Transfer-Reporter Plettenberg im Interview «Ich konnte es kaum glauben, als Dier aus dem Auto stieg – es war völlig verrückt»

Von Jan Arnet

1.2.2024

Immer auf der Suche nach den heissesten Transfernews: Florian Plettenberg.
Immer auf der Suche nach den heissesten Transfernews: Florian Plettenberg.
zvg

Wenn Bayern einen neuen Spieler präsentiert, hat er den Transfer meistens längst verkündet: Florian Plettenberg ist der grösste Transferjournalist Deutschlands. Im Interview mit blue Sport lässt er den hektischen Januar Revue passieren und verrät, wie er an die entscheidenden Infos kommt.

Von Jan Arnet

Timo Werners Leihwechsel zu Tottenham? Florian Plettenberg wusste als Erster Bescheid. Jadon Sanchos Rückkehr zum BVB? Deckte der Sky-Reporter auf. Eric Diers Transfer zu Bayern München? Plettenberg war der Erste. Er ist immer auf der Jagd nach der neusten Transfernews. Im Rennen um die «Done Deal»-Verkündung will er immer der Erste sein.

Es ist Mittwochvormittag. Soeben hat Plettenberg einen Tweet abgesetzt und verkündet, dass Dortmunds Giovanni Reyna auf dem Weg nach England ist, um bei Nottingham Forest den Medizincheck zu absolvieren. Vor seiner Sendung «Transfer Update - Die Show» auf Sky, redet er mit blue Sport.

Florian Plettenberg, in Deutschland ist Deadline Day. Das heisst für einen Transferreporter: Heute geht ein strenger Monat zu Ende. Wie geht’s dir?

Florian Plettenberg: Hinter mir liegt ein Monat, in dem ich wenig geschlafen habe. Ein Monat, der sehr nervenaufreibend war. Man stand ständig unter Dauerstrom.

Kannst du während einer Transferphase überhaupt einmal abschalten oder bist du in Gedanken stets bei den neusten Transfergerüchten?

Ich kann pro Tag etwa eine halbe Stunde lang abschalten, wenn ich abends noch das Dschungelcamp gucke.

Kommst du zum Schlafen?

Früh morgens checke ich mein Handy, ob mir die Quellen in der Nacht noch geantwortet haben. Oder mich darauf hinweisen, dass heute was passiert, ein Flugzeug ankommt oder Gespräche stattfinden. Dann versuche ich mich nochmals hinzulegen, bevor um 8 Uhr der Wecker wieder klingelt. Die innere Unruhe ist dann ohnehin schon da, weil ich auch in Transfers denke und träume.

Wann gehst du ins Bett?

Normalerweise so gegen 1 Uhr. Manchmal muss ich aber auch etwas länger wachbleiben. Wie beispielsweise in der Nacht auf Mittwoch, weil ich wusste, dass noch ein wichtiges Update kommen wird im Poker zwischen Bayern und Granada um Bryan Zaragoza.

Was war in diesem Winter besonders anstrengend?

Mein täglicher Stress hat oft mit dem FC Bayern zu tun. Je aktiver die Bayern sind, desto höher auch die Anspannung bei mir. Bayern ist aufgrund seiner grossen Fanbasis und Historie einer der wichtigsten Vereine. Unser Ziel ist, dass wir die wichtigsten Transfers exklusiv haben. Das ist uns im Januar definitiv gelungen.

Wie viele Anrufe kriegst du pro Tag?

Manchmal sind es 20, manchmal 40. Es geht aber nicht um die Anzahl der Anrufe, sondern um die Qualität der Informationen, die ich kriege. Ich kriege lieber nur fünf Anrufe, dafür alle aus der ersten Reihe. Also von Leuten, die an einem Deal direkt beteiligt sind. Die entscheidenden Anrufe kommen meistens am frühen Morgen oder am späten Abend. Oder kurz vor Sendungsbeginn um 18 Uhr (Anm d. Red.: Plettenberg ist Transfer-Experte für Sky in der Sendung «Transfer Update - Die Show»).

«Transferjournalismus ist Entertainment», sagt Florian Plettenberg.
«Transferjournalismus ist Entertainment», sagt Florian Plettenberg.
imago

Nicht immer entwickelt sich aus einer Transfernews, die du verbreitest, letztlich auch ein Spielerwechsel. Wie ist deine Quote?

Für mich ist nicht die Quote der Transfers, die über die Bühne gehen, relevant. Sondern die Erfolgsquote. Also: Hat alles gestimmt und werden wir damit unserem hohen journalistischen Anspruch gerecht? Wir haben in diesem Januar, wie schon im vergangenen Sommer, nicht eine einzige Fehlermeldung produziert. Bei Kieran Trippier zum Beispiel war es das Ziel, die News zu haben, dass der Spieler zunächst mal bei Bayern im Gespräch ist.

