Auf die Zähne beissen und um einen Stammplatz kämpfen oder den Verein wechseln? Mehrere Schweizer Nationalspieler dürfte diese Frage derzeit beschäftigen. «Bluewin» nimmt die Härtefälle unter die Lupe.
Am 12. Juni beginnt die EM 2020, am 13. Juni gilt es für die Schweiz gegen Wales erstmals ernst … So war das ursprünglich geplant, doch dann kam das Coronavirus und warf alles über den Haufen.
Dass die EM nun erst im Sommer 2021 stattfindet, könnte dem einen oder anderen (potenziellen) Nationalspieler in die Karten spielen. Wer im Verein mehrheitlich auf der Bank sitzt, und solche Kandidaten gibt es einige, der muss auch um seinen Platz im Nationalteam bangen. Deshalb dürften in diesem Sommer einige Schweizer die Weichen neu stellen und sich einem neuen Verein anschliessen. Ein Überblick.
Stephan Lichtsteiner
Der 36-jährige Rechtsverteidiger kann schon jetzt auf eine glanzvolle Karriere zurückblicken, seine beste Zeit hatte er bei Juventus Turin. Bei Arsenal und nun in Augsburg war und ist er nicht unentbehrlich und deshalb oft nur Ersatz. Wie es mit Lichtsteiner, dessen Vertrag Ende Juni ausläuft, weitergeht, das weiss wohl nur er selbst. Kann er sich vielleicht gar eine Rückkehr zu GC vorstellen, sollte der Zürcher Traditionsklub in die Super League aufsteigen? Ein Kreis würde sich schliessen, hat er doch bei den Zürchern 2001 den Sprung von den Junioren zu den Profis geschafft.
Als Stammspieler im Verein könnte sich der langjährige Nati-Captain für ein letztes grosses Turnier empfehlen. Auch wenn er einst sagte, dass er sich nicht vorstellen könne, noch einmal in der Schweizer Liga zu spielen, scheint die Option GC nicht völlig abwegig. Wahrscheinlich konnte er sich ja auch nicht vorstellen, dass die EM aufgrund eines Virus verschoben wird – und doch ist es genau so gekommen.
Michael Lang
2018 wagte Lang von Basel aus den Sprung in die Bundesliga. Bis Ende Saison ist der 29-Jährige von Gladbach an Werder Bremen ausgeliehen, doch beim Schlusslicht kommt er wie schon bei Champions-League-Anwärter Gladbach kaum zum Zug. Insgesamt kam Lang in der Bundesliga saisonübergreifend 26 Mal zum Einsatz. In einem Interview mit «Teleclub» kurz vor dem Re-Start gab er zu, dass die Situation nicht befriedigend sei. Eine Rückkehr in die Schweiz scheint derzeit aber eher unwahrscheinlich, Lang würde gerne noch länger im Ausland spielen. Vielleicht auch deshalb, weil er in der Nati ohnehin kaum Aussichten auf einen Stammplatz hat. Aufgrund seiner Spielweise könnte Lang womöglich den Schritt auf die Insel wagen. Warum nicht zu einem schottischen Team à la Celtic Glasgow?
Xherdan Shaqiri
Sein Trophäenschrank ist prall gefüllt, bald wird er sich auch Premier-League-Champion nennen dürfen. Bloss darf der 28-Jährige wenig zu Liverpools Höhenflügen beitragen, denn meist sitzt er auf der Bank oder liegt auf dem Schragen eines Physiotherapeuten. Sein Vertrag bei Liverpool läuft noch bis Juni 2023, die Aussichten auf Spielpraxis bleiben aber düster. Dass er Premier League kann, das bewies «Shaq-Attack» vor seinem Wechsel zu den «Reds» bei Stoke City – auch wenn er den Abstieg nicht verhindern konnte. Zuletzt wurde er mit Newcastle in Verbindung gebracht, wie ca. 200 andere Spieler auch. Eine interessante Adresse könnte auch Arsenal sein. Hauptsache Shaqiri bekommt Spielpraxis, das wären mit Blick auf die Euro 2021 für alle Schweizer Fussballfans gute Nachrichten.
Josip Drmic
Im vergangenen Sommer wechselte Drmic ablösefrei von Borussia Mönchengladbach zu Norwich City – dort hat er einen bis Juni 2022 laufenden Vertrag. Doch beim Schlusslicht hat der 28-Jährige nicht eingeschlagen. In der Liga stand er nicht ein einziges Mal in der Startelf. 14 Mal kam er als Joker ins Spiel, gestochen hat er dabei nur ein einziges Mal – bei einer 1:5-Blamage erzielte er den Ehrentreffer. Gewiss ist auch die zweithöchste Spielklasse im englischen Fussball vom Niveau her nicht zu unterschätzen und doch könnte er dort schnell in Vergessenheit geraten. Derzeit ranken sich keine Wechselgerüchte um Drmic, für Schlagzeilen sorgte er dennoch. Als Sänger.
