Goalie-Legende im Brennpunkt Ist Manuel Neuer noch der sichere Rückhalt für die Bayern?

Syl Battistuzzi

4.12.2024

Schiedsrichter Harm Osmers zeigt Manuel Neuer gegen Leverkusen die Rote Karte.
Schiedsrichter Harm Osmers zeigt Manuel Neuer gegen Leverkusen die Rote Karte.
Tom Weller/dpa

Manuel Neuer gehörte für lange Zeit zu den besten Torhütern der Welt. Nun mehren sich aber die Anzeichen, dass der 38-Jährige nicht mehr zu den Besten seines Fachs gehört.

Syl Battistuzzi

Seit 2011 steht Manuel Neuer bei Bayern München zwischen den Pfosten. Der bei Schalke ausgebildete Torhüter machte sich beim deutschen Rekordmeister und in der deutschen Nationalmannschaft schnell unverzichtbar. 

Mit seinem offensiv ausgelegten Spielstil war der 1,93 Meter grosse Blondschopf gar so etwas wie ein Vorreiter des modernen Torwartspiels. Selten hat ein Goalie etwa so viel zu einem WM-Triumph beigetragen wie Neuer beim Turnier 2014 in Brasilien. Fünf Auszeichnungen als Welttorhüter (2013/2014/2015/2016/2020) sprechen zudem eine deutliche Sprache. 

Bayern München gibt aktuell in der Bundesliga – im Gegensatz zum Vorjahr – auch wieder eine gute Figur ab. Die Star-Truppe von Vincent Kompany belegt souverän den ersten Platz. Vor allem die Defensive hält endlich wieder dicht: Vor dem 1:1-Remis gegen Dortmund blieb man gar sieben Spiele in Folge ohne Gegentor – eine längere Serie legten in den letzten zehn Jahren nur sieben Teams aus den Top-Ligen hin.

Hamann und Matthäus zählten Neuer an

Umso überraschender war es, dass der frühere Bayern-Profi und blue Sport Experte Didi Hamann Deutschlands Rekordtorhüter (124 Länderspiele) vor dem Kracher gegen den BVB als mögliche Schwachstelle der Münchner ausgemacht hatte.

«Es hat dieses Jahr schon öfter Situationen gegeben, wo Neuer an Toren Schuld war oder wo er Glück hatte (...)», so Hamann. «Das heisst, wenn du Bälle über die Köpfe der Abwehr spielst: Da hat ihn sein Timing das ein oder andere Mal im Stich gelassen.»

Dietmar Hamann sieht Manuel Neuer als mögliche Bayern-Schwachstelle.
Dietmar Hamann sieht Manuel Neuer als mögliche Bayern-Schwachstelle.
Federico Gambarini/dpa

Vor der Serie mit Neuers sieben weissen Westen verloren die Bayern in der Champions League gegen Barcelona mit 1:4. Danach kritisierte Bayern-Legende Lothar Matthäus: «Er ist im Moment nicht der Rückhalt für die Mannschaft, wie er es in der Vergangenheit war. Manuel Neuer ist gerade nicht mehr Manuel Neuer. Denn er hält nicht die unhaltbaren Bälle, sein Torwartspiel hat sich verändert.»

Schlechte Statistikwerte

Zusätzlich tauchen jüngst auch Statistiken auf, die Grund zur Besorgnis liefern. In der Bundesliga wehrte Neuer bis jetzt (12 Spieltage) nur 57,9 Prozent der Schüsse, die auf sein Tor abgegeben wurden, ab. Das ist aktuell der zweitschwächste Wert unter den Stammtorhütern der 18 Bundesligisten.

In der Champions League steht der 38-Jährige nicht viel besser da. So zeigte der Routinier bisher in fünf Spielen (und bei fünf Gegentoren) ganze 4 Paraden – damit gehört Neuer auch in der Königsklasse zu den Schlusslichtern.

Im DFB-Pokal am Dienstagabend leitete Neuer schliesslich mit seinem ungestümen Ausflug das Aus gegen Titelverteidiger Bayer Leverkusen ein. Nach einem langen Ball von Tah hatte der Keeper den heranstürmenden Frimpong mit einem harten Bodycheck ausserhalb des Strafraums gestoppt. Der Bayern-Captain kassierte in seinem  867. Spiel und 21 Saisons als Profifussballer seinen ersten Platzverweis.