Zum Transfer kam es aber nicht.

Genau. Wenn dieser Transfer dann nicht klappt, ist es keine Falschmeldung. Wir hatten dann etwa die exklusive News, dass sich Bayern aus dem Poker zurückzieht. Am Abend hat sie Bayern-Sportdirektor Christoph Freund bei Sky live im TV bestätigt. Da geht mir das Herz auf, weil wir sauber gearbeitet haben.

Es muss also nicht immer ein Transfer über die Bühne gehen, damit du glücklich bist.

Transferjournalismus bedeutet auch, eine gewisse Dynamik abzubilden. Die Faszination dahinter ist der Echtzeitjournalismus. Wir sind bei jedem Zwischenstopp des Transfers dabei: Von der Kontaktaufnahme und den Verhandlungen über die mündliche Einigung bis zum Medizincheck und der Vertragsunterschrift. Zwischen dem ersten Interesse und der Unterschrift liegen fünf bis zehn relevante News-Schritte. Wichtig ist, dass alles doppelt und dreifach geprüft und die Fehlerquelle so bei Null ist.

Anfang Woche hattest du exklusiv vermeldet, dass Marco Asensio bei Bayer Leverkusen ein Thema ist. Leverkusens Geschäftsführer Simon Rolfes hat das in der Folge dementiert.

Schon als der Tweet rausging, wusste ich, dass es Leute geben wird, die ein Dementi einholen werden. Das war aber einkalkuliert. Als wir mit der Meldung rausgingen, wusste ich klipp und klar, dass es keine Fehlermeldung sein kann. Ich wusste, dass die Chance auf einen Transfer sehr klein ist. Aber Leverkusen hat sich definitiv mit Asensio beschäftigt, auch wenn Rolfes das dementiert. In diesem Business gehört es halt auch dazu, die Dinge so zu kommunizieren.

Wie gross ist der Einfluss von Journalisten auf das Transfergeschäft?

Bei einem Transfer gibt es drei Parteien: Den abgebenden Verein, den aufnehmenden Verein und die Spielerseite beziehungsweise den Berater. Zwischen diesen drei Parteien entscheidet sich ein Deal. Mittlerweile mischen aber auch die Transferjournalisten indirekt mit. Weil wir in gewisser Weise mit unserer Reichweite, unseren Kanälen und Sendungen auch einen Einfluss darauf haben, wie sich die Verhandlungen entwickeln können.

Inwiefern?

Wir sitzen natürlich nicht am Verhandlungstisch. Es gibt auch viele Details, die wir nicht kennen. Aber es kann einen riesigen Einfluss auf einen Transfer haben, wie der Spieler in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Ein Beispiel: Ein Spieler möchte unbedingt wechseln, hat aber nur ein Angebot aus der Ligue 1 auf dem Tisch. Auf Frankreich hat er aber überhaupt keinen Bock. Also wird mal die Info herausgegeben, dass der Spieler weg will und es ein Angebot aus Frankreich gibt. Die Info ist ja dann nicht falsch, aber die Spielerseite will so erreichen, dass andere Klubs hellhörig werden.

Der Journalist wird also zur vierten Partei eines Transfers.

Ich denke, dass man das so sagen kann. Transferjournalismus kann den Transfermarkt beeinflussen, wenn er mit einbezogen wird. Es gibt immer noch viele Bosse, die nie zu erreichen sind. Alle Vereine haben das Ziel, Meldungen exklusiv über ihre Kanäle zu verbreiten. Aber zurück zum Einfluss: Je mehr über den Spieler gesprochen und berichtet wird, desto mehr Klubs erfahren, dass bei Spieler X etwas gehen könnte.

Was hat das zur Folge?

Das verändert die Verhandlungssituation für den aufnehmenden oder den abgebenden Verein. Insofern sind manchmal vier Parteien im Austausch. Mein Ziel ist es, bei jeder unserer Meldungen mit mindestens zwei Parteien direkt zu sprechen. Dazu gehört auch der Spieler selbst, der sich gerne auch mal persönlich meldet und sich bedankt, wenn er beispielsweise in der Sendung thematisiert wurde oder sauber und fair über ihn berichtet wurde.

Jetzt wissen wir auch, wie ein Transfergerücht entsteht.

