Erstmals seit 32 Jahren gelingt den Eisgenossen das Kunststück, Erzrivale Deutschland an einer WM nach Hause zu schicken. Die Presseschau zum Schweizer Triumph im WM-Viertelfinal.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Erstmals seit dem WM-Viertelfinal 1992 in Prag gelingt es der Schweizer Eishockey-Nati, die Erzrivalen aus Deutschland an einem Grossanlass zu eliminieren.
- Während der Traum einer weiteren Medaille nach WM-Silber im letzten Jahr für die Deutschen platzt, schafft die Schweiz erstmals seit 2018 den Sprung unter die letzten Vier. Entsprechend unterschiedlich fällt in den Nachbarländern die Berichterstattung aus.
Deutschland
Der Spiegel: «Deutschlands Eishockeyspieler zerschellen am Lieblingsgegner»
Zuletzt schmiss die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft die Schweiz regelmässig aus dem Turnier. Dieses Mal fehlt der DEB-Auswahl der Punch – und am Ende auch die Qualität.
Deutschland gegen Schweiz ist ein Evergreen der vergangenen grossen Turniere, zuletzt immer mit besserem Ausgang für Deutschland: Im Vorjahr warf Deutschland die Schweizer im Viertelfinal raus und wurde anschliessend Vizeweltmeister. Auch bei der WM 2021 und den Olympischen Spielen 2018 setzte sich Deutschland durch. Die mit vielen NHL-Stars ausgestatteten Schweizer spielen ungern gegen Deutschland. Das könnte sich nun geändert haben.
Süddeutsche Zeitung: «Diesmal gewinnt die Schweiz»
Für Patrick Fischer war das Ergebnis eine Erlösung. Der Trainer der Schweizer schaut für sein Seelenheil gern über den Rand der 1800 Quadratmeter Eisfläche hinaus. Der 48-Jährige spricht mehrere Sprachen fliessend, hat mit Indigenen im südamerikanischen Dschungel gelebt und an schamanischen Ritualen teilgenommen. Fischer ist herumgekommen. Aber nirgends ist ihm ein solch schreckliches Scheusal begegnet wie jene deutsche Mannschaft, die ihn bislang aus allen grossen Turnieren jagte, wenn sich die beiden Nachbarn irgendwo auf der Eishockeywelt begegneten.
Sport1: «Drama! Deutscher WM-Traum platzt»
Die Serie ist gerissen, der Traum von einer weiteren Medaille geplatzt: Nach der ersten Pleite in einem K.o.-Spiel gegen die Schweiz seit 32 Jahren sind die deutschen Eishockey-Vizeweltmeister bei der WM in Tschechien bereits im Viertelfinal gescheitert.
Frankfurter Allgemeine: «Die Schweiz schlägt zurück gegen Deutschland»
Diesmal war aber schon vor dem Spiel etwas anders: Die Ansagen aus dem DEB-Team waren bei Weitem nicht so forsch. 2023 in Riga hatte Marcel Noebels noch getönt: «Der Schweizer freut sich bestimmt nicht, dass der Deutsche wieder vor ihm steht.» Hinzu kamen Psychospielchen: in den Weg gestellte Taschen im Kabinengang, eine extralaut aufgedrehte Musikbox in Richtung der Schweizer Kabine. Mental waren die Deutschen da schon 1:0 in Führung.
Nun in Ostrau gönnte sich lediglich JJ Peterka eine kleine Spitze: «Sie haben vielleicht etwas Angst vor uns, wenn man die letzten Jahre anschaut.» Vielleicht. Etwas. Das klang weniger zuversichtlich. Weil die Schweizer mit all ihren NHL-Stars eben noch stärker besetzt sind als 2023.
ARD: «Deutschland verzweifelt an der Schweiz»
Die im bisherigen Turnierverlauf immer mal wieder wackelige deutsche Defensive überstand da noch die erste Druckphase des Favoriten. Wie schon gegen die Top-Nationen USA (1:6) und Schweden (1:6) in der Vorrunde drohte die deutsche Defensive ohne Weltklasseverteidiger Moritz Seider von den Detroit Red Wings auseinandergenommen zu werden. Zu einfach kamen Josi und Co. zu Torabschlüssen. Und dann patzte das Kreis-Team vor 6'583 Zuschauern ausgerechnet im bisher so starken eigenen Überzahlspiel.