Neuer räumt Frimpong ab – und fliegt vom Platz

Neuer räumt Frimpong ab – und fliegt vom Platz

04.12.2024

Spielstil als Grund für Leistungstief?

Natürlich gibt es auch Gründe, wieso Neuer in diesem Herbst oft in den Schlagzeilen steht. Unter Trainer Vincent Kompany steht die Viererkette generell sehr hoch, um ständig Druck zu machen. Die Gefahr: Mit langen Bällen hinter die Abwehrreihe bietet sich viel Raum für die Gegner, um erfolgreiche Konter zu lancieren.

Der oft an der Strafraumgrenze oder gar ausserhalb des Sechszehners stehende Neuer soll die Steilpässe dann abfangen. Kein einfaches Unterfangen, dabei stets das richtige Timing zu finden. Zumal die anstürmenden Spieler oft ein hohes Tempo aufnehmen können.  

Kahns Warnung an Neuer

Nichtsdestotrotz scheint Neuer in der jüngeren Vergangenheit etwas von seinem Nimbus der Unbezwingbarkeit eingebüsst zu haben. Oliver Kahn, der ebenfalls lange bei Bayern und Deutschland das Tor hütete, vermutet auch einen Zusammenhang mit dem Rücktritt aus der Nationalmannschaft.

«Man fällt in ein Loch und fragt sich: Was ist jetzt noch das Ziel, was kann ich noch erreichen. Mich wundert es daher nicht, dass Manuel in dieser Saison noch nicht in jedem Spiel die Leistungen zeigt, die wir von ihm gewohnt sind», meinte Kahn kürzlich und sprach dabei auch über eigene Erfahrungen nach seinem DFB-Rücktritt 2006. Neuer könne immer noch seine Weltklasse abrufen: «Konstant ist das eine grosse Herausforderung. Er muss für sich selbst ein klares Ziel definieren», betonte Kahn.

Oliver Kahn (r) hat einen Rat für Manuel Neuer.
Oliver Kahn (r) hat einen Rat für Manuel Neuer.
Soeren Stache, Sven Hoppe/dpa

Der frühere Vorstandsvorsitzende der Bayern hofft, dass Neuer den richtigen Zeitpunkt für sein Karriereende nicht verpasst. «Keiner will am Ende der Karriere aus dem Stadion gepfiffen werden», so der 55-Jährige. Im kommenden Mai findet das Finale der Königsklasse in der Allianz-Arena statt. Kahn sinniert über das Karriereende von Neuer: «Im eigenen Stadion die Champions League gewinnen, wäre ein perfekter Zeitpunkt.»

Wer steht in Zukunft bei Bayern im Tor?

Der Vertrag von Neuer läuft nach der Saison aus. Mit Alexander Nübel, der in München einen Vertrag bis 2029 besitzt und aktuell bei Stuttgart parkiert ist, steht der designierte Nachfolger theoretisch schon bereit. Vielleicht holen die Bayern-Bosse aber trotzdem einen noch renommierteren Goalie. Immer wieder heiss gehandelt wird dabei Gregor Kobel, der bei Dortmund seit geraumer Zeit überzeugen kann.

Egal, wer der Neuer-Nachfolger eines Tages sein wird: Die Fussstapfen sind gross, wenn nicht riesig in München. So scheiterte etwa Yann Sommer an der Herausforderung, die Lücke nach Neuers schwerer Verletzung (Unterschenkelbruch im Dezember 2022) zu füllen. 

Die langjährige Nummer 1 der Nati flüchtete nach dem Bayern-Intermezzo im Sommer 2023 zu Inter. Und zeigt seither in Mailand seine unbestrittene Klasse. Diese Woche wurde Sommer in Italien als «Torhüter des Jahres» ausgezeichnet.


Ludovic Magnin: «In diesem Haus wurde immer sehr viel gelacht»

Ludovic Magnin: «In diesem Haus wurde immer sehr viel gelacht»

Pilzfrisur, Marco van Basten und eine kleine Narbe – Ludovic Magnin öffnet exklusiv für blue Sport die Türen seines Elternhauses und zeigt sein Kinderzimmer.

26.11.2024