«Warum das schöne Spiel manchmal hässlich ist», hiess das Thema in der SRF-Sendung «Club». «Bluewin» liefert die Spielanalyse der Protagonisten.
Der Stürmer
Sepp Blatter
Sepp Blatter war der klar dominierende Spieler in der Anfangsphase. So gab sich der Walliser im Leutschenbach-Studio gleich vom Anpfiff weg als Alleinunterhalter: Fast jede Anweisung von Trainerin Barbara Lüthi wurde ignoriert, dafür schnurstracks den Weg zum Tor gesucht, egal wer links und rechts von ihm stand, beziehunsgweise sass, und auf ein Zusammenspiel hoffte. Dafür bot der Routinier (83-jährig), der mit neuem Kniegelenk unterwegs ist, dem Publikum viel Unterhaltung. Für die Intellektuellen gab es Szenen-Applaus für die Analogie von Fussball zum Theater (beides ein Drama mit Einheit von Handlung, Ort und Zeit) und die Hip-Hop-Community hatte sicher Freude, als er zwischen Geld und Ehre sich inbrünstig für das zweite entschied (wegen seiner Klage gegen Infantino).
Tauchte später etwas ab, aber Altmeister Blatter liess immer wieder seine unverwüstliche Klasse aufblitzen. Nicht nur unbequem für den Gegner – Erzfeind Infantino sollte sich vorsehen – sondern auch immer noch brandgefährlich für jede(n) Medienschaffende(n).
Der Aussenläufer
Bernard Thurnheer
Wer Beni Thurnheer bringt, weiss was er bekommt. Wie immer spulte er zuverlässig seine Kilometer auf der Aussenbahn ab. Seine Präsenz ist für die Teamkollegen dennoch wichtig, weil «Beni National» ein Fan von «Joga bonita» ist und so seine ansteckende Begeisterung auch für weniger Fussball-affine Zuschauer transportierte. Der einstige SRF-Superstar versuchte an alter Wirkungsstätte immer wieder, seine brasilianischen Offensivkünste an den Mann/die Frau zu bringen. Manchmal mit brillianten Einfällen – etwa kleinere Fussball-Plätze für Frauen.
Leider schlichen sich zwei grobe Patzer ein, für die man gut und gerne eine Verwarnung kassieren kann: Einerseits verirrte er sich, als er den Zuschauerrückgang im diesjährigen Champions-League-Final mit Pay-TV erklärte (das Spiel war im Free-TV zu sehen), andererseits überdrehte er in seiner Law-and-Order-Laudatio, als er Pyros als Teufelszeug brandmarkte. Während seinem Wutbürger-Anfall und den Erläuterungen, wie man Feuerwerk ins Stadion schmuggeln könne, musste sogar eine weibliche Anatomie-Bezeichnung herhalten (kleines Rätsel: anderes Wort für Katze), um seine Empörung auszudrücken.
Der Mittefeldstratege
Claudius Schäfer
Wenn es eine besonnene und ruhige Stimme im Fussball-Zirkus braucht, lässt man in der Schweiz Claudius Schäfer ran. Der CEO von der Swiss Football League spielt selbst in den stressigsten Momenten ruhig und abgeklärt sein Programm ab. Kombinierte einige Male schön mit Mario Fehr, um die positiven Seiten des Fussballs zu untermauern.
Mit seinen einfachen, aber wohltuenden Statements tat er dem Spiel richtig gut. Konnte oft mit Nadelstichen gegen die Gebahren von UEFA & Co. bei den Zuschauern punkten. Dürfte sich aber dennoch mehr zutrauen und sich noch öfters in die Offensive einschalten. Die Klasse dafür besitzt Schäfer.
Der Verteidiger
Mario Fehr
Kein Wunder, steht Mario Fehr schon lange für seinen Verein «Kanton Zürich» als Sicherheitsdirektor im Einsatz. Verteidigte sein Revier wie eine junge Bärenmutter und liess absolut keinen Angriff auf sein Lieblingskind «Fussball» zu. Mit seinem Ehrgeiz, die Bedeutung des Sports für die Gesellschaft herauszustreichen, machte er sogar Blatter in dessen Ansichten über seine Amtszeit bei der FIFA Konkurrenz.
Auffällig waren für einen Mann mit rotem Klubhintergrund, dass er die Gehälter von Shaqiri & Co. in den Schutz nahm, weil diese Vorbilder für viele Jugendliche seien. Dafür findet er Neymar blöd. Lobte seinen Herzensverein Tottenham für seine Sparsamkeit. Glaubt fest daran, dass Shaqiri bald bei Liverpool den Durchbruch schafft. Nur bei der Aussprache von Nati-Kollege Granit Xhaka (klang mehr wie «Kakà») lag er noch mehr daneben.
Die Technikerin
Meriame Terchoun
Vor Anpfiff befürchteten viele Experten schon, die Spielerin vom FC Zürich sei nur aus taktischen Gründen aufgestellt worden. Holte sich aber gleich bei den Fussball-Romantikern Sympathien ab, als sie von der Champions-League-Überraschungsmannschaft Ajax Amsterdam schwärmte. Versuchte so oft wie möglich, ihre Qualitäten als Frauenförderin auszuspielen und war dort Relais-Station für ihre Teamkollegen. In ihrer Paradedisziplin kämpfte sie mit Ellbogeneinsatz für ihr Anliegen.
