Sarkophag Schreibt ein Schweizer Forscher die Mainzer Stadtgeschichte neu?

dpa/toko

14.11.2019

Bei Ausgrabungen in der Mainzer Johanniskirche fanden Forscher einen Sarkophag. 
Bei Ausgrabungen in der Mainzer Johanniskirche fanden Forscher einen Sarkophag. 
Source: Peter Zschunke/dpa

Die Forscher unter der Leitung des Schweizers Guido Faccani sind sich sicher: Er ist es! Ein Grab in der Johanniskirche in der deutschen Stadt Mainz soll die sterblichen Überreste des Erzbischofs Erkanbald bergen. Muss die Geschichte der über 2000 Jahre alten Stadt nun neu geschrieben werden?

Tausend Jahre ruhte ein Sarkophag unberührt im Boden der Mainzer Johanniskirche, bis er bei Grabungen entdeckt und geöffnet wurde. Fünf Monate später steht für Forscher fest, dass in der steinernen Grabstätte ein Erzbischof bestattet wurde.

«Er ist es», sagte der Schweizer Forschungsleiter Guido Faccani am Donnerstag in Mainz. Bei dem Toten handle es sich «mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit» um Erzbischof Erkanbald, der im Jahr 1021 starb. Die Untersuchung von Textilresten, die bei der Öffnung des Sarkophags gefunden wurden, lasse keinen anderen Schluss zu, erklärte Faccani.

Damit ist für die Wissenschaftler auch erwiesen, dass die heute evangelische Johanniskirche die erste Kathedrale der Bischofsstadt war, vor dem später erbauten heutigen Dom, der seit 1036 Bischofssitz ist. Damit müssten Teile der Mainzer Stadtgeschichte neu geschrieben werden. «Zwei Dome einen Steinwurf voneinander entfernt – das soll den Mainzern erst mal jemand nachmachen», sagte der evangelische Dekan Andreas Klodt. «Mainz am Rhein – die Stadt der zwei Dome.»

Mitglieder des internationalen Forscherteams dokumentieren den geöffneten Sarkophag.
Mitglieder des internationalen Forscherteams dokumentieren den geöffneten Sarkophag.
Bild: Andreas Arnold/dpa (Archivbild)

Faccani sprach von einem «Indizienprozess, wo kleine Mosaiksteine das Ganze bilden». Entscheidend für die zunächst offen gebliebene Identifizierung des Toten waren die im Grab gefundenen Textilreste. Die Textil-Restauratorin Anja Bauer fand heraus, dass der Tote eine Kasel, eine Art Umhang aus Seide, trug, die mit einer Goldborte am Nacken abgeschlossen war. Zudem kam sie zu dem Schluss, dass auf der Kasel ein Wollstoff lag, bei dem es sich um ein Pallium handelt, um das vom Papst direkt verliehene Ehrenzeichen eines Erzbischofs. Auch konnte rekonstruiert werden, dass der Tote mit sandalenartigen Schuhen aus Ziegenleder bestattet wurde. «Das sind Pontifikalschuhe, Schuhe eines Bischofs, die nur zu besonderen Anlässen getragen wurden», sagte Faccani.

Die Konstanzer Anthropologin Carola Berszin ermittelte, dass es sich bei dem Toten um einen Mann handelte, der ein Alter zwischen 40 und 60 Jahren erreichte und etwa 1,82 Meter gross war – «das ist eine ordentliche Körperlänge für die damalige Zeit», sagte die Wissenschaftlerin. Vermutlich habe er an Wohlstandskrankheiten gelitten, da es Anzeichen von Fussgicht gebe. Die Untersuchung von Textilproben ergab, dass diese in der Zeit von 950 bis 1050 hergestellt wurden.

«Das ist für mich ein sehr bewegender Moment», sagte Faccani. «Die Forschungsergebnisse bestätigen unsere ersten Annahmen, die zum Teil sehr kühn waren.» Erkanbald sei der erste Erzbischof von Mainz, der nicht ausserhalb der Stadt, sondern im Zentrum bestattet worden sei. «Dies bedeutet, dass wir hier in der Kirche sitzen, die bis 1036 die Kathedrale von Mainz war.» Als Erzkanzler hatte Erkanbald auch eine politische Funktion am Hof von Kaiser Heinrich II.

Nach dem Befund der im Sommer 2013 begonnenen Grabungen hatte die Johanniskirche einen Vorgängerbau, einen Pfeilerbau, der frühestens im 5. Jahrhundert errichtet wurde. Noch älter sind bauliche Befunde aus dem 2. Jahrhundert, wobei sich eine kirchliche Nutzung aber wissenschaftlich nicht nachweisen lässt. Zu den Forschungsergebnissen rund um den jetzt wieder geschlossenen Sarkophag Erkanbalds ist für Juni kommenden Jahres ein Symposium in Mainz geplant.


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