In einem Interview mit der Sonntagszeitung nimmt Ex-FIFA-Präsident Sepp Blatter kein Blatt vor den Mund. Er rechnet mit Gianni Infantino ab und spricht über die WM in Katar und seine Corona-Erkrankung.
Sepp Blatter hat schwierige Monate hinter sich. Erst ist er an Corona erkrankt, später musste er sich eine Herzoperation unterziehen lassen. Fünf Wochen lag der 85-Jährige auf der Intensivstation, insgesamt war er drei Monate im Krankenhaus. Mittlerweile geht es dem frühere FIFA-Präsidenten etwas besser. So gut, dass er auch schon wieder zu einem Rundumschlag ansetzen kann. In der Sonntagszeitung nimmt sich Blatter nicht zurück.
Sepp Blatter über ...
... seine Covid-Erkrankung
«An die kritische Phase habe ich keine Erinnerung. Ich war total weg, hatte nur noch Halluzinationen. Seit Ende März geht es wieder bergauf.»
... die WM-Vergabe nach Katar
«Die WM-Vergabe war nicht gekauft, aber politisch und wirtschaftlich gesteuert. Von den Gesprächen im Élysée-Palast erfuhr ich erst kurz vor der Vergabe. Unser Plan war, die WM 2018 in Russland und 2022 in den USA abzuhalten, sodass sich die Supermächte näherkommen, was meine Idee gewesen war. Doch dann rief mich Platini eine Woche vor der Wahl an und sagte: Sepp, das geht leider nicht mehr. Sein Staatspräsident habe ihn auf einen Kaffee eingeladen und eine Empfehlung zugunsten von Katar abgegeben. Damit war unser Vorhaben nicht mehr realisierbar.»
... Boykottforderungen der WM in Katar
«Ein Boykott bringt nichts – das hat schon die Vergangenheit bewiesen. Ich erinnere mich sogar an 1956 zurück, als die Schweiz wegen der Ungarn-Krise nicht an die Olympischen Spiele in Melbourne fuhr. Das hat man damals international kaum zur Kenntnis genommen. Nicht teilnehmen ist nie die Lösung.»
... über seinen Nachfolger Gianni Infantino
«Vielleicht hat er einen Ball an den Kopf bekommen. Als er anfing, soll bei der Fifa alles schlecht gewesen sein. Dabei konnte er sich in ein gemachtes Nest setzen. Als ich aufhörte, hatte die Fifa 1,4 Milliarden Franken Reserven, einen Cashflow auch fast in Milliardenhöhe, die Verträge mit den TV-Anstalten und Sponsoren waren langfristig abgeschlossen. Jetzt will er eine WM alle zwei Jahre, eine Club-WM jedes Jahr und den Sitz der Fifa nach Paris verlegen, in ein Haus, das übrigens den Katarern gehört. Er will überall noch mehr Geld rauspressen.»
... über die Lohneinforderung Platinis als früherer Berater
«Ich hatte mit ihm von Anfang an einen Handschlag-Vertrag, dafür gibt es Zeugen. Als Platini Ende der Neunziger zu uns kam, kostete er eine Million, doch wir konnten das damals nicht zahlen. Wir wussten also, dass noch etwas offen ist, als er Jahre später viermal 500’000 Franken forderte.»
... die Anklage der Bundesanwaltschaft, wegen einer Zahlung an Michel Platini
«Dieser Vorwurf ist haltlos – wird von den Medien aber immer wieder unreflektiert wiedergegeben. Es ist unglaublich, dass man für diesen Fall so viele Jahre brauchte und dann zu einer Anklage kommt, obwohl die Zahlung auf einem Vertrag basiert und von allen Fifa-Gremien abgesegnet wurde.»
... und über seine Meinung zu diesen Vorwürfen
«Wenn ich so ein schlechter Mensch wäre, wie es in der Anklageschrift heisst, würde ich mich schon lange irgendwo verstecken. Es gibt nicht den Hauch eines Beweises für die Unterstellungen, das sagt auch mein Anwalt Lorenz Erni. Der zuständige Staatsanwalt Thomas Hiltbrand ist eine kuriose Person, er kommt wie ich aus Visp, wohnt in Wien und hat schon beim Fall um die Sportvermarktungsfirma ISL erfolglos gegen mich ermittelt. Offenbar ist er auf einer persönlichen Mission.»
... über Dinge, die er sich vorzuwerfen hat
«Was das Strafrecht betrifft: nein. In der Primarschule verabreichte ich einem Mitschüler einmal eine Ohrfeige, doch sonst bin ich mit meinem Gewissen im Reinen und habe nie irgendwo Geld angenommen. Nur einmal hat man es versucht.Als ich noch Generalsekretär war, steckte mir einmal ein Funktionär eines Verbandes aus dem Nahen Osten ein Couvert in den Mantel. Da waren 50’000 Dollar drin, offenbar wollte er Einfluss nehmen auf die Berufung eines Schiedsrichters für ein wichtiges Qualifikationsspiel.»«Ich gab das Geld unserem Buchhalter und sagte, er solle damit unter dem Namen des Funktionärs bei der Bank ein Konto eröffnen. Und der Mann holte sein Geld wieder ab.»
... die Ehe für alle
«Diesem Thema stehe ich sehr kritisch gegenüber. Der Begriff der Ehe und der Familie ist in der Verfassung verankert.»