Jürgen Klopp wird mit einem Titel ausgezeichnet, der ihm nicht viel bedeutet. Nicht zuletzt deshalb ist er ein ganz Grosser seiner Gilde.
«Zu 100 Prozent verstehe ich diese Preise nicht, aber ich verstehe, dass ich für eine Menge Menschen hier bin», sagt Jürgen Klopp am Ende seiner kurzen Dankesrede am Montagabend in Mailand anlässlich der FIFA-Fussball-Wahlen. Zuvor war er zum Welttrainer der letzten Saison ausgezeichnet worden – vor City-Coach Guardiola und Tottenham-Trainer Pochettino.
An Klopp gab es in den letzten Jahren kein Vorbeikommen. Ob als TV-Experte, Vulkan am Spielfeldrand, unterhaltsamer Interviewpartner oder Motivationskünstler: Der Deutsche, der sich als Gegenstück zu José Mourinho als «The Normal One» positioniert, ist seit seiner Zeit bei Mainz 05 eine der schillerndsten Persönlichkeiten im Fussball-Trainergeschäft.
Sehen Sie am Anfang des Artikels in einer Bildstrecke Fotos aus Klopps Karriere und lesen in der Folge die Meilensteine aus 18 Jahren Klopp und Fussball.
Kultfigur in Mainz
Vom Spieler zum Trainer
Ab dem 28. Februar 2001 trainiert Klopp – zunächst als Interimslösung bis zum Saisonende – die Profimannschaft des 1. FSV Mainz 05 in der Zweiten Bundesliga. Klopp selbst hatte noch drei Tage zuvor als Aktiver beim Auswärtsspiel gegen Greuther Fürth auf dem Platz gestanden. Es sollte sein letztes Spiel als aktiver Profifussballer bleiben.
Unter Klopps Leitung gewinnt die Mannschaft sechs der ersten sieben Spiele und sichert den Klassenerhalt. Klopp wird Cheftrainer, steigt 2004 in die Bundesliga auf – und bleibt bis 2008 Trainer. Dann rufen höhere Aufgaben.
TV-Experte beim ZDF
Der Fernsehpreis
Zwischen 2005 und 2008 arbeitet Klopp neben seiner Trainertätigkeit bei Mainz 05 als Experte bei Fussballübertragungen im ZDF an der Seite von Johannes B. Kerner, Urs Meier und Franz Beckenbauer. Unter anderem analysiert er bei der WM 2006 und der EM 2008 Spiele.
Er arbeitet dabei viel mit einem elektronischen «Taktik-Tisch» – eine Neuheit. Damit analysiert er Spielszenen, weist mit virtuellen Markierungen auf Fehler im Aufbau hin und veranschaulicht, wie daraus früh abgefangene Angriffe oder Gegentore resultieren. Gemeinsam mit Kerner und Meier bekommt er dafür und für fachkundige Unterhaltung im Oktober 2006 den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie «Beste Sportsendung».
Heilsbringer in Dortmund
Das Double
Bei Borussia Dortmund startet Klopp so richtig durch. Er macht den Traditionsverein, der in den Jahren zuvor in der Mittelmässigkeit des deutschen Fussballs verschwunden war, wieder zu einem Topklub. In seiner ersten Saison führt Klopp den Abstiegskandidaten auf den sechsten Schlussplatz. Ein Jahr später spielt die Borussia bereits wieder in der Europa League.
2011 und 2012 gewinnt der BVB die deutsche Meisterschaft und überschreitet bei der Titelverteidigung mit 81 Punkten als erster Verein in der Bundesliga die 80-Punkte-Marke. Eine Woche später gewinnt Dortmund auch den DFB-Pokal und damit das erste Double der Vereinsgeschichte.
Danach haben die Bayern wieder die Nase vorn: Vor allem die Niederlage im Champions-League-Final 2013 geht Klopp nahe. Auch im Pokal unterliegt Dortmund dem Rekordmeister. Nach einer schwachen Hinrunde vereinbart der ausgebrannte Trainer im April 2015 mit dem Verein ein vorzeitiges Ende der Zusammenarbeit.
Interviewpartner mit Ecken und Kanten
«Klopp hoch»
Niederlagen mag Jürgen Klopp ebenso wenig wie gewisse Journalistenfragen – oder den Hang zum «Sauglattismus». Beides muss Klopp nach dem verlorenen Endspiel in der Europa League 2016 gegen Sevilla im St. Jakobpark über sich ergehen lassen. Entsprechend harsch fällt seine Reaktion aus.
SRF-Mann Lukas Studer will im Interview nach dem Spiel wissen: «Wie sagt man eigentlich in Ihrem Fall? Kopf hoch oder Klopp hoch?» Klopps Antwort: «Sehen Sie, ich habe die Probleme, Sie offensichtlich nicht. Weil Sie können schöne Scherze machen, davon bin ich noch weit entfernt.» Studer bekommt für diesen Spruch keine Extrapunkte, weder bei Klopp, noch bei den TV-Zuschauern. Die Beiden, die ansonsten gut miteinander klarkommen, versöhnen sich aber wieder. Studer bleibt nicht der einzige Journalist, dem Klopp im Lauf seiner Karriere die Meinung geigt.
Trainer des Jahres mit Liverpool
Den Finalfluch besiegt
Am 8. Oktober 2015 übernimmt Klopp beim FC Liverpool – zunächst erhält er einen Dreijahresvertrag. Schnell wird klar: Klopp und Liverpool – das könnte passen. Die erste Saison beendet er im achten Rang. Der Liga-Pokal geht im Endspiel gegen Manchester City verloren. Auch in der Europa League scheitert Klopp erst im Endspiel (s. oben).
Doch die «Reds» sehen das Potenzial und lechzen nach Konstanz unter Integrationsfigur Klopp. Der Vertrag des Deutschen wird frühzeitig verlängert. Die Saison 2016/17 beendet die Mannschaft als Tabellenvierte. Der FC Liverpool übersteht in der Folge die Champions-League-Play-offs und erreicht letztlich das Finale. Dort unterliegt man Real Madrid und Klopp verliert damit zum dritten Mal ein europäisches Endspiel. Doch an ihm wird nie gezweifelt.
In der letzten Saison wird der FC Liverpool trotz 97 Punkten nur Zweiter hinter Manchester City. Noch nie hatte eine Mannschaft in der Premier League als Vizemeister mehr Punkte geholt. In der gesamten Spielzeit verliert das Team nur ein Spiel. Klopp erreicht erneut das Finale der Champions League – und endlich gewinnt er auch: 2:0 gegen Tottenham.
«Liverpool Echo»: «Jürgen Klopp sprengt nach seiner FIFA-Preisverleihungsansprache das Internet (mit seiner Ansage, ein Prozent seines Gehalts spenden zu wollen).»
«The Telgraph»: «Jürgen Klopp wurde am Montagabend von der FIFA zum besten Trainer der Welt gekrönt, aber abräumen durfte Liverpool nicht. Virgil van Dijk wurde von Lionel Messi um den Preis gebracht.»
«La Vanguardia»: «Klopp, der beste Trainer»
«Kronen Zeitung»: «SIEG! Jürgen Klopp ist der Welttrainer des Jahres»