Das letzte Testspiel vor der WM zwischen der Schweiz und Marokko haut niemanden der 5323 anwesenden Fans aus den Socken. Defensiv lässt die Nati nichts anbrennen, offensiv weht aber nur ein laues Lüftchen. Die Spielerinnen in der Einzelkritik.
Bewertungsschlüssel
6 Sackstark
5 Gut
4 Genügend
3 Schwach
2 Sehr schwach
1 Unterirdisch
Die Analyse von Nati-Coach Inka Grings
Torhüterin
Gaëlle Thalmann
In der ersten Halbzeit ist die 37-Jährige beschäftigungslos. In der 56. Minute wird es dann ein erstes Mal brenzlig, doch im Verbund mit Luana Bühler klärt sie die Situation. Stark, wie sie in der 77. Minute einen Flankenball kompromisslos wegfaustet und in der vierten Minute der Nachspielzeit klärt sie mit einem Kopfball ausserhalb des Sechzehners. In der 96. Minute spielt sie fahrlässig den Ball in die Füsse einer Marokkanerin, deren Schuss sie dann allerdings stark pariert.
Rechte Aussenverteidigerin
Eseosa Aigbogun
Die Tinte unter ihrem Vertrag bei der AS Roma ist trocken, damit kann sie mit einem freien Kopf zur WM fahren. Die 30-Jährige lässt in ihrem 91. Länderspiel in der Defensive nichts anbrennen. Den Zug nach vorne lässt sie dagegen vermissen. In der 63. Minute wird Aigbogun ausgewechselt.
Innenverteidigerin
Luana Bühler
Im Gegensatz zu Aigbogun hat Bühler ihren Wechsel noch nicht öffentlich kommuniziert, Gerüchten zufolge wird ihr nächster Arbeitgeber Tottenham sein. Und die dürften sich über ihren Auftritt gefreut haben, denn Bühler macht ein hervorragendes Spiel. Sie glänzt mit ihrer Zweikampfstärke und ihrer Passqualität. Dass sie nicht nur das Kurzpassspiel beherrscht, zeigt sie kurz nach der Pause mit ihrem langgezogenen Ball auf Ramona Bachmann. Die 27-Jährige dürfte an der WM im Abwehrzentrum gesetzt sein.
Innenverteidigerin
Julia Stierli
Ob die 26-jährige FCZ-Spielerin an der WM in der Startelf figuriert, dahinter steht es noch ein Fragezeichen, denn mit Viola Calligaris – sie wurde gegen Marokko geschont – steht eine Spielerin bereit, die sich aus der spanischen Liga ein höheres Niveau gewohnt ist. An Stierli gibt es zwar kein einfaches Vorbeikommen, aber ihr unterläuft doch der eine oder andere Fehlpass zu viel, weil sie manchmal die nötige Ruhe vermissen lässt.
Linke Aussenverteidigerin
Nadine Riesen
Die 23-Jährige wirft alles rein, was sie hat. Unglaublich, wie sie die Linie hoch und runterläuft und um jeden Ball kämpft. Von der Einstellung her gehört Riesen zur Crème de la Crème. Doch ihre Aktionen sind nicht immer von Erfolg gekrönt, so hat sie ein paar Fehlpässe zu viel auf dem Konto und sie setzt zu oft zum Tackling an, wo es besser wäre, auf den Beinen zu bleiben. Zweimal gleitet sie deshalb nach einer von der Gegenspielerin angetäuschten Flanke ins Leere. Aber als Trainerin muss man solche Spielertypen eigentlich lieben, zumal Riesen auch mutig auftritt und in der 71. Minute einfach mal aus der Distanz abzieht – wenn auch deutlich am Ziel vorbei.
Mittelfeld
Coumba Sow
Die 28-Jährige betreibt, obwohl defensiver eingesetzt als üblich, beste Werbung in eigener Sache. Sie bügelt Fehler der Teamkolleginnen aus, unterbindet Konter, läuft die Marokkanerinnen aggressiv an und behauptet sich mit dem Ball am Fuss auch in Drucksituationen, so wie in der 28. Minute, als sie mit zwei schnellen Körpertäuschungen die Gegnerin abschüttelt. Eigentlich gibt es nur bei ihrem Abschluss in der 53. Minute noch Luft nach oben. Coumba Sow ist auf alle Fälle bereit für die WM. Wo sie nächste Saison spielen wird, das wissen wir leider noch immer nicht.
Mittelfeld
Géraldine Reuteler
Die bei Eintracht Frankfurt unter Vertrag stehende Géraldine Reuteler arbeitet stark nach hinten. So unterbindet sie etwa in der 39. Minute nach einem missglückten Schweizer Eckball dank eines Vollsprints einen gefährlichen Konter. Die Offensive belebt sie aber kaum – diesbezüglich hat die 24-Jährige, die schon über 50 Länderspiele auf dem Buckel hat, noch viel Luft nach oben. Dass sie es kann, das wissen alle, jetzt muss sie es nur mal wieder zeigen. In der 63. Minute macht sie Platz für Terchoun.
