterschaften ein folgenschwerer Fehler unterläuft, zeigt er sich nach dem positiven Resultat seines Doping-Tests kooperativ – und entkommt so einer noch längeren Sperre.
Nach dem Schock und einer positiven Doping-Probe kurz vor dem Auftakt der Olympischen Spiele in Tokio spricht Kariem Hussein von einem Irrtum. Der beste Schweizer Hürdensprinter über 400 m beteuert in einer veröffentlichten Videobotschaft, hinter seinem Vergehen stecke keinerlei Absicht oder Kalkül. Beispielhaft dafür sei auch, dass er die verbotene Lutschtablette (Gly-Coramin) direkt nach dem Finallauf der Schweizer Meisterschaften in aller Öffentlichkeit zu sich genommen habe.
Anders als der renommierte Sportarzt Walter O. Frey, der sich dieses Szenario nicht erklären kann, sieht Antidoping Schweiz keinen Grund, an Husseins Schilderung zu zweifeln. «Der Athlet war sehr kooperativ und gab seinen Fehler sofort zu. Entsprechend haben wir absolut keinen Grund, daran zu zweifeln. Er kam sehr ehrlich und glaubwürdig rüber», sagt Direktor Ernst König gegenüber «SRF».
Zudem korrespondiere die positive Dopingprobe auch mit dem Produkt, das Hussein angegeben habe. König erklärt auch, dass die nachgewiesene Substanz (Nikethamid) sehr selten und praktisch ausschliesslich in dem von Hussein konsumierten Lutschtabletten vorkomme. «Deshalb gab es nicht viele Möglichkeiten, und eine Verunreinigung war für uns sehr unwahrscheinlich».
Eine vergleichsweise milde Sanktion
Aus den genannten Gründen entgeht Hussein schlussendlich auch einer längeren Sperre. «Es ist eine relativ milde Sanktion. Es war kein Vorsatz nachweisbar, er hat nicht absichtlich das Produkt zu sich genommen, um die Leistung zu verbessern», erklärt König. Ins gleiche Horn bläst Philipp Bandi, Chef Leistungssport von Swiss Athletics: «Seine Ehrlichkeit hat sicher geholfen, dass das Strafmass neun Monate ist. Es gibt ähnliche Fälle, im Tennis mit Marin Cilic, der auch neun Monate gesperrt war. Es ist sicher gut, dass es beim Strafmass von Dopingvergehen einen gewissen Spielraum gibt – es sind nicht alle Vergehen gleich schwerwiegend.»
Nichtsdestotrotz zeigt sich Bandi enttäuscht: «Eine solche Nachlässigkeit ist nicht erklärbar und es ärgert mich auch. Es ist die Pflicht des Athleten, auch eine Lutschtablette auf ihre Inhaltsstoffe zu überprüfen. Das ist auch einfach möglich, auf der App oder der Webseite von Antidoping Schweiz.» Man würde auch bei Swiss Athletics seit Jahren in die Prävention investieren und das Thema Doping ansprechen. Der Fall von Hussein zeige nun, dass man dort weitermachen müsse. «Es ist ärgerlich, dass das passiert ist. Es ist ein Versagen des Athleten.» Denn am Ende des Tages sei jeder Athlet selbst verantwortlich.
Auch bei Antidoping Schweiz, wo die Prävention ebenfalls grossgeschrieben wird, bereut man den Vorfall zutiefst. «Es ist sehr unschön. Das sind genau die Fälle, die wir nicht wollen», macht Direktor König klar und appelliert: «Gescheiter doppelt kontrollieren als gar nicht, das ist sicher die Lektion, die man daraus lernen muss. Ich hoffe, es ist auch für die anderen Schweizer Athleten ein Warnschuss.»