Murat Yakin wächst in einfachen Verhältnissen auf. Seine Familie ist auf Sozialhilfe angewiesen. Den ersten Profi-Lohn muss er dem Staat abdrücken. Im Fussball-Talk Heimspiel spricht er über sein Leben neben dem Platz.
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- Murat Yakin ist zu Gast im Fussball-Talk Heimspiel.
- Der Nati-Coach spricht über seine Kindheit, die «eine grosse Hürde» ist. Er übernimmt schon früh Verantwortung und ist dafür zuständig, die Anträge beim Sozialamt einzureichen.
Murat Yakin ist eine starke Persönlichkeit. Ein Mensch, der schon als kleiner Knirps Verantwortung übernimmt. «Es war eine grosse Hürde», erinnert sich der Nati-Coach im Fussball-Talk Heimspiel an seine Kindheit zurück.
1974 wird Yakin in eine aus der Türkei stammenden Familie geboren. Mama Emine zieht zuvor in die Schweiz, ihre sechs Kinder aus erster Ehe folgen. Yakin wächst in einer kleinen Wohnung mit Mama, Bruder Hakan und sechs Halbgeschwistern auf.
Schon bald ist der kleine Murat das Oberhaupt im Haus. «Ich musste mich um den Haushalt und das Einkommen kümmern.» Yakin ist zwischen elf und zwölf Jahren alt, als er die Aufgabe als Dolmetscher übernehmen und bei den Ämtern eigenständig den Antrag auf Sozialleistungen beantragen muss. Auch der Besuch am Elternabend seines zweieinhalb Jahre jüngeren Bruders Hakan gehören zu seinen Jobs.
Rund fünf Jahre später unterschreibt er als 17-Jähriger seinen ersten Profivertrag. Wobei nicht er die Unterschrift auf auf das Papier setzt, sondern seine Mutter. «Sie bekam ein Handgeld», sagt Yakin und fügt mit einem Grinsen an: «Das Wort Handgeld hat sie verstanden.» Bei den Hoppers erhält Yakin einen Zahltag. Das Geld, das reinkommt, fliesst direkt wieder ans Amt zurück.
Flucht von der Wohnung ins Auto
Nach fünf Jahren Super League zieht es Yakin ins Ausland. Der VfB Stuttgart klopft an. Nach einem Jahr wechselt er in die Türkei zum Spitzenklub Fenerbahce und wird neben dem Platz mit Erdbeben konfrontiert. «Ich habe in einem Hochhaus im 23. Stock gelebt», so Yakin. In den Wänden bilden sich Risse – für Yakin kein Thema, weiter in der Wohnung zu übernachten.
So zieht es Yakin von seinen vier Wänden in seine vier Räder. «Ich hatte ein grosses Auto im Trainingsgelände und habe knapp eine Woche dort übernachtet.»
Der Klub beschliesst ein Ausreise-Verbot
Während seiner Zeit bei Fenerbahce erlebt Yakin so einiges. In seiner Erinnerung ist eine Niederlage im Europacup vor heimischem Publikum. «Wir sind fast drei bis vier Stunden eingesperrt worden von den Fans. Sie waren enttäuscht und wütend.» In der Folge müssen alle Spieler ihren Reisepass abgeben. Alle sollen in der Türkei bleiben.
Bei Yakin stösst diese Massnahme auf Unverständnis. Er fragt sich, was er in der Türkei für die nächsten Tage machen soll. Der unerschrockene Defensivspieler packt Trick 77 aus und ergreift eine Massnahme für einen Kurzaufenthalt in der Schweiz bei seiner Familie. «Sie wussten nicht, dass ich eine ID besitze. So bin ich mit der ID ausgereist.»
Yakin, «behütet und beschützt aufgewachsen», weiss, was es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen – für sich selbst und seine Familie.