Wer schon beim FC Ramsen spielte, weiss um die Einzigartigkeit: Die Linien waren über Jahrzehnte mit Hobelspänen ausgezogen. Am letzten Sonntag, dem 10. November, endete die Ära. blue News war dabei.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- In Ramsen ging am Sonntag die Ära der Spielfeldlinien aus Hobelspänen zu Ende, die jahrzehntelang ein charakteristisches Merkmal des Sportplatzes Härdli waren.
- Rund 500 Zuschauer verfolgten das Drittligaspiel, bei dem Ramsen gegen Diessenhofen mit 0:2 verlor, doch für viele stand der Abschied der traditionellen Spielfeldlinien im Vordergrund.
- Der langjährige Verantwortliche Norbert Schneider beendet sein Engagement, was für den Verein und die Fans das Ende einer nostalgischen Tradition bedeutet, die künftig durch die allseits bekannten Kreidelinien ersetzt wird.
Ramsen im Kanton Schaffhausen, morgens um 10 Uhr, Sportplatz Härdli. Drittliga-Match zwischen Ramsen und Diessenhofen. Bratwürste kullern über den Grill. Kafischnaps wird ausgeschenkt. Bier wird gezapft. Flanken fliegen zu weit, Torschüsse daneben, Abstösse misslingen. Wer ein Stück über den Rasen geht, dem klebt der Dreck an den Schuhen; zwischendurch spritzt er an die sauberen Hosen.
Es riecht nach Fussball, nach Sport, nach einem Spiel, das in diesem Moment nur ausüben oder als Zuschauer am kühl-nassen Spielfeldrand verfolgen kann, wer es wirklich liebt – oder mit der halben Mannschaft zur Schule ging. Oder anders: Drittliga-Fussball am Sonntagmorgen. Wer’s erlebt hat, kennt den Reiz. Und erlebt auf dem Härdli, nahe der Grenze zu Deutschland, womöglich ein Regionalfussball-Déjà-vu. Mit dem Unterschied, dass sich laut Vereinsverantwortlichen etwa 500 Zuschauerinnen und Zuschauer aufs Gelände drängen – eine exorbitante Zahl für dieses Level.
Ein 0:2 als Randnotiz
Nach gut 90 Minuten schickt der Schiedsrichter die beiden Teams vom Feld. Ramsen, Tabellenachter der 3.-Liga-Gruppe fünf, verliert gegen den Zweiten Diessenhofen 0:2 – zwischendurch riecht das Heimteam vom Härdli am Sieg. Das aber ist für viele nur eine Randnotiz.
Denn der Referee beendet mit seinem Schlusspfiff eine Ära, die mit viel Gefühlen, einer gehörigen Prise Nostalgie und zumindest lokaler Fussball-Romantik einhergeht. Zum letzten Mal sind die Spielfeld-Linien auf dem Härdli mit Hobelspänen ausgezogen. Sie stammen aus dem Betrieb von Norbert Schneider, einem Ramsener Faktotum. Er war Spieler, sitzt im Vorstand, ist Chef des Klubhauses, trainiert die Senioren – und mit seinem Holzbaubetrieb sorgte er dafür, dass genügend Hobelspäne da waren, um die Linien auszuziehen. Nun hört er auf.
Ein bisschen Nostalgie? Vielleicht. Mehr als 45 Jahre schliesslich sorgte seine Schreinerei für die Späne – und damit für eine Rarität im Schweizer Fussball. Da und dort wurden sie von den Gegnern belächelt, gestört hat's die Ramsener nie. Auch nicht, dass die Ära nun endet, wie Schneider sagt. «Es ist gut so. Alles hat seine Zeit.»
Schneider sagt: «Das war natürlich ideal: Einerseits konnten wir die Späne aus den Sägereien, nicht nur aus meiner, sinnvoll weiterverwerten. Andererseits konnte der Klub Kosten sparen, die er für die Kreide gebraucht hätte.»
Keine Zeit für Trübsal
Nun aber schliesst der Patron den Betrieb, und die Kinder haben andere Pläne. Gefrustet ist «Nöbi», wie ihn alle nennen, aber keinesfalls. Im Gegenteil. Schon während des Spiels bläst er Späne in die Zuschauer. Lebensfreude à la Ramsen. Künftig, nur klar, werden die Linien mit Kreide gezeichnet
Einer, dem auch Späne in die Haare fliegen, ist Christian Gnädinger. Er ist Einheimischer und einer von 74 Gnädingers in Ramsen, wie er sagt, nicht verwandt mit dem grossen Mathias Gnädinger zwar, dem international berühmten Volksschauspieler, der aus Ramsen stammte und 2015 starb, jedoch trotzdem über Jahre verbunden. «Mich stört's nicht, dass die Späne fehlen werden – auch wenn sie einmalig waren», sagt er. Seine gleichnamige Schauspielgrösse sei übrigens auch ab und zu auf dem Härdli gewesen. Als Bub spielte er auch für den Verein. «Er war in der Gemeinde gut sichtbar, aber nicht als Schauspieler, sondern einfach als Mathis.»
Schauspieler-Gigant Gnädinger («Tatort», «Das Boot ist voll», «Kommissar Hunkeler») galt als ehrlich, bodenständig, eigenwillig, unverfälscht. So ganz passend also zu einem Verein, der über Jahrzehnte aus mit seinen Spielfeldlinien aus der Reihe tanzte. Und sich null darum kümmerte, wenn er mal belächelt wurde.