Mittelfeld
Ana-Maria Crnogorcevic
Crnogorcevic hat ja schon fast auf jeder Position gespielt, doch heute startet sie hinter der Spitze und dort fühlt sie sich nicht ganz heimisch. Zwar leitet sie ein paar Bälle gut weiter, doch so richtig in die Gänge kommt sie nicht. In der Pause nimmt Trainerin Inka Grings ein paar taktische Änderungen vor und so spielt die Nati-Rekordtorschützin nach der Pause offensiver. Und da zeigt die Barça-Spielerin zumindest gute Ansätze, an mehreren (im Ansatz) gefährlichen Angriffen ist sie beteiligt. Zweimal lanciert sie die eingewechselte Meriame Terchoun und in der 76. Minute geht sie selbst in den Abschluss, doch der Ball ist eine leichte Beute für die Torhüterin. An der WM erhoffen wir uns von ihr mehr Zielstrebigkeit in ihren Aktionen.
Rechter Flügel
Seraina Piubel
Gegen Sambia hat die 23-jährige FCZ-Spielerin nach ihrer Einwechslung geglänzt. Gegen Marokko darf sie nun von Beginn an ran, hat aber nicht viel anzubieten, was die Zuschauer von den Sitzen reisst. Einzig bei einem Konter in der 78. Minute zündet sie den Turbo und lanciert Terchoun. Ansonsten setzt sie offensiv kaum Akzente.
Sturmspitze
Ramona Bachmann
Die PSG-Stürmerin ist noch nicht im WM-Modus und bleibt lange unauffällig, auch weil sie von den Mitspielerinnen nicht gefunden wird. So wäre sie etwa in der 22. Minute in guter Position für einen Abschluss, doch Piubel passt in ihren Rücken. Bei Bachmann weiss man aber auch, dass sie jederzeit in der Lage ist, den Unterschied zu machen. In der 54. Minute gibt es eine kleine Kostprobe davon: Die 133-fache Nationalspielerin zieht von rechts zwischen zwei Marokkanerinnen durch zur Mitte und setzt mit ihrem Schnittstellenpass fünf Gegnerinnen schachmatt. Davon braucht die Nati mehr.
Linker Flügel
Alisha Lehmann
Lehmann ist für ihren Speed bekannt, doch im Testspiel gegen Marokko wird man nicht Zeuge davon. Das Spiel läuft über weite Strecken an ihr vorbei und vielleicht hat ihr nach einem Check in der 29. Minute auch der Rücken etwas geschmerzt. Auf alle Fälle kehrt Lehmann nach der Pause nicht zurück aufs Feld.
Ab 46. Minute für Lehmann
Sandrine Mauron
Mauron, die für Lehmann ins Spiel kommt, legt ebenfalls keinen überzeugenden Auftritt hin. In der 72. Minute tut sich eine Konterchance für die Schweiz auf, doch Maurons Pass kommt einen Ticken zu steil und so ist die Chance futsch.
Ab 63. Minute für Reuteler
Meriame Terchoun
Terchoun ist motiviert bis in die Haarspitzen, das sieht man bei all ihren Aktionen – und sie belebt die Offensive merklich. Das letzte Quäntchen Glück geht aber auch ihr ab. So lässt sie beispielsweise in der 88. Minute eine Spielerin stehen, findet mit ihrem Pass in den Rückraum aber keine Mitspielerin. Ein Sonderlob gibt es für ihr Umschaltspiel in der Rückwärtsbewegung. Zweimal sprintet sie mit Vollgas zurück und kann so Brände löschen. Dafür gibt es zwar keine Skorerpunkte, aber hoffentlich ein paar Schulterklopfer von der Trainerin.
Ab 63. Minute für Aigbogun
Noelle Maritz
Die Spielerin vom grossen FC Arsenal kommt für Aigbogun ins Spiel und fällt weder gross auf noch ab. Defensiv erledigt sie ihren Job unaufgeregt, in der Offensivzone bleibt sie aber ohne Durchschlagskraft.
Ab 83. Minute für Bachmann
Fabienne Humm
Zu kurzer Einsatz für eine Benotung.
Ab 90. Minute für Sow
Marion Rey
Zu kurzer Einsatz für eine Benotung.
Telegramm
Schweiz – Marokko 0:0
Winterthur. – 5323 Zuschauer. – SR Wacker (GER).
Schweiz: Thalmann; Aigbogun (63. Maritz), Bühler, Stierli, Riesen; Reuteler (63. Terchoun), Sow (90. Rey), Crnogorcevic; Piubel, Bachmann (83. Humm), Lehmann (46. Mauron).
Bemerkungen: Schweiz ohne Calligaris und Wälti (beide geschont). Verwarnungen: 46. Saoud. 91. Seghir.