Knallt es bald? Bayern-Coach Thomas Tuchel sägt an seinem eigenen Stuhl

Von Patrick Lämmle

24.10.2023

Thomas Tuchel sieht beim FC Bayern München einige Baustellen.
Thomas Tuchel sieht beim FC Bayern München einige Baustellen.
Keystone

Wer die Berichterstattung der letzten Monate rund um den FC Bayern München durchforstet, der könnte meinen, der Verein stehe am Abgrund. Wie schlimm steht es denn wirklich um den Rekordmeister?

Von Patrick Lämmle

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Bayern München spielt eine solide Saison, ist im DFB-Pokal noch dabei, hat die ersten beiden Spiele in der Champions League gewonnen und in der Liga belegt der FCB Platz 3, der Rückstand auf Leverkusen beträgt nur zwei Punkte.
  • Weil Trainer Thomas Tuchel immer wieder die fehlende Breite im Kader beklagt, weht ihm inzwischen ein rauer Wind entgegen.
  • Es ist deshalb durchaus vorstellbar, dass Tuchel schon bald ein Schicksalsspiel bevorsteht.
  • Schon am Dienstag gilt es für Bayern in der Champions League ernst. Es steht das Auswärtsspiel bei Galatasaray Istanbul an (18:45 Uhr live auf blue Sport).

Schon in der letzten Saison brodelte es bei Bayern München gewaltig, was im März in der Entlassung Julian Nagelsmanns gipfelte. Zum Zeitpunkt seiner Entlassung war der FCB in allen Wettbewerben noch voll mit dabei und mit guten Titelchancen.

Bayern rauschte in der Champions League in einer Gruppe mit dem späteren Finalisten Inter Mailand, Barcelona und Pilsen bei einem Torverhältnis von 18:2 zum Gruppensieg. Im Achtelfinal schalteten Nagelsmanns Mannen die Startruppe von PSG mit dem Gesamtskore von 3:0 aus. Doch dann verlieren die Bayern am 18. März 2023 in der Liga auswärts bei Leverkusen 1:2, während Dortmund einen 6:1-Kantersieg einfährt und damit vor dem anstehenden Direktduell die Tabelle mit einem Punkt Vorsprung auf den Rekordmeister anführt.

Es ist die eine Niederlage zu viel für die Bayern-Führung: Nagelsmann wird entlassen. Der damalige Vorstandschef Oliver Kahn nennt die Entscheidung «wohlüberlegt». Und weiter: «Es ist die Pflicht und unsere Aufgabe, für den sportlichen Erfolg zu sorgen.» Auch der ehemalige Sportvorstand Hasan Salihamidzic stand hinter der Entscheidung.

Tuchels durchzogene Bilanz 

Und siehe da, Bayern München schlägt Dortmund am 31. März 4:2, die Verantwortlichen haben scheinbar alles richtig gemacht. Dabei ging vielleicht vergessen, dass die Bayern auch unter Nagelsmann noch nie gegen Dortmund verloren hatten (3 Siege, 1 Remis).

Danach folgt das böse Erwachen. Bayern verliert im DFB-Pokal zu Hause gegen Freiburg, bleibt im Viertelfinal der Champions League gegen ManCity chancenlos und leistet sich später auch in der Liga mehrere Ausrutscher. Mit der Titelverteidigung klappt es nur, weil Dortmund am letzten Spieltag die Pflicht nicht erfüllt und gegen Mainz 2:2 spielt. Das Torverhältnis entscheidet das Meisterrennen zugunsten der Bayern. Während die Spieler auf dem Platz den neuerlichen Titelgewinn feiern, macht bereits die Meldung die Runde, dass Kahn und Salihamidzic vom Hof gejagt werden.

