Lyam MacKinnon Der unbekannte Schweizer Top-Torjäger, der vielleicht schon bald die Super League erobert

Patrick Lämmle

28.9.2024

Der Schweizer Flügelflitzer Lyam MacKinnon fühlt sich bereit für eine Rückkehr in die Schweiz.
Der Schweizer Flügelflitzer Lyam MacKinnon fühlt sich bereit für eine Rückkehr in die Schweiz.
Bild: instagram/lyammackinnon

Lyam MacKinnon (25), einst im Nachwuchs von Lausanne-Sport an der Seite von Weltklasse-Spielern ausgebildet, ist inzwischen zur Wunderwaffe in der dritthöchsten Liga der USA gereift. Wer ist der hierzulande noch unbekannte Schweizer, der vielleicht schon bald die Super League erobert?

Patrick Lämmle

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der 25-jährige Schweizer Lyam MacKinnon ist Profi in den USA und strebt mit Greenville nach den Sternen. Sein Team ist ein Titelkandidat und er selbst ist aktuell der beste Torschütze der Liga.
  • Ausgebildet wurde er bei Lausanne-Sport, wo er mit Top-Spielern wie Dan Ndoye, Cameron Puertas und vielen weiteren hierzulande bekannten Profis ausgebildet wurde. 
  • 2019 wechselte er in die USA, schloss neben dem Fussballspielen ein Studium in Wirtschafts- und Politikwissenschaften ab. Seit Dezember 2022 ist er nun aber Vollprofi.
  • Im November läuft sein Vertrag ab. Danach könnte er sich eine Rückkehr in die Schweiz durchaus vorstellen. Wichtig sei ihm, dass er im Verein etwas bewirken könne und nicht einfach nur im Kader stehe.

Dürfen wir vorstellen: Lyam MacKinnon, 25 Jahre jung, 1.85 Meter gross, Flügelflitzer und Tormaschine in Person. Zwischen 2017 und 2019 hat er im Nachwuchs von Lausanne-Sport (U18 und U21) an der Seite von Spielern wie Dan Ndoye (Bologna/16 Länderspiele), Andi Zeqiri (Standard Lüttich/11 Länderspiele), dem ehemaligen U21-Nationalspieler Gabriel Barès (Montepellier), Isaac Schmidt (Leeds United) oder auch Cameron Puertas (Al-Qadsiah), der noch auf seinen Schweizer Pass warten muss, gespielt. Mit vielen von ihnen ist er noch immer mehr oder weniger regelmässig im Kontakt.

Lyam MacKinnon (rechts) tauscht sich immer mal wieder mit seinem ehemaligen Teamkollegen Dan Ndoye aus.
Lyam MacKinnon (rechts) tauscht sich immer mal wieder mit seinem ehemaligen Teamkollegen Dan Ndoye aus.
Bild: zvg

Am 25. September verabreden wir uns zu einem Video-Call, pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk taucht MacKinnon um Punkt 20.00 Uhr Schweizer Zeit auf. Und das erst noch an seinem 25. Geburtstag. Gross feiern werde er nicht, denn schliesslich stehen wichtige Wochen bevor, so habe er gut Zeit für ein Interview.

In der professionell betriebenen 3. Liga der USA will er mit Greenville den Titel holen – und am liebsten auch die Torjägerkrone. Nach 18 Runden führt er die Torjägerliste gemeinsam mit Mittelstürmer Juan Carlos Obregón an. Im Gegensatz zum 26-jährigen honduranischen Nationalspieler glänzt MacKinnon aber auch als Vorbereiter. In der laufenden Saison hat er schon sechs Assists beigesteuert.

Lyam MacKinnon geht mit Greenville auf Titeljagd

Ausser im Tor und als Rechtsverteidiger wurde MacKinnon schon überall eingesetzt, am wohlsten fühlt er sich aber am Flügel, am liebsten auf dem linken. «Dort fühle ich mich wirklich wohl. Von dieser Position aus kann ich meine Fähigkeiten zeigen.» Zu diesen zählt er seine «Schnelligkeit, das Eins-gegen-Eins und den Torabschluss.» Auf die Bemerkung, dass das eine ganze Menge Qualitäten seien, lacht der sympathische Lausanner, der ein absoluter Teamplayer ist und nicht ohne Grund die Captain-Binde trägt.

«Wenn ich Tore schiesse, bedeutet das, dass ich der Mannschaft zum Sieg verhelfen kann.»

