Die ganze Fussball-Welt fragt sich, warum die 22. WM-Endrunde ausgerechnet in Katar stattfindet. Guido Tognoni war elf Jahre lang Kommunikationsdirektor bei der FIFA und Berater von Sepp Blatter. Er hat im Golfstaat gelebt und kennt die Hintergründe.
Als «Furzidee der FIFA» bezeichnete Guido Tognoni das anstehende Turnier in Katar unlängst. Bei der WM-Vergabe im Jahr 2010 hätten die Leute vom FIFA-Exekutivkomitee solche technischen Berichte – dort schnitt die Bewerbung von Katar unter allen Dossiers am schlechtesten ab – schlicht nicht ernst genommen, so der Bündner. Die Schuld liege aber beim Welt-Fussballverband. «Die FIFA hat Katar den Amerikanern vorgezogen, da kann man Katar nicht verantwortlich machen», findet Tognoni.
Kurz nach der Vergabe habe die FIFA gemerkt, in Katar könne es im Sommer noch heiss werden, feixt er. «Platini (Anm. d. Red.: der damalige UEFA-Präsident fungierte als Europa-Vertreter in der FIFA) war dann der Erste, der sagte, ‹dann spielen wir halt im Winter›.»
Natürlich sei die ganze WM-Vergabe ein abgekartetes Spiel gewesen. Doch das sei beileibe keine neue Entwicklung, betont der ehemalige FIFA-Funktionär. Tognoni zählt diverse Turniere in der jüngeren Vergangenheit auf: «Japan/Südkorea, Südafrika oder auch Deutschland – was sie auf ihrem moralischen Hochsitz oft vergessen.»
Bestechung war unumgänglich
Leider sei das ein Fehler des Systems gewesen. «Von der FIFA hast du nur etwas bekommen, wenn du bestochen hast», hält er fest. Der katarische Fussball-Funktionär Mohamed bin Hammam – der später von der FIFA wegen Korruption lebenslang gesperrt wurde – habe das offensichtlich auch getan, sonst hätte Katar die WM nicht bekommen, so sein Fazit.
Das Rollenbild der Frauen in Katar ist aus westlicher Sicht rückständig. Eine schnelle Wandlung dürfe man vom Wüsten-Staat aber nicht erwarten. «Sicher haben die Frauen nicht die gleichen Rechte wie die Männer, das war aber bei uns vor den 70er-Jahren auch nicht anders. Mit ein wenig Geschrei in den Zeitungen ändern wir das nicht», glaubt Tognoni. In Katar sei in jüngerer Zeit viel gegangen. «Frauen in Katar müssen keine Schleier tragen, wenn sie nicht wollen», erzählt er. Das sei auch bei seiner Frau der Fall gewesen, als sie im Land lebten. «Müssen wir immer mit dem moralischen Imperialismus kommen?», hinterfragt Tognoni.
«Der Schuss ging nach hinten los»
Die ganzen Anstrengungen von Katar, mit viel Finanzkraft unbedingt eine WM austragen zu wollen, ist für Tognoni vergebene Energie gewesen: «Der Schuss ist nach hinten losgegangen. Katar hat sicher was anderes erwartet. Katar ist jung und naiv, auch die Machthaber. Katar ist ein Land, das alle Probleme mit Geld lösen konnte. Bei der WM ging das halt nicht – die Stimmung weltweit ist nicht gut, das bringt Katar wohl nicht mehr weg.» Sein Fazit: «Katar würde sich nicht nochmals um eine WM bewerben.»