Westdeutsche Allgemeine Zeitung: «Deutsches WM-Pech gegen die Schweiz»
Diesmal war die Schweiz zu clever. Die Eidgenossen haben einen erneuten WM-Coup der deutschen Eishockey-Cracks und den dritten Halbfinal-Einzug binnen vier Jahren verhindert.
Rheinische Post: «Endstation Erzrviale – DEB-Team scheitert im WM-Viertelfinal»
Für die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft ist im Viertelfinal bei der WM in Tschechien Endstation. Ausgerechnet gegen den einstigen Lieblingsgegner kommt der Vizeweltmeister zu spät in Schwung.
Schweizer Medien
Tagesanzeiger: «Ein historischer Befreiungsschlag und eine kitschige Story»
Es ist tatsächlich Schweizer Eishockey-Geschichte, die an diesem frühen Abend in Ostrava geschrieben wird. Gleich zwei mental belastende Ballaststücke kann die Nationalmannschaft abwerfen. Da ist der Sieg gegen Deutschland, diesen Spielverderber Nummer 1 der Schweizer, der sie seit 2018 drei Mal in engen K.-o.-Spielen eliminieren konnte. Es ist sogar der erste Sieg dieser Art gegen den Rivalen seit 1992. Doch da ist mehr: Jener Erfolg vor 32 Jahren in Prag war bislang das letzte Mal gewesen, dass die Schweiz in einem K.-o.-Spiel an einer WM einen sogenannten Kleinen bezwingen konnte!
Diese mentale Herausforderung, bei einer Weltmeisterschaft als (vermeintlicher) Favorit oder nur schon als Gegner auf Augenhöhe in einer Alles-oder-nichts-Situation nicht zu scheitern: Die Schweiz hat sie nun endlich gepackt. Und zwei Fliegen auf einmal geschlagen.
NZZ: «Keine Spur von einem Komplex»
Viertelfinal-Komplex? Deutschland-Komplex? Kein Team für grosse Spiele? Was wurde nicht alles gesagt und geschrieben vor diesem Viertelfinal an der Eishockey-Weltmeisterschaft in Tschechien. Natürlich, all die Bedenken, welche das Eishockey-Nationalteam und seinen Coach in diese entscheidende Turnierphase an der WM hinein begleiteten, hatten einen Grund: die schlechte Erfahrung aus den vergangenen Spielen.
Doch die Geschichte wiederholt sich nur für die Unbelehrbaren. Aus jener Mannheim-Mannschaft sind in diesem Frühjahr in Tschechien nur noch Andres Ambühl, Roman Josi und Nino Niederreiter dabei. Es ist eine andere Schweizer Mannschaft; das Schweizer Eishockey steht im internationalen Ranking an einem anderen Ort. Der Coach kann sich mittlerweile sogar leisten, in einem WM-Viertelfinal mit Philipp Kurashev einen NHL-Spieler auf der Tribüne zu lassen.
Blick: «Fischer ist der ganz grosse Sieger»
Patrick Fischer hat zum zweiten Mal nach 2018 mindestens ein K.o-Spiel gewonnen. Der Sieg gegen die Deutschen ist in letzter Konsequenz mehr als nur ein Halbfinal-Einzug, er entlastet Trainer und Mannschaft auch von dem latenten Vorwurf, es gegen den Erzrivalen einfach nicht gebacken zu bekommen, wenn alles auf dem Spiel steht.
Luzerner Zeitung: «Getanzt, gezittert, gefeiert: Weshalb der Sieg gegen Deutschland Patrick Fischers grösster Triumph ist»
Mit dem besten WM-Team der Neuzeit ausgerechnet gegen Deutschland ein Spiel verlieren, das nach allen hockeytechnischen Erkenntnissen nicht verloren gehen kann – es wäre die Grossmutter, die Mutter und die Tante aller Pleiten.
Patrick Fischer und seine Männer halten diesem maximalen Druck stand. Sie frieren im Schlussdrittel unter der Regie von Roman Josi das Spiel ein (nur 4:5 Torschüsse) und «verwalten» die 2:1-Führung als seien sie Schweden oder Finnen. Sie legen eine taktische Meisterprüfung ab. Mit klarem Konzept in allen drei Zonen. Es ist das defensiv solideste, ausgeglichenste und am besten zwischen Offensive und Defensive ausbalancierte WM-Team der Neuzeit.