Nur sechs Verteidiger hat Nationaltrainer Murat Yakin für die EM-Qualifikationspartien gegen Kosovo und Andorra aufgeboten. Ein Überblick zu den Abwesenden.
Das Thema Aussenverteidigung begleitet das Nationalteam schon lange. An der WM erreichte die Diskussion einen Höhepunkt, weil Rechtsverteidiger Silvan Widmer für den Achtelfinal gegen Portugal (1:6) Forfait geben musste und kein gelernter Aussenverteidiger als Ersatz bereitstand.
Neun Monate später hat sich die Situation weiter verschärft. Obwohl der sonst gesetzte Widmer aufgrund einer Verletzung erneut ausfällt, verzichtet Yakin in seinem Aufgebot weitgehend auf Aussenverteidiger. Einzig Ricardo Rodriguez, der in seinem Klub inzwischen meist in einer Dreierkette eingesetzt wird, bringt viel Erfahrung auf der Position mit.
Was ist mit den anderen Aussenverteidigern, die vom seit August 2021 im Amt stehenden Nationaltrainer bisher aufgeboten wurden?
Kevin Mbabu (28 Jahre alt), 5 Länderspiele unter Yakin/22 insgesamt
Am 5. Juni 2022, als die Schweiz in der Nations League Portugal 0:4 unterlag, bestritt Mbabu sein bis dato letztes Spiel im Dress des Nationalteams. Kurz darauf verärgerten Mbabu und Jordan Lotomba den Nationaltrainer, weil sie nach der verordneten Nachtruhe Karten spielten. Yakin stellte jedoch klar, dass die Nicht-Berücksichtigung für die WM an den fehlenden Einsätzen im Klub (Fulham) gelegen habe. Nach seiner halbjährigen Leihe an Servette bekommt der Rechtsverteidiger erneut die Chance, sich öfter zu beweisen. Vor wenigen Tagen wurde Mbabu für den Rest der Saison an Bundesligist Augsburg ausgeliehen.
Jordan Lotomba, (24), 5/7
Anders als Mbabu erhielt Lotomba nach der WM wieder Aufgebote fürs Schweizer Nationalteam. Der Verteidiger, der meist auf der rechten, seltener auf der linken Seite eingesetzt wird, beklagte jedoch bei beiden Zusammenzügen Pech mit Verletzungen. Im Klub (Nice) gehörte er bis Ende der letzten Saison zum Stammpersonal. In der aktuellen Spielzeit musste er jedoch bis anhin auf der Ersatzbank Platz nehmen. In vier Spielen wurde er dreimal eingewechselt, einmal musste er über die volle Distanz zusehen. Bleibt es bei Teileinsätzen, wird es auch schwierig mit Aufgeboten fürs Nationalteam.
Ulisses Garcia, (27), 4/4
Mit Yakins Amtsantritt schien die Zeit von Garcia gekommen. Im ersten Spiel unter der Führung des neuen Nationaltrainers kam der Linksverteidiger prompt zu seinem Debüt im Nationaldress. Es folgten drei weitere Teileinsätze, darunter zwei Mal gegen Italien in der WM-Qualifikation. Insgesamt konnte der Verteidiger jedoch zu wenig überzeugen, weshalb er seit November 2021 zu keinen Spielminuten mehr kam. Den Beginn dieser Saison verpasste Garcia, der seit fünf Jahren für YB aufläuft, aufgrund einer Verletzung. Am vergangenen Sonntag gab er das Comeback.
Michael Lang, (32), 0/31
Lang wurde im März nachnominiert, weil Lotomba wegen einer Verletzung kurzfristig absagen musste. Zu einem Einsatz kam er allerdings nicht. Der Rechtsverteidiger, dessen letztes Länderspiel vom 18. November 2019 datiert, dürfte keine Rolle mehr spielen im Nationalteam.
Dominik Schmid, (25), 0/0
Schmids Aufgebot im März kam selbst für ihn überraschend. Der damals noch bei GC engagierte Linksverteidiger, der inzwischen zum FC Basel wechselte, wurde von Yakin als Perspektivspieler betitelt. Einen Einsatz zum Auftakt der EM-Qualifikation gewährte er Schmid jedoch nicht. Auch zu einem zweiten Aufgebot ist es bisher nicht gekommen.
Noch kein Aufgebot erhalten haben ehemalige «Zukunftshoffnungen» wie Linksverteidiger Miro Muheim und die Rechtsverteidiger Silvan Hefti und Kevin Rüegg, die alle 25-jährig sind. Sie kommen in ihren Klubs entweder auf zu wenig Einsatzzeit (Hefti bei Genua, Rüegg bei Hellas Verona) oder spielen nicht in der höchsten Liga (Muheim beim Hamburger SV).
Der Mangel an Aussenverteidigern zeigt sich auch im Nachwuchs. An der U21-EM kamen Becir Omeragic und Nicolas Vouilloz zu je zwei Einsätzen als Linksverteidiger, obwohl sie in ihren Klubs mehrheitlich als Innenverteidiger aufgestellt werden. Lewin Blum, der an der U21-EM als Rechtsverteidiger gesetzt war, konnte sich in der letzten Saison bei Double-Sieger YB in Szene setzen, steht derzeit aber hinter Saidy Janko im Klub in der zweiten Reihe.
Entsprechend schnell ist das Fazit gezogen. Weil sich kaum Aussenverteidiger aufdrängen, muss Yakin bei Ausfällen improvisieren. So dürfte Edimilson Fernandes, der bei Mainz vom Mittelfeldspieler zum Innenverteidiger umfunktioniert wurde, wie bereits in den letzten zwei Spielen auf der rechten Abwehrseite zum Einsatz kommen. Links wäre Renato Steffen oder Cédric Zesiger die erste Wahl, sollte Rodriguez ausfallen. Langfristig braucht das Nationalteam wieder mehr Alternativen. Aus dem Hut zaubern kann Yakin diese jedoch nicht.