Lyam MacKinnon

Top-Torjäger in der USL League One

Das wird auch deutlich, wenn er darüber spricht, was es ihm bedeuten würde, die Torjägerkrone zu gewinnen. «Das wäre grossartig. Ich habe in den letzten Jahren viel daran gearbeitet, um effizienter zu werden und mehr Einfluss aufs Spiel zu nehmen, sei es durch Vorlagen oder Tore. Die Rangliste wird natürlich von vielen Leuten beachtet, aber wenn ich Tore schiesse, bedeutet das, dass ich der Mannschaft zum Sieg verhelfen kann.»  So wie beispielsweise am 15. September, als er beim 5:2-Auswärtssieg gegen die Red Wolves mit drei Toren und einem Assists alle Spieler der Liga überstrahlte und zum «Player of the Week» gekürt wurde.

Und genau das ist sein grosses Ziel, dazu beitragen, Spiele zu gewinnen und am Ende einen Pokal in die Höhe stemmen. «Das wäre grossartig, ich möchte das dieses Jahr unbedingt schaffen.» Vergangene Saison, seiner ersten für Greenville, hat er mit sieben Toren und vier Assists (er spielte in 28 von 32 Spielen) dazu beigetragen, dass sich seine Mannschaft für die Playoffs qualifizierte. Dort war dann allerdings bereits nach einer Partie Schluss, der Viertelfinal bedeutete Endstation. Greenville sei einer der erfolgreichsten Klubs in der, wie in den USA üblich, geschlossenen Liga. 2020 wurde Greenville letztmals Meister, 2019 und 2021 Vize-Meister.

«Alle im Verein haben das Ziel, am Ende des Jahres den Titel zu gewinnen.»

Lyam MacKinnon

«Was ich wirklich will ist, etwas zur Geschichte des Klubs beizutragen, das wäre grossartig für mich. Alle im Verein haben das Ziel, am Ende des Jahres den Titel zu gewinnen.» Nach 18 von 33 Runden ist Greenville Tabellenvierter und auf Kurs Richtung Playoffs, für die sich die ersten acht Teams der 12er-Liga qualifizieren. In den Playoffs trifft der 1. auf den 8., der 2. auf den 7. und so weiter. Die vier besten Teams geniessen Heimrecht, weshalb der Rangierung doch eine grössere Bedeutung zukommt. Wobei das mit den Heimspielen so eine Sache ist.

Beim Betrachten von Highlight-Clips der Greenville-Heimspiele, droht schnell einmal die Gefahr, vor lauter Spielfeldmarkierungen den Überblick zu verlieren. Darauf angesprochen, muss er lachen und sagt: «Aber zum Spielen ist es noch schlimmer. Es ist schrecklich und ich habe mich bis heute nicht wirklich daran gewöhnt. Ich habe immer noch Probleme, auf diesem Feld zu spielen.»

Gewöhnungsbedürftig, auch für MacKinnon selbst: Die Spielfeldmarkierungen im Heim-Stadion.
Gewöhnungsbedürftig, auch für MacKinnon selbst: Die Spielfeldmarkierungen im Heim-Stadion.
Screenshot: youtube.com/@USL

Die meisten Stadien in der Liga seien aber wirklich schön und auch in Greenville tut sich etwas, so soll ein neues Stadion gebaut werden. Doch solange das nicht steht, müssen sie mit dem Footballstadion vorliebnehmen. Nur so ist es möglich, dass es auch genügend Platz für die im Schnitt rund 2000 bis 3000 Zuschauer*innen gibt, die zwischen 15 und 70 Dollar für ein Ticket bezahlen müssen.

Der Werdegang und die Ziele von MacKinnon

MacKinnon, der in Lausanne mit einer kleinen Schwester (9) und einem Bruder (11) aufgewachsen ist, hat bei Lausanne-Sport im Nachwuchs gespielt und die Universität besucht, als sich eines Tages eine Agentur bei ihm gemeldet hat, die Spieler in die USA vermittelt. Ein Teamkollege von ihm hatte diesen Schritt zuvor bereits gemacht. Zunächst sei er nicht wirklich interessiert gewesen, doch dann habe er sich doch dazu entschieden, das Wagnis einzugehen.

Denn er hatte nicht das Gefühl, dass er bei Lausanne-Sport in der 1. Mannschaft eine Chance bekommen würde. «Ich glaube nicht, dass ich zu diesem Zeitpunkt bereit war. Vielleicht hätte ich den Sprung ins Team geschafft, aber höchstens als Ergänzungsspieler mit wenig Aussichten auf Spielpraxis. Also dachte ich, es wäre eine grossartige Chance für mich, ein anderes Land zu sehen, auf mich allein gestellt zu sein und so auch als Person zu wachsen.»

