Drei Punkte und viele Tore: Die Schweiz braucht in Litauen einen hohen Sieg, um die Ausgangslage im Fernduell mit Italien um Platz 1 in der Gruppe C der WM-Qualifikation markant zu verbessern.
Seit Samstag ist Murat Yakin der Schweizer Nationaltrainer mit der besten Startbilanz seit 40 Jahren. Keine Niederlage sowie je zwei Siege und Unentschieden hat in den ersten vier Spielen letztmals Paul Wolfisberg 1981 geschafft. Das mag nur ein statistischer Wert sein, doch er passt zum guten Gefühl, das Yakin und sein Team aus dem Spiel in Genf gegen Nordirland und dem 2:0-Sieg nach Litauen mitnahmen.
Der dominante Auftritt hat die Schweizer bestätigt darin, dass sie Pflichtaufgaben weiterhin und wie in der Ära von Vladimir Petkovic erfüllen können. Und vor allem: Dass sie im Fernduell um den Gruppensieg mit Italien auf Kurs sind. Mit einem Sieg in Litauen rückt die Schweiz in der Tabelle der Gruppe C zum Europameister auf.
Zu knappe Siege
Doch der bisherige Weg der ungeschlagenen Schweizer durch diese Qualifikation hat einen Makel. Sie schiessen zu wenige Tore, und deshalb fallen ihre Siege zu wenig hoch aus.
Beispiel 1: Zum Auftakt in Bulgarien führen die Schweizer nach einer Viertelstunde 3:0 und gewinnen am Ende bloss 3:1, weil sie nach der Pause gegen einen desolaten Gegner nicht mehr konsequent angreifen.
Beispiel 2: Im Heimspiel gegen Litauen erzielen sie das so wichtige Führungstor schon in der 2. Minute, müssen sich schliesslich aber mit diesem 1:0 begnügen, weil ihr Spiel zwar dominant bleibt, aber in der Offensive auch eine gewisse Genügsamkeit offenbart.
Beispiel 3: Am Samstag gegen Nordirland kommen die Schweizer gegen einen ab der 37. Minute dezimierten Widersacher zwar zu 25 Abschlüssen, aber nur zu zwei Toren.
Es sind dies drei Spiele, in denen ein Kantersieg möglich gewesen wäre, in denen die Schweizer aber bloss ein Torverhältnis von insgesamt 6:1 herausspielten. «Es wäre schade, wenn wir am Ende die direkte Qualifikation (Gruppensieg) wegen einem Tor verpassen würden», hatte etwa Stürmer Breel Embolo in einer kritischen Analyse schon im März nach dem Startspiel in Bulgarien gesagt.
Was das alles mit der Qualifikation und dem Weg an die Endrunde in Katar zu tun hat? Am Ende entscheidet in einem FIFA-Wettbewerb bei Punktgleichheit die Tordifferenz und nicht die Direktbegegnung über die Rangierung. Da die Schweiz gegenüber Italien um sechs Treffer schlechter dasteht, muss man davon ausgehen, dass sie in der Endabrechnung für den Gruppensieg und die direkte Qualifikation mehr Punkte braucht als die Italiener, dass sie also das Auswärtsspiel in Rom am 12. November wird gewinnen müssen.
Es sei denn, die Schweizer drücken gegen Litauen aufs Gas und schaffen, was den Italienern gegen diesen Gegner vor rund einem Monat gelungen ist. Der Europameister fertigte die FIFA-Nummer 137 nämlich gleich mit 5:0 ab. Der Hauptanteil der Marge der Italiener auf die Schweiz stammt aus diesem Spiel.
Böse Erinnerungen an 2017
Die Schweizer sind in dieser Thematik gebrannte Kinder. In der WM-Qualifikation 2017 gewannen sie neun von zehn Spielen, wurden aber nur Gruppenzweite, weil die punktgleichen Portugiesen die um zwölf Treffer bessere Tordifferenz aufwiesen. Die Teilnahme an der WM in Russland mussten sich die Schweizer in den Playoffs gegen Nordirland erkämpfen.
Noch muss es vier Jahre später nicht wieder so weit kommen. In Litauen haben die Schweizer die Gelegenheit an ihrer (Tor-)Bilanz zu arbeiten. Oder mit anderen Worten: In Vilnius ist die Pflicht mit drei Punkten allein nicht erfüllt. Es braucht auch viele Tore. Sie könnten am Ende der entscheidende «Zusatz-Punkt» sein.
sda