Nach dem Aus von Inka Grings als Nati-Trainerin, steht die Schweizer Frauen-Nati eine Woche vor dem letzten Zusammenzug des Jahres plötzlich ohne Coach da. Wer könnte die Nachfolge übernehmen?
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Die Schweizer Frauen-Nati steht seit letztem Freitag ohne Trainerin da.
- Wer die Nachfolge von Inka Grings antritt, ist eine Woche vor dem letzten Zusammenzug des Jahres noch nicht bekannt.
- Eine mögliche Kandidatin wäre Marisa Wunderlin. Von aussen betrachtet, wäre sie die perfekte Wahl.
Am vergangenen Freitag haben sich der Schweizerische Fussballverband (SFV) und Trainerin Inka Grings einvernehmlich geeinigt, die Zusammenarbeit per sofort zu beenden. Dies nur drei Tage bevor sie ihren Kader für die beiden letzten Spiele der Nations League gegen Schweden (1. Dezember) und Italien (5. Dezember) hätte bekanntgeben sollen. Wie schnell alles über die Bühne ging, zeigt auch die Tatsache, dass der SFV in der Medienmitteilung nicht darüber informiert, wer bei den kommenden Länderspielen an der Seitenlinie stehen wird.
Auch am Montag herrscht noch Ungewissheit. Eine Woche vor dem letzten Zusammenzug des Jahres ist nicht bekannt, wer in den kommenden Spielen an der Seitenlinie stehen wird – und auch das Aufgebot ist noch nicht raus. Die Kaderbekanntgabe wurde verschoben, Termin unbekannt. Es ist zu hoffen und davon auszugehen, dass man im Verband einen Schritt weiter ist. Denn die Zeit drängt. Aber wer kommt überhaupt infrage für den Job?
Von aussen betrachtet, gibt es eine klare Kronfavoritin: Marisa Wunderlin. Warum? Die 36-Jährige ist eine von drei Schweizerinnen, die eine UEFA-Pro-Lizenz im Sack hat. Derzeit ist sie Trainerin beim Frauenteam des FC St.Gallen und leistet hervorragende Arbeit. Der FCSG ist nach neun Runden Tabellenvierter und hat erst ein Spiel verloren. Zuletzt haben die St.Gallerinnen den FCZ – seit Jahren DAS Team, das es zu schlagen gilt – trotz 0:3-Rückstand aus dem Cup gekegelt.
Wunderlin bräuchte kaum Eingewöhnungszeit
Und dann kommt noch hinzu, dass Wunderlin genau weiss, was sie erwarten würde, sie kennt den Laden bereits. Von Januar 2019 bis Ende 2022 war sie vier Jahre lang Assistenztrainerin von Nils Nielsen bei der Frauen-Nati. Die meisten Spielerinnen kennt sie also bereits persönlich, weiss, wie sie ticken und kennt deren Stärken und Schwächen. Sei es auf dem Platz oder daneben.
Unter Nielsen glich die Nati einer Wohlfühloase, war immer mal wieder zu hören. Es wurde viel kommuniziert und die Spielerinnen genossen viele Freiheiten. Unter Grings wehte dann ein ganz anderer Wind. Die Zügel wurden angezogen, Disziplin und Fitness standen ganz oben auf dem Zettel. Der Konkurrenzkampf wurde härter, so dass auch arrivierte Spielerinnen unter Druck gerieten. Hohe Wellen schlug etwa die Nichtnomination von Rekordnationalspielerin Ana-Maria Crnogorcevic für die ersten beiden Nations-League-Spiele.
Überraschend war auch, dass Grings die hochtalentierte Riola Xhemaili nicht für die WM aufgeboten hatte, aufgrund mangelnder Spielpraxis im Verein. Zuletzt schien das Klima ziemlich vergiftet, so dass wohl kaum allzu viele Tränen vergossen wurden nach dem Aus von Grings.
Wobei die am Tag der 1:7-Schlappe gegen Spanien 45-jährig gewordene Grings, es war ihr letztes Spiel als Nati-Trainerin, zweifelsohne nicht alles falsch gemacht hatte. So hat sie vielen jungen Spielerinnen eine Chance gegeben, sich in der Nati zu zeigen – und manche haben sie auch genutzt. Alayah Pilgrim und Smilla Vallotto gehörten zu den Gewinnerinnen unter Grings und dürften auch in Zukunft eine Rolle spielen.
Mutig war auch ihr Entscheid, die erst 16-jährige Iman Beney für die WM aufzubieten. Dass sich diese dann noch vor dem Turnier das Kreuzband riss, das tut bis heute weh, hatte sie doch in den Testspielen bereits die Herzen vieler Fans erobert.
Wunderlin ist eine Teamplayerin
Zurück zu Wunderlin. In der Saison 2020/21 war sie Athletiktrainerin beim damals von Bruno Berner gecoachten SC Kriens. Ein Themengebiet, in dem sie sich perfekt auskennt. Die studierte Sportwissenschaftlerin war auch schon im Bereich Leistungsdiagnostik beim Bundesamt für Sport tätig. Die Fitness hat bei ihr selbstredend einen hohen Stellenwert, diesbezüglich würde sich also grundsätzlich wenig ändern. Und das ist gut so.
Im Gegensatz zu Grings ist Wunderlin aber eine Trainerin, die ihre Spielerinnen stark miteinbezieht. Im Fussball-Podcast «Sykora Gisler» hat sie etwa jüngst verraten, dass sie beim FC St.Gallen die Spielerinnen involviert hat, als es darum ging, die taktische Ausrichtung zu bestimmen. Klar ist sie letztlich die Chefin, die entscheidet. Aber dank des Einbezugs der Spielerinnen, bietet sie viel weniger Angriffsfläche für teaminterne Kritik und Unzufriedenheit. Denn die Mehrheit wird hinter ihren Entscheidungen stehen.
Und wenn es nun in wenigen Tagen darum geht, Spielerinnen für die Nati aufzubieten, dann dürfte ihr das kaum Probleme bereiten. Wunderlin kennt so ziemlich alle Spielerinnen, die im Ausland engagiert sind und natürlich kennt sie auch die Qualitäten der Spielerinnen aus der heimischen Liga. Und das muss sie auch, denn die Nati kommt nicht ohne Spielerinnen aus der Women's Super League aus.
Diesbezüglich kann ihr niemand das Wasser reichen. Das Gesamtpaket stimmt bei Wunderlin definitiv. Bleibt die Frage, ob sie denn den Job überhaupt annehmen würde.