Bekam intern viel Kredit/Mitleid, als sie ihren Jahreslohn verriet (maximal 5'000 CHF) und so ihre wahre Liebe für den Fussball offenbarte. Mit der Wahl ihrer Lieblingsfussballer Zinedine Zidane und Ronaldinho bewies sie ihren Sinn für Fussballästhetik. Wenn das 23-jährige Jungtalent immer so souverän auftritt wie gestern, sollte Terchoun bei ihrem Stammklub «Teleclub» unbedingt mehr Spielzeit kriegen.
Der Grätscher
Erich Vogel
Der Mut von Lüthi, Erich Vogel ins Aufgebot zu nehmen, wurde belohnt. Vogel fackelte nie lange und grätschte erbarmungslos dazwischen, wenn es ihm zu bunt wurde. Wie es sich für einen 80-jährigen Strategen gehört, klärte er oft die «Unwissenden» mit seiner Expertise auf. So ist für ihn eine Super-Liga mit den Top-Klubs nur eine Drohkulisse, um die kleineren Vereine zu erpressen. Dafür redete der ehemalige Fussball-Manager den Schweizer Fussball stark («gemessen an der Einwohnerzahl zweitbester Zuschauerschnitt»). Grosses Kino, als er Coach Lüthi mit Frei ansprach.
Eine böse Blutgrätsche war, als er Jugend-Trainer als übermotivierte Zampanos pauschal in die Pfanne haute. Überraschend sanfte und versöhnliche Worte fand Vogel für austickende Fussball-Fans, welche keine «Scheiss-Idioten» seien, sondern wie die meisten Menschen halt gute und schlechte Seiten hätten, die in einer Gruppendynamik schnell zum Vorschein kommen könnten. Fast die gleiche Verhaltensweise konnte man im Studio beobachten.
Die Konzept-Trainerin
Barbara Lüthi
Seit Januar 2018 steht Barbara Lüthi an der Seitenlinie beim «Club». Zuvor stand sie lange in Asien unter Vertrag. Dort hat Lüthi wohl Gelassenheit und Geduld gelehrt, die sie gestern dringend benötigte. Diese Tugenden wurden aber von den listigen Veteranen Blatter und Vogel sowie Genosse Fehr manchmal schamlos ausgenutzt, um ihre eigenen Spielideen auf den Platz zu bringen. So gab es natürlich weniger Raum für die restlichen Spieler.
Mit ihrem dicken Papierstoss auf ihrem Schoss zeigte «Zettel-Lüthi», dass sie sich viel für die 78 Minuten vorgenommen hatte. Mit ihrer Strategie, in der Anfangsphase jeden Ball dem «Bomber» Blatter zuzuspielen, tat sie sich und dem restlichen Team keinen Gefallen. Lüthi hätte instinktiv reagieren und ihre Taktik ändern müssen. Rein fach-technisch wusste sie zwar zu überzeugen, aber es gelang ihr (zu) selten, den Schützlingen ihren Teamgedanken zu vermitteln. Wahrscheinlich war dieses Unterfangen/Vorhaben aber von Anfang zum Scheitern verurteilt. Dafür waren einige Egos der Gäste zu gross, um sich von einer Frau über Fussball belehren zu lassen. Eigentlich der perfekte Beweis für die Problematik von Frauenfussball.
Der Skype-Joker
Marcel Dobler
Der neue Stern am FDP-Himmel. Sorgte mit seinen Leistungen bei Digitec für grosses Aufsehen in der Szene. Neben dem Traditionsklub «Franz Carl Weber» soll er nun die Liberalen zu neuen Höhenflügen antreiben. In der zweiten Hälfte durfte Dobler vor Abpfiff noch kurzeitig als Joker ran. Dobler nutzte seine wenige Minuten und setzte mit einem peppigen Monolog eine Duftmarke. Er forderte drei Tage Gefängnisaufenthalt für Fussball-Chaoten, um so renitente Fans zur Einsicht zu bringen.
Eigentlich logisch, dass ein Digital-Experte wie er die neuste Technik einsetzten will, um bei den Eingangskontrollen die Gesichter der Fans zu überprüfen – weil diese Pyros nutzen. Mitspieler Thurnheer hatte vermutlich viel Sympathie für diese Ansicht. Seine Attacke auf Kollege Fehr scheiterte aber. Fehr liess Dobler gekonnt ins Leere laufen, als der Zürcher Regierungsrat genüsslich seine Erfolge – mit Hilfe der bestehenden Gesetzte – aufzählen konnte. Dobler hat mit seinem Einsatz trotzdem punkten können und dürfte zukünftig öfters im SRF-Studio zu Gast sein.
Fazit:
Trainerin Barbara Lüthi fasste die Sendung am Schluss mit Vogels Worten gleich selbst zusammen: «Fussball bringt das Schönste aus den Menschen heraus und ist wahnsinnig wichtig als Spiel, er kann aber auch seine schlechte Seiten zeigen.» Wahrscheinlich ist der Fussball tatsächlich für diese Talkrunde etwas zu komplex, wenn am Schluss solche Plattitüden herauskommen. Oder um nochmals Vogels Worte zu bemühen: «Wer sich am blödesten aufführt, steht in der Hierarchie zuoberst.» Dieser Eindruck blieb bei den Aussenstehenden nach Spielende haften. Immerhin schüttelte Lüthi nach dem Abpfiff brav die Hände der Spieler. Es blieben also keine bösen Gefühle zurück.
Di 04.06. 22:25 - 23:45 ∙ SRF 1 ∙ CH 2019 ∙ 80 Min
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