Gerücht klingt immer so negativ. In unserer Sendung müssen wir schauen, dass aus den Gerüchten eine News wird. Es gibt Hinweise, die mich zur News führen. Ein solcher Hinweis kann auch mal aus der dritten Reihe kommen. Also von jemandem, der nicht direkt involviert ist. Beispielsweise meldet sich ein Berater und sagt, dass er gehört habe, dass Leverkusen noch was Grosses machen will. Dann wird man natürlich hellhörig und man versucht herauszufinden, was da dran ist. Es ist manchmal wie ein Versteckspiel. Die News hat sich versteckt und du musst den Weg zu ihr finden.

Gefunden hast du sie zuletzt auch bei Sacha Boey, der von Galatasaray zu Bayern München gewechselt ist.

Manchmal braucht es auch ein bisschen Glück und ein Gefühl dafür, was passieren könnte. Bei Boey konnte ich nur deshalb exklusiv sein, weil ich diesen Spieler seit sechs Monaten intensiv verfolge. Seit er in der Champions League mit Gala gegen Bayern gespielt hat, war er für mich ein Kandidat für die Bayern. Weil er genau das Profil hat, das zu Bayern passt. Als ich am 11. Januar exklusiv vermeldet habe, dass Boey bei Bayern auf der Liste steht, hatte ich vor der Recherche der News einfach ein Gefühl, dass da was passieren wird. Und so war es dann tatsächlich auch.

Auch bei Eric Dier wusstest du als Erster Bescheid. Wie kam es dazu?

Die Bayern waren dringend auf der Suche nach einem neuen Verteidiger und weder bei Nordi Mukiele noch bei Radu Dragusin hatte es geklappt. Sie waren langsam unter Zugzwang, etwas präsentieren zu müssen. Ich wusste, dass sie an Dier dran sind und der Transfer hat für mich auch immer Sinn gemacht. Weil er mehrere Positionen übernehmen kann und gut mit Harry Kane befreundet ist. Letztlich bekam ich auch da ein Gefühl, dass da was ist. Auch wegen der Reaktion und Nichtreaktion meiner Quellen.

Du hast Dier dann sogar bei seiner Ankunft am Flughafen in München abgefangen – und er schien ziemlich überrascht zu sein, einen Reporter zu sehen. Woher wusstest du, dass er da ankommt?

Mein Bauchgefühl sagte mir in der Nacht davor, dass am Morgen etwas passieren muss. So bin ich davon ausgegangen, dass Eric Dier in München landen wird. Wir haben natürlich unsere Tricks. Wir scannen den Flugradar und sehen so, wann ein Flugzeug wo landet. Am Ende bin ich einfach mal auf gut Glück zum Flughafen gefahren – und war dann zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ich konnte es kaum glauben, als er dann tatsächlich aus dem Auto stieg. Es war völlig verrückt.

Mit fast 20 Millionen Followern auf X gilt Fabrizio Romano als grösster Transferreporter der Welt. Bist du auch mit ihm im Austausch?

Ja, aber eigentlich nur dann, wenn es darum geht, dass der eine vom anderen will, dass er ihn sauber zitiert. Ich schätze Fabrizio, sehe ihn aber als absoluten Konkurrenten an. Mein Anspruch ist es, besser zu sein als Fabrizio Romano, auch wenn seine Reichweite sicherlich nicht mehr einzuholen ist.

Wie blickst du auf den Januar zurück?

Ich glaube, wir haben in diesem Transferfenster einen sehr guten Job gemacht. Wir hatten unter anderem Werner, Sancho und Dier exklusiv, sowie das Angebot der Bayern für Assan Ouédraogo und die Meldung zu Max Eberl. Wir hatten die Boey-Meldungen als Erster. Wir haben zuerst darüber berichtet, dass Bryan Zaragoza jetzt schon kommen soll. Aber: Es geht nicht um mich, sondern um unser Team. Meine Kollegen hatten die Meldung zuerst, dass Mo Dahoud zum VfB Stuttgart wechseln wird. Wir sind in der Bundesliga mittlerweile überall dicht dran. Es macht einfach Spass, mit und in diesem Transfer-Team bei Sky zu arbeiten.

Du bist sehr leidenschaftlich dabei. Aber Hand aufs Herz: Bist du froh, wenn dieses Transferfenster zu ist?

Ja, zu 100 Prozent. Man merkt, dass es Kraft kostet. Das ist Nervenkitzel, das ist Aufreibung, positiver Stress. Und ganz klar, ich bin heilfroh, wenn das Transferfenster schliesst.

Was machst du ab dem 2. Februar?

Ich nehme mich einen Monat lang komplett raus. Ich werde mit meiner Freundin Skifahren gehen, Sport machen, in die Sauna gehen, Freunde treffen … alles, wofür ich im Januar keine Zeit hatte. Ab März werden dann schon die ersten Transfers für den Sommer vorbereitet. Dann geht der ganze Wahnsinn wieder von vorne los.