Lyam MacKinnon hat an der Villanova University ein Studium in Wirtschafts- und Politikwissenschaften abgeschlossen.
Lyam MacKinnon hat an der Villanova University ein Studium in Wirtschafts- und Politikwissenschaften abgeschlossen.
Bild: zvg

Zunächst spielte er an der Villanova University im US-Bundesstaat Pennsylvania in der Nähe von Philadelphia. Dreieinhalb Jahre spielte er Fussball und studierte nebenbei Wirtschafts- und Politikwissenschaften. Ein Steilpass für die Frage: Harris oder Trump? «Oh man, ich bin froh, dass ich mich nicht entscheiden muss», sagt er und lacht.

Wie dem auch sei, im Dezember 2022 sei er dann mit allem fertig gewesen und wurde zu Nashville transferiert. «Das war der Beginn meiner Profi-Karriere.» Nach einer Saison wechselte er im März 2023 zu Greenville, gelegen in South Carolina. Dort, wo er nun in seiner ersten Saison Tore am Laufmeter erzielt und nach dem Titel strebt. Ende November läuft sein Vertrag allerdings aus. In Greenville würde man sicherlich gerne mit dem Captain und Top-Torjäger verlängern, auch andere Vereine strecken mit Sicherheit die Fühler aus.

MacKinnon spricht über seine Zukunftspläne

Doch was ist sein Plan? Wäre auch eine Rückkehr in die Schweiz eine Option? «Ja, auf jeden Fall. Ich würde gerne zurückkommen, wenn ein passendes Angebot kommt.» Sein Ziel sei es immer, auf dem höchstmöglichen Niveau zu spielen. «Wenn ich sage spielen, meine ich wirklich spielen, also involviert sein. In der Lage sein, einem Team auf höchstem Niveau zu helfen, so gut ich kann.»

Und natürlich vermisse er manchmal auch seine Heimat. Die Landschaft, die Seen, das gesamte Umfeld und natürlich auch das Brot, so wie das eigentlich alle Ausland-Schweizer tun. Und auch ein Leben mit weniger Klima-Anlagen würde ihm behagen, meint er mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht, das immer wieder aufblitzt beim 25-Jährigen.

Allerdings sei jetzt halt nicht gerade die Transferperiode, «aber vielleicht werden mein Berater und ich in naher Zukunft Gespräche führen». Sein Lieblingsverein ist Liverpool, wie unschwer zu erahnen ist, wenn man seinen Instagram-Account besucht. Das erste Bild ist angeheftet und zeigt ihn in einem Liverpool-Shirt. Als Kind habe er immer davon geträumt, für die Reds aufzulaufen. «Ich liebe den Klub und die Leidenschaft, die ihn umgibt. In guten wie in schlechten Zeiten.»

Ohne Umwege, so realistisch muss man sein, wird er als Greenville-Spieler nicht von Liverpool verpflichtet werden. Dass er aber noch vieles erreichen kann, zeigen die Beispiele einiger seiner ehemaligen Mitspieler. Dan Ndoye und Andi Zeqiri haben schon mehrere Länderspiele auf dem Buckel, Cameron Puertas hat voraussichtlich gute Chancen, 2025 in der Nati zu debütieren, Gabriel Barès spielt in der Ligue 1 bei Montpellier und Isaac Schmidt wechselte jüngst zu Leeds United, einem Aufstiegsaspiranten in der zweithöchsten Liga Englands.

Lyam MacKinnon spielte im Lausanne-Nachwuchs mit Gabriel Barès: Die beiden verstehen sich immer noch blendend, so gehörte Barès auch zu den ersten Gratulanten am Geburtstag.
Lyam MacKinnon spielte im Lausanne-Nachwuchs mit Gabriel Barès: Die beiden verstehen sich immer noch blendend, so gehörte Barès auch zu den ersten Gratulanten am Geburtstag.
Bild: zvg

Namentlich erwähnen tut MacKinnnon auch Josias Lukembila. Der 25-Jährige hat einen Vertrag bei Paris FC, spielt derzeit aber leihweise bei Winterthur. «Ich bin mit ihm aufgewachsen und habe mit ihm von 7 bis 19 gespielt. Er ist einer meiner besten Freunde», sagt MacKinnon.

Bei den Junioren habe sich damals nicht unbedingt abgezeichnet, wer es am weitesten bringen würde. Sie hätten alle miteinander konkurriert, mal war der eine besser, mal ein anderer. «So haben wir uns gegenseitig hochgezogen. Ich denke, das ist der Grund, warum so viele Spieler aus dem damaligen U21-Team auf hohem Niveau spielen.»

