«Ich könnte gut auch zuhause bleiben» Klubloser Nati-Star Rodriguez kann sich sogar eine Fussballpause vorstellen

Michael Wegmann

11.7.2024

Tolle EM gespielt, offene Zukunft. Nati-Star Rodriguez ist zurzeit klublos. 
Tolle EM gespielt, offene Zukunft. Nati-Star Rodriguez ist zurzeit klublos. 
KEYSTONE

Nati-Star Ricardo Rodriguez (31) redet exklusiv mit blue Sport über das bittere EM-Aus und seine noch ungeklärte Zukunft. Es soll mit Fussball weitergehen, aber nicht zu jedem Preis. 

Michael Wegmann

Keine Zeit? blue Sport fasst für dich zusammen

  • Am Abend des Halbfinals zwischen Holland und England blickt Nati-Star Ricardo Rodriguez mit blue Sport auf die EM zurück. «Es ist sehr bitter, denn ich hatte das Gefühl, dass wir was Grosses, was Historisches schaffen können.»
  • Derzeit ist Rodriguez klublos. Er wolle gerne weiterspielen, sagt er, aber nicht zu jedem Preis. «Ich unterschreibe nur bei einem Verein, wenn alles passt. Für mich und meine Familie.» 
  • Falls dies nicht der Fall sei, könne er es sich auch gut vorstellen, zuhause zu bleiben und sich um seine kleine Familie zu kümmern, sagt der bald 32-Jährige weiter.

Am Mittwochabend, 90 Minuten vor Anpfiff des EM-Halbfinals zwischen Holland und England, nimmt sich Nati-Verteidiger Ricardo Rodriguez Zeit für ein Gespräch mit blue Sport. Er ist zu Hause in Zürich mit seiner langjährigen Partnerin Nicole und ihrem gemeinsamen Sohn Santiago, der im Dezember drei wird.

Ricardo Rodriguez, es hat nur ganz wenig gefehlt und Sie würden jetzt mit Ihren Nati-Kollegen im Signal Iduna Park in Dortmund gegen Holland um den Finaleinzug spielen...

Ricardo Rodriguez: ... Müssen wir darüber reden? Es ist einfach nur bitter. Wir waren gegen England das bessere Team und so nahe dran. Es ist sehr schade, denn ich hatte das Gefühl, dass wir was Grosses, was Historisches schaffen können. 

Was hat Sie so zuversichtlich gestimmt?

Alles. Bei uns hat in diesen Wochen alles zusammengepasst. Wir hatten einen tollen Spirit und eine super Stimmung in der Gruppe, wir hatten eine optimale Mischung von Routiniers und jungen Spielern und wir haben einen schönen Fussball gespielt. Gegen Deutschland haben wir ein super Spiel gemacht, Italien haben wir auseinandergenommen und auch gegen England hatten wir ein Chancenplus. 

Auch Sie persönlich haben ein hervorragendes Turnier gespielt, blieben in allen fünf Partien quasi fehlerfrei. Die EM in Deutschland war Ihre sechste Endrunde. War es persönlich Ihr bestes Turnier?

Das will ich nicht beurteilen, aber es lief schon sehr gut. 

Sie haben 120 Länderspiele und sind mit mittlerweile 26 Partien Schweizer Rekordspieler an Endrunden. War die Nati in Deutschland die beste Nati seit Sie dabei sind?

Ja, ich würde behaupten, dass dies die beste Truppe war. Wobei an der WM 2014, als wir unglücklich im Achtelfinal gegen Argentinien ausgeschieden sind, waren wir schon auch sehr stark. Das war für mich persönlich übrigens das geilste Turnier bisher. Es war mein erstes und es war in Brasilien – zudem haben wir damals auch einen ganz guten Fussball gezeigt. 

Könnte diese EM Ihre letzte Endrunde gewesen sein?

Wer weiss das schon? Vielleicht. Ich werde im August 32. Vielleicht empfinde ich das Ausscheiden deshalb auch als so bitter, weil mir bewusst ist, dass es mein letztes Turnier gewesen sein könnte. 

War das jetzt gerade eine Rücktrittsankündigung aus der Nationalmannschaft?

Bestimmt nicht. 

Sie sind aktuell klublos. Sind Sie deshalb beunruhigt?

Nein, überhaupt nicht.

Die Gerüchteküche brodelt. Laut Transferexperte Fabrizio Romano hätten sich drei saudische Vereine nach Ihnen erkundigt. Auch Inter habe Interesse, da Trainer Inzaghi ein grosser Fan von Ihnen sein soll. Auch über eine Rückkehr in die Bundesliga wird spekuliert. Können Sie uns helfen?

Nein. Wir werden es genug früh erfahren. 

Ihr Freund Granit Xhaka meinte, dass ein Spieler wie Sie ablösefrei sei, verstehe keiner. Er sagt: «Aufgepasst, ihr Vereine: Schaut, wie er spielt. Er muss einen langfristigen Vertrag bekommen.» Was sagen Sie dazu?

Ich war die letzten drei Jahre Stammspieler und Captain bei Torino. Egal ob in der Nati oder im Klub, ich habe immer geliefert. Das soll jetzt nicht eingebildet tönen, aber ich weiss, was ich kann und welchen Wert ich habe. Ich unterschreibe bei einem Verein nur, wenn alles passt. 

Finanziell?

Auch, aber nicht nur. Auch das Umfeld muss stimmen, für mich und meine Familie. 

Und falls die perfekte Offerte nicht kommt?

Dann könnte ich ganz gut auch zuhause bleiben und mich um meine kleine Familie kümmern. Mehr bräuchte ich nicht, um glücklich zu sein. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe Bock auf Fussball. Es ist das, was ich am liebsten tue und am besten kann. Aber nicht um jeden Preis. Der Klub muss einen Plan haben und das Projekt muss mir zusagen.

Während der EM haben Sie zu blue Sport gesagt, dass Sie sich auch ein Engagement in Saudiarabien vorstellen könnten.

Das ist noch immer so.