François Moubandje
2013 wechselte Moubandje von Servette zu Toulouse, dort spielte er bis im vergangenen Sommer. Ablösefrei wechselte er zu Dinamo Zagreb (Vertrag bis Sommer 2022). In Kroatien dürfte der 29-jährige Linksverteidiger aber keine Zukunft haben. In der Liga kam er letztmals am 6. Dezember zum Einsatz. Immerhin: Sein Zagreb-Abenteuer wird ihm aller Voraussicht nach den ersten Titelgewinn seiner Karriere bescheren, so gesehen hat sich der Abstecher dann doch noch gelohnt. Wohin es ihn verschlagen könnte, ist ungewiss. Im französischsprachigen Raum schien er sich wohl zu fühlen, da gäbe es dann natürlich auch Destinationen in der Schweiz.
Yvon Mvogo
Der inzwischen 26-Jährige wechselte im Sommer 2017 zu RB Leipzig. Dort sitzt er nun schon seit drei Jahren auf der Bank. Er wäre wohl längst weg, hätte ihn der Verein ziehen lassen. Im Sommer werden sie Mvogo aber keine Steine mehr in den Weg legen, das hat die Vereinsführung vor einiger Zeit bestätigt. Bereits machen Gerüchte die Runde, dass Mvogo auf Schalke das Erbe von Alexander Nübel antreten könnte. Allerdings ist er nicht der einzige Torhüter, der angeblich kurz vor einem Wechsel zu Schalke steht. Gerüchte eben.
Albian Ajeti
Dass der 23-Jährige im vergangenen Sommer Basel in Richtung West Ham verliess, sorgte vielerorts für Kopfschütteln, zumal die Saison bereits begonnen hatte und Ajeti mit Basel intakte Chancen hatte, die Champions League zu erreichen. Er entschied sich für einen Wechsel in die Premier League. Bei West Ham United stand er 22 Mal im Kader, in die Startelf schaffte er es aber nie. Schlappe acht Mal wurde er eingewechselt, insgesamt kommt er auf 126 Minuten Einsatzzeit. Getroffen hat der Mittelstürmer noch nicht.
Zum Vergleich: Für Basel hat er zu Beginn der Saison drei Pflichtspiele absolviert, dabei erzielte er zwei Treffer und bereitete zwei weitere vor. Sein Vertrag läuft noch bis Sommer 2023, deshalb böte sich eine Leihe an. Auch West Ham dürfte daran interessiert sein, dass Ajeti Spielpraxis sammelt und dann vielleicht in einem Jahr gestärkt zurückkehrt.
Ricardo Rodriguez
FCZ, Wolfsburg, Milan – jahrelang war Rodriguez Stammspieler, doch in dieser Saison geriet er in Mailand in Ungnade. Plötzlich lernte der 27-Jährige das Leben als Bankdrücker kennen und so ergriff er im Januar die Flucht nach Holland. Auf Leihbasis spielte er für PSV Eindhoven, wo er bis zum coronabedingten Saisonabbruch mit guten Leistungen überzeugte. Sein Vertrag bei Milan läuft zwar erst im Sommer 2021 aus und dennoch scheint es ausgeschlossen, dass seine Zukunft in Mailand liegt. Im Januar bekundeten Fenerbahçe und Napoli grosses Interesse am Schweizer. Gerne würden wir an dieser Stelle für einmal selbst ein Gerücht streuen. Warum nicht Tottenham? Star-Coach José Mourinho würde einen disziplinierten, pflichtbewussten und ruhigen Spieler wie Rodriguez mit Sicherheit lieben.
Dimitri Oberlin
Oberlin spielte in dieser Saison auf Leihbasis für Zulte Waregem – die belgische Liga wurde aufgrund der Corona-Krise allerdings abgebrochen. In Belgien konnte sich der Stürmer nicht von seiner besten Seite präsentieren. In wettbewerbsübergreifend 22 Spielen kam er zum Einsatz, dabei hat er drei Tore und einen Assist gebucht. Nur sechs Mal stand er in der Startelf, über die volle Zeit spielte er nicht ein einziges Mal. Der 22-Jährige, der beim FC Basel auch schon in der Champions League (8 Spiele, vier Tore, ein Assist) seine Spuren hinterliess, sollte sich seine nächste Station klug aussuchen. Laut Vertrag kehrt er nun zum FCB zurück – warum nicht einfach bleiben?
Fabian Schär
Bei Newcastle kommt der 28-jährige Innenverteidiger regelmässig zum Einsatz und sein Vertrag läuft erst im kommenden Sommer aus. Eine komfortable Ausgangslage für den Schweizer. Und dennoch sollte er sich zumindest Gedanken darüber machen, ob er wirklich bleiben will. Denn bei Newcastle wird, sollte der Verein tatsächlich wie geplant mit Millionen aus Saudi-Arabien geflutet werden, mit Sicherheit massiv nachgerüstet. Auch auf seiner Position wurden schon grosse Namen gehandelt …