«Ich denke, Puertas hat uns alle inspiriert. Als wir alle noch in der U18 spielten, spielte er schon in der U21 und schaffte dann den Sprung in die 1. Mannschaft.»

Lyam MacKinnon über …

… seinen ehemaligen Mitspieler Cameron Puertas

Und dann hebt er doch noch einen Spieler hervor: Cameron Puertas. «Ich denke, er hat uns alle inspiriert. Als wir alle noch in der U18 spielten, spielte er schon in der U21 und schaffte 2018 den Sprung in die 1. Mannschaft.» Er erinnere sich noch daran, wie er jeweils nur gedacht habe: «Wow!» Puertas sei so hungrig gewesen, es nach oben zu schaffen. «Ich glaube auch, das hat vielen von uns geholfen. Vielleicht war uns das damals nicht wirklich bewusst, aber jetzt sehe ich, wie gut er geworden ist.»

Puertas steht unter Beobachtung von Nati-Coach Murat Yakin, wobei er in der Nati erst 2025 zum Thema werden wird. Zwar ist Puertas in Lausanne geboren, doch er besitzt derzeit lediglich den spanischen Pass. Zwar hat er das Schweizer Bürgerrecht beantragt, doch er muss sich noch gedulden, weil er sich einst nach einem Führerausweisentzug einen Tag zu früh ans Steuer gesetzt hatte und prompt geblitzt wurde. Vergeblich hatte sich der Schweizerische Fussballverband (SFV) vor der EM darum bemüht, das Einbürgerungsverfahren zu beschleunigen, um Europas Assist-König in den eigenen Reihen zu haben. Beim belgischen Vizemeister hat der 26-Jährige vergangene Saison mit 14 Toren und 23 Assists geglänzt.

Im Sommer wechselte Puertas schliesslich in die Saudi Pro League, wo er einen bis Sommer 2027 gültigen Vertrag bei Al-Qadsiah unterschrieben hat. Dort spielt er an der Seite von Hochkarätern wie etwa Pierre-Emerick Aubameyang oder dem sechsfachen Champions-League-Sieger Nacho Fernández, der mit Spanien im Sommer auch noch Europameister wurde.

In Winterthur könnte man einen Torjäger gut gebrauchen

Und MacKinnon, könnte er sich einen Wechsel in die Saudi Pro League auch vorstellen, obschon immer wieder Kritik wegen der Menschenrechtslage im Golfstaat laut werden? «Für mich ist das im Moment definitiv keine Option.» Er sei deshalb auch froh, dass er sich diese Frage gar nicht stellen müsse. «Aber man weiss ja nie, was die Zukunft bringt.»

Einem Wechsel in die Schweiz wäre er wie bereits erwähnt nicht abgeneigt. «Besonders in der Deutschschweiz gibt es viele wirklich schöne Stadien und tolle Fans.» Er habe Spiele von Isaac Schmidt gesehen, der mit seinem Treffer grossen Anteil daran hatte, dass St.Gallen den Einzug in die Conference League schaffte, nur um dann tags darauf bei Leeds United einen Vertrag zu unterschreiben. «Die Fans dort sind unglaublich», schwärmt er. Der FCSG hat allerdings in dieser Saison bislang die meisten Tore erzielt und hat deshalb weniger Bedarf, die Offensive zu verstärken.

«Es gibt keinen Verein in der Schweiz, von dem ich sage, dass ich nie für ihn spielen würde.»

Lyam MacKinnon

Bei Winterhur, wo derzeit mit Lukembila einer seiner besten Freunde spielt, wäre die Ausgangslage dagegen eine ganz andere. In den ersten sieben Runden hat Winti nur vier Tore erzielt und ist auch deshalb das Schlusslicht der Liga. Da käme einer wie Lyam MacKinnon gerade recht. Ein Mann in Topform, der keine lange Eingewöhnungszeit benötigen würde, da er Land und Leute kennt.

Den Beweis, dass er auf diesem Niveau eine Verstärkung sein kann, müsste er dann aber erst noch liefern. Zuzutrauen wäre es ihm aber allemal. Anhören würde er sich ein allfälliges Angebot auf jeden Fall: «Es gibt keinen Verein in der Schweiz, von dem ich sage, dass ich nie für ihn spielen würde.» Vielleicht erobert Lyam MacKinnon ja tatsächlich schon bald die Super League.