Skicross Der ewige Jungbrunnen und eine verblüffende Wellenbrecherin

jos, sda

12.12.2024 - 04:46

Die Skicrosser starten in Val Thorens in die Saison mit der Heim-WM. Altmeister Alex Fiva ist jetzt auch im Training schnell und eine Zürcherin verblüfft in St. Moritz. Die Schweizer im Teamcheck.

jos, sda

Die erfolgsverwöhnten Männer mit den Olympiahelden Ryan Regez (Gold 2022) und Alex Fiva (Silber) blicken auf zwei schwierige Jahre zurück. 2022/23 war Jonas Lenherr als Neunter der beste Schweizer im Gesamtweltcup, 2023/24 hätte es ohne das starke Comeback von Fiva nach einem Kreuzbandriss keiner unter die ersten zehn geschafft. Drei Monate vor der Heim-WM in St. Moritz und weniger als anderthalb Jahre vor den nächsten Olympiarennen in Livigno nahe der Schweizer Grenze sieht es wieder besser aus.

Vier Schweizer werden im März an der Heim-WM antreten können. Im Weltcup müssen sich die Aspiranten auch gegen die interne Konkurrenz beweisen, wobei sich mit Marc Bischofberger der Olympiazweite von 2018 seinen Platz im Weltcup erst noch über eine interne Qualifikation verdienen musste. Jonas Lenherr ist gemessen an seinen Qualitäten ein WM-Teilnehmer, doch der 35-jährige St. Galler verpasst den Saisonstart. Im März hatte er sich das Sprunggelenk gebrochen, eine Infektion nach dem Entfernen der Schrauben bremst ihn nun wieder aus.

Die Frauen überzeugten in der letzten, durch prominente Ausfälle geprägten Saison mit fünf Fahrerinnen in den Top 15. Zwei davon fallen nun aus: Sixtine Cousin, die vor einem Jahr in Innichen ihren ersten Weltcupsieg feierte, verpasst wegen eines Kreuzbandrisses die gesamte Saison, Margaux Dumont, im Februar Dritte auf der Reiteralm, aufgrund eines angerissenen Kreuzbands die halbe. Bei Fanny Smith, Talina Gantenbein und Saskja Lack sind die Vorzeichen gut. Durch die wieder erstarkte Sandra Näslund und die von einer Knöchelverletzung genesene deutsche Daniela Maier sowie einige kanadische Rückkehrerinnen ist die internationale Konkurrenz 2024/25 indes wieder grösser.

Alex Fiva: Kein bisschen altersmüde

39 Jahre alt wird Alex Fiva im Januar. Ein Nachlassen ist, bis auf die Schnelligkeit am Start, bislang nicht festzustellen. Im Gegenteil, sagt Nationaltrainer Enrico Vetsch: «Alex ist voll parat. Er hatte einen tollen Herbst, ist ohne Beschwerden und hat in den Trainings geradezu mit den Gegnern gespielt. Er ist ein Phänomen und ein Glücksfall für unser Team in allen Belangen.» Auch Fiva selbst ist verblüfft: «Es beunruhigt mich fast, dass ich jetzt auch im Training schnell bin. Das ist ungewöhnlich.»

Fivas Hamstring, die ischiokrurale Muskulatur im hinteren Oberschenkel, ist zwar nicht mehr die gleiche wie vor dem Kreuzbandriss. Ansonsten spürt der Weltmeister von 2021 nichts mehr von der Knieverletzung. Auch die Rückenprobleme, die ihn seit längerem begleiten, sind aktuell kein Thema. Der 13-fache Weltcupsieger überlegt sich gar, nach längerem wieder ohne Stützgurt zu fahren. Einzige Einschränkung seit einigen Wochen: Eine hartnäckige Erkältung.

«Maximal zwei Saisons» werde er noch weitermachen, sagt Fiva. Die Olympischen Spiele 2026 in Mailand und Cortina sind ein Ansporn – «aber nur, wenn ich in diesem Winter sehe, dass ich nach wie vor mithalten kann».

Fanny Smith: Zurück zu alter Stärke

Neues, altbewährtes Material und Spezialeinheiten mit den Alpinen: Fanny Smith zog nach einem komplizierten Winter Konsequenzen. Sie wechselte von Völkl zurück zu ihrem früheren Ski-Ausrüster Stöckli und nutzte die freigewordene Zeit für ein dreiwöchiges Trainingscamp mit den alpinen Riesenslalom-Fahrerinnen in Argentinien. Als Skicross-Solistin war sie bei Völkl (zu) viel mit Testen und Materialfragen beschäftigt. Zurück bei Stöckli konnte sie wieder intensiv an ihrer Technik schleifen.

Enrico Vetsch beobachtet einen guten Vorwärtsschritt und spricht von einer «Win-win-Situation». Smiths Feedback an seine Adresse: «Sie war begeistert. Der Abstecher hat ihr gutgetan.»

Ryan Regez: Raus aus dem Seuchen-Halbjahr

Die letzte Saison war für Ryan Regez eine zum Vergessen. Das Comeback nach dem Kreuzbandriss verlief schleppend, mentale Probleme erschwerten die Rückkehr. Vetsch spricht von einem «Seuchen-Halbjahr».

Nun ist der Gesamtweltup- und Olympiasieger von 2022 wieder da. Die Leistungsdaten vom August sind verheissungsvoll: «Nahe an seinen Top-Werten der Saison vor Olympia 2022» sei Regez bei den Tests im August gewesen, sagt Vetsch. Einziges Manko: «Bei schlechtem Wetter und ruppiger Piste mit vielen Schlägen fehlt ihm noch ein bisschen das Vertrauen.»

Talina Gantenbein: Der nächste Schritt

Schienbeinprobleme machten der 26-jährigen Engadinerin in der letzten Saison und noch bis in den Herbst hinein zu schaffen. Ein neuer, individuell abgestimmter Skischuh mit besserer Druckverteilung löste das Problem. Talina Gantenbein fährt nun wieder schmerzfrei und ist bereit für den nächsten Schritt zur regelmässigen Podestfahrerin. Sechsmal schaffte es die St. Moritzerin seit 2020 unter die ersten drei, auf den ersten Sieg wartet sie noch. Klappt es im Winter mit der WM vor der eigenen Haustür?

Vetschs Einschätzung: «Sie hat ein 'brutales' Potenzial, das sie bis jetzt noch nicht ganz ausschöpfen konnte. Wir erwarten nicht nur einen Podestplatz, sondern den Schritt zur konstanten Final-Athletin.»

Saskja Lack: Über die Wellen zur Überraschung

Aufgepasst auf die ehemalige BMX-Fahrerin! Saskja Lack verblüffte mit einem «gespunnenen Herbst». So umschreibt Enrico Vetsch Lacks bärenstarke Leistungen in der Vorbereitung. Insbesondere in St. Moritz glänzte die 24-jährige Zürcherin mit Bestzeiten.

Lack, bis 2018 auch eine ambitionierte BMX-Racerin, war in der Vorsaison dank der ersten zwei Podestplätze und Rang 7 im Gesamtweltcup die zweitbeste Schweizerin. Nun machte sie laut Vetsch noch einmal einen grossen Schritt. Skitechnisch sind noch Verbesserungen nötig, aber über die Wellen – von denen es auf der WM-Strecke in St. Moritz einige gibt – kann Lack wie kaum eine andere Tempo generieren. Wird sie die Überraschungsfahrerin der WM-Saison?