Kommentar Valon Behrami: Der Krieger hat seinen Kampfgeist verloren

Von Jan Arnet

3.10.2019

Valon Behrami verlässt den FC Sion nach nur drei Monaten.
Valon Behrami verlässt den FC Sion nach nur drei Monaten.
Bild: Keystone

Valon Behrami und der FC Sion gehen nach nur drei Monaten wieder getrennte Wege. Weil der Stolz den Kampfgeist eines Kriegers besiegt hat. Ein Kommentar.

Wie heisst es so schön – man sollte dann aufhören, wenn es am schönsten ist. Valon Behrami hat es nach der WM 2018 aber verpasst, sich als Publikumsliebling aus der Schweizer Nati zu verabschieden. Und nun sorgt er gar dafür, dass man sich hierzulande eines Tages nicht nur an den «Krieger» erinnern wird, sondern auch an einen Fussballer mit zu grossem Stolz. 

So macht es zumindest den Eindruck. Denn wie der Tessiner TV-Sender RSI am Mittwochabend berichtet, löst Behrami seinen Vertrag beim FC Sion auf. Am Donnerstag kommt von den Wallisern schliesslich die Bestätigung. Nur drei Monate, nachdem er im Wallis einen Zweijahresvertrag unterschrieb, verlässt er Sion wieder.

Warum? «Valon zeigte sich enttäuscht, dass er nicht sein gesamtes Potenzial ausschöpfen und nicht mit seinem gewohnten Biss spielen konnte», schreibt Sion in einem Communiqué. «Mehrere Gründe haben zu dieser Situation geführt», lässt sich Behrami darin zitieren. Einer dieser Gründe dürfte auch die Missgunst der Sion-Fans sein. Diese pfiffen den Neuzugang vor einer Woche im Spiel gegen St. Gallen (1:2) nach einer schwachen Leistung aus. 



Im Sommer war noch von einem Transfercoup die Rede. Nicht nur für Sion, sondern Behrami galt als Mehrwert für die gesamte Liga. In der Fussball-Schweiz erhoffte man sich viel vom 34-Jährigen, der jahrelang in der Serie A, der Premier League und der Bundesliga spielte. War die Erwartungshaltung aber doch zu gross? Weder bei Udinese, noch bei Watford oder dem HSV war Behramis Zeit in den letzten Jahren von Erfolg gekrönt. Dass Sion nun in der Super League oben mitmischt, ist auch nicht wirklich Behramis Verdienst. Vier ihrer fünf Saisonsiege holten die Walliser ohne den Mittelfeld-Puncher. Mit Behrami konnte Sion in vier Spielen nur vier Punkte einfahren.

Behrami lässt die Fussball-Schweiz im Stich

Obwohl der Tessiner bis vor dieser Saison noch kein einziges Spiel in der Super League absolviert hatte, genoss er in seiner Heimat einen hervorragenden Ruf. Weil er in den grossen Spielen für die Nati stets über sich hinauswachsen konnte. Unvergessen bleibt sein Tor in der WM-Quali 2005 gegen die Türkei. Unvergessen auch seine Balleroberung in der Nachspielzeit gegen Ecuador an der WM 2014, die der Nati den Sieg brachte. Und unvergessen auch, wie er die Brasilianer und speziell Neymar an der WM 2018 das Fürchten lehrte.



Behrami, der im Juli 2018 Lara Gut heiratete, machte sich in der Schweiz einen Namen. Doch der Glanz bröckelt seit rund einem Jahr immer mehr. Erst machte Behrami auf eigene Faust nach 83 Länderspielen Schluss mit der Schweizer Nati, als er öffentlich die beleidigte Leberwurst spielte, weil ihn Vladimir Petkovic nicht für die Spiele in der Nations League aufgeboten hatte, da dieser in diesem Wettbewerb auf junge Spieler setzen wollte. Mit seinem Rücktritt beim FC Sion lässt er jetzt ein Stück weit die ganze Fussball-Schweiz im Stich. Die Super League verliert zweifelsohne einen grossen Namen.

Wo ist Behramis Kampfgeist geblieben?

Haben die Pfiffe der Sion-Fans den stolzen Krieger so sehr gekränkt, dass sie zu einer Kurzschlussreaktion führten? Gut möglich. Dabei schrieb Behrami vor zwei Jahren in einem offenen Brief an die Nati-Fans, die ihren Unmut gegenüber Haris Seferovic äusserten, selbst: «Darf man einen Spieler auspfeifen? Sicher. Der Zuschauer zahlt Eintritt und darf seine Enttäuschung kundtun.» Natürlich verteidigte er seinen Nati-Kollegen dann auch noch und schrieb, dass Seferovic die Pfiffe nicht verdient hätte. Behrami verriet aber wohl schon in diesem Schreiben, wie er sich heute fühlt: «Solche Pfiffe tun nicht nur dem betroffenen Fussballer weh, sondern vor allem dem Menschen.»

Behrami scheint emotional so sehr verletzt zu sein, dass er nicht nur einen Schlussstrich unter sein Sion-Abenteuer setzt, sondern dem Schweizer Fussball gleich komplett den Rücken zukehrt. Er soll RSI mitgeteilt haben, dass es für ihn im Winter nur zwei Optionen gebe: einen Wechsel ins Ausland oder das Karriereende. 

Wo ist da der Krieger in Behrami geblieben, der für seinen Platz in der Mannschaft und um die Gunst der Fans kämpft? In Russland hatte er sich den Respekt einer ganzen Nation dank seiner kämpferischen und aufopferungsvollen Art verdient. Vielleicht wäre es damals, als alles noch so schön war, richtig gewesen, aufzuhören.

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