Bleiben darf dagegen Thomas Tuchel, unter dem mit Blick auf die Resultate bis heute keine positive Entwicklung zu erkennen ist. Und so weht dem Trainer inzwischen ein rauer Wind entgegen. Ständig fordert er Verstärkungen, was Ehrenpräsident Uli Hoeness jüngst als «unklug» kritisierte.

Tuchel gibt seinen zur Verfügung stehenden Spielern damit das Gefühl, den hohen Ansprüchen nicht zu genügen. Ein Booster für das Selbstvertrauen ist das nicht. Besonders schlimm muss die Situation für die Torhüter sein, davon kann der inzwischen bei Inter Mailand gefeierte Yann Sommer ein Lied singen. Schon gegen Ende der letzten Saison schwärmte Tuchel von Manuel Neuers Fortschritten im Training und hoffte auf dessen baldige Rückkehr. Neuer fehlt noch immer, soll aber am kommenden Wochenende in der Bundesliga sein Comeback geben.

Im Sommer holten die Bayern Tottenham-Topskorer Harry Kane, Innenverteidiger Minjae Kim von Italien-Meister Napoli und der Konkurrenz luchste man Konrad Laimer (Leipzig) und Raphaël Guerreiro (Dortmund) ab. Ganz zufrieden war und ist Tuchel mit seinem Kader aber noch immer nicht. Der Trainer fordert mit Nachdruck eine Holding Six, weil er in dieser Rolle weder Joshua Kimmich, Leon Goretzka noch Konrad Laimer als gut genug betrachtet.

Je länger, je mehr, wird Tuchel für seine Dauerkritik am eigenen Kader von mehreren Seiten kritisiert. Der deutsche Ex-Nationalspieler – und seit Neustem Experte bei blue Sport – Dietmar Hamann wurde jüngst sehr deutlich: «Diese ewige Jammerei, ich kann das wirklich nicht mehr hören.» Und so ergeht es vielen Experten. Und wohl auch einigen seiner Spieler.

Thomas Tuchel erhöht den Druck auf sich selbst

Den ersten Titel der Saison hat Bayern schon verspielt, im DFL-Supercup setzte es zum Saisonauftakt eine schallende 0:3-Klatsche gegen RB Leipzig ab. Seither haben die Bayern allerdings kein Spiel mehr verloren, sind im Cup noch dabei und in der Champions League hat Bayern die ersten beiden Gruppenspiele gewonnen.



Am Dienstag (18:45 Uhr live auf blue Sport) soll der nächste Dreier hinzukommen und damit die unglaubliche Rekordserie in der Gruppenphase der Champions League weiter ausgebaut werden. Die Bayern sind in dieser seit nunmehr 36 Partien (drei Unentschieden) ungeschlagen, haben die letzten 15 Spiele allesamt gewonnen. Die letzte Niederlage, ein 0:3 gegen PSG, datiert vom 27. September 2017!

Was, wenn das Spiel in Istanbul verloren geht? Tuchel würde bestimmt die vielen Absenzen beklagen. In der Tat reisen die Bayern aufgrund der immer länger werdenden Verletztenliste mit einem dünnen Kader nach Istanbul. Doch würden die Verantwortlichen dies als Ausrede gelten lassen? Wohl kaum. Dennoch müsste Tuchel kaum seinen Posten räumen.

Danach folgen die Spiele gegen Aufsteiger Darmstadt 98 in der Liga und Saarbrücken (3. Liga) im DFB-Pokal. Ausrutscher sind da nicht zu erwarten. Wenn doch, dann könnte es knallen. Viel wahrscheinlicher ist aber, dass die Partie am 4. November zu einem Schicksalsspiel für Tuchel wird. Dannzumal muss Bayern auswärts bei Dortmund antreten und würde im Falle einer Pleite höchstwahrscheinlich aus den Top 4 verdrängt.

Aktuell sind die Bayern hinter Leverkusen und Stuttgart Tabellendritter, punktgleich mit dem im 4. Rang klassierten Dortmund und nur drei Punkte vor RB Leipzig.