Schweizer Forscher schlagen Alarm Gletscherschwund ist «Frage des Überlebens» für die Menschheit

dpa/tcar

14.3.2025 - 20:55

Menschen geniessen die Aussicht auf den Aletschgletscher in der Nähe von Goms in der Schweiz.
Menschen geniessen die Aussicht auf den Aletschgletscher in der Nähe von Goms in der Schweiz.
Bild: Matthias Schrader/AP/dpa

Die Eisschmelze hat weltweit teils verheerende Auswirkungen. Zwischen 2012 und 2023 war der Schwund 36 Prozent grösser als in den zehn Jahren davor. Die Vereinten Nationen werfen 2025 ein Schlaglicht auf die Misere.

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  • Weltweit schrumpfen viele der rund 275'000 Gletscher immer schneller.
  • Die Gletscherschmelze hat gravierende Auswirkungen für die Menschheit.
  • Nicht nur der Anstieg des Meeresspiegels könnte zu einer Katastrophe führen.

Weltweit schrumpfen viele der rund 275'000 Gletscher mit alarmierender Rate, sowohl im Gebirge als auch in den polaren Regionen. Zwischen 2012 und 2023 war der Schwund 36 Prozent grösser als in den zehn Jahren davor, zeigt eine Studie der Schweizer Universität Fribourg. Hauptursache ist der menschengemachte Ausstoss von Treibhausgasen, die das Klima erwärmen. Um die Menschheit wachzurütteln, haben die Vereinten Nationen den 21. März neu zum Welttag der Gletscher erklärt. 

Einige der gravierendsten Folgen des Gletscherschwundes:

Trinkwasser

Gletscherschmelzwasser ist ein entscheidender Bestandteil zur Versorgung der Weltbevölkerung mit Trinkwasser. Sie als Trinkwasserquellen zu erhalten, sei eine Frage des Überlebens für die Menschheit, warnt Gletscherforscher John Pomeroy von der kanadischen Universität Saskatchewan. 

Gletscher sind Reservoire, Schmelzwasser nährt etwa in heissen Jahreszeiten Flüsse, die auch zur Bewässerung von Landwirtschaft genutzt werden. Zunächst wächst die Wassermenge durch die schmelzenden Gletscher, aber in Europa könnte der Höhepunkt schon überschritten sein, sagt Gletscherexperte Daniel Farinotti, Professor an der Universität ETH in Zürich und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). 

Trinkwasser läuft aus einem Wasserhahn. Durch die Gletscherschmelze würde viel Trinkwasser fehlen.
Trinkwasser läuft aus einem Wasserhahn. Durch die Gletscherschmelze würde viel Trinkwasser fehlen.
Bild: Felix Kästle/dpa

«Die 273 Milliarden Tonnen Eis, die in einem einzigen Jahr (durch Gletscherschmelze) verloren gehen, entsprechen dem Wasserverbrauch der gesamten Weltbevölkerung während 30 Jahren, wenn man von drei Litern pro Person und Tag ausgeht», zitiert die Universität Zürich den Glaziologen Michael Zemp.

Am Eingang des Genfersees in der Schweiz macht Wasser des Rhone-Gletschers über das Jahr gerechnet etwa 15 Prozent aus, sagt Farinotti. In Europa stammt ein Grossteil des Trinkwassers aus Grundwasser, das vor allem aus Niederschlägen gespeist wird. Welche Rolle Schnee- und Eisschmelze genau für das Grundwasser spielen, wird noch erforscht.

Meeresspiegelanstieg

Die Gletscher haben weltweit seit dem Jahr 2000 jedes Jahr rund 273 Milliarden Tonnen Eis verloren, heisst es in einer neuen Studie unter Leitung der Universität Zürich. Das habe 18 Millimeter zum Meeresspiegelanstieg beigetragen. Darin ist nicht das Schmelzen der kontinentalen Eisschilde Grönlands und der Antarktis berücksichtigt. 

Der jährliche Meeresspiegelanstieg hat sich verglichen mit dem durchschnittlichen Wert des 20. Jahrhunderts seit 2006 auf rund 3,6 Millimeter mehr als verdoppelt, berichtete die US-Klimabehörde Noaa 2023. Tendenz: steigend. Neben Gletscher- und Eisschmelze trägt dazu auch die Ausdehnung des Meerwassers durch Erwärmung bei. Die Noaa geht davon aus, dass der Meeresspiegel Ende des Jahrhunderts rund 30 Zentimeter höher liegt als im Jahr 2000, selbst, wenn die Treibhausgasemissionen in den kommenden Jahrzehnten auf relativ niedrigen Niveau bleiben.

Dramatische Folgen des Gletscherschwunds beim Meeresspiegel.
Dramatische Folgen des Gletscherschwunds beim Meeresspiegel.
Bild: Stefan Sauer/dpa

Bei höherem Meeresspiegel werden Inseln und Küstengebiete überspült, Wohngebiete unbewohnbar und Ackerflächen zerstört. Salziges Meereswasser kann Süss- und damit Trinkwasserquellen kontaminieren, Hurrikans richten bei höherem Wasserstand höhere Schäden an.

Ozeanzirkulation

Das milde Klima in Europa und die Niederschlagsverteilung weltweit wird entscheidend geprägt durch den Golfstrom, Teil der Atlantischen Umwälzströmung (Amoc). Er bringt warmes Ozeanwasser nach Norden, wo es abkühlt und sinkt und so die atlantische Strömung in Gang setzt. Der Weltklimarat IPCC hat gewarnt, dass ein Kollaps der Zirkulation durch unerwartet grosse Mengen an Schmelzwasser aus polaren Gletschern ausgelöst werden könnte. 

Eine wichtige Atlantik-Strömung, zu der auch der Golfstrom gehört, nähert sich womöglich einer kritischen Schwelle.
Eine wichtige Atlantik-Strömung, zu der auch der Golfstrom gehört, nähert sich womöglich einer kritischen Schwelle.
Bild: Felipe Dana/AP/dpa

Eine neue Studie im Fachmagazin «Nature» legt nahe, dass die Amoc womöglich zwar nicht vollständig verschwindet, aber deutlich schwächer wird. «Ob es dann am Ende ein Kollaps oder eine sehr starke Abschwächung ist, macht für die Auswirkungen dieser Veränderung am Ende kaum keinen Unterschied», berichtet aber Jens Terhaar, der an der Universität Bern unter anderem das Ökosystem des Arktischen Ozeans modelliert. «Beides wäre mit extremen Folgen verbunden und man sollte alles unternehmen, um dies zu vermeiden.» 

Biodiversität

Im Gebiet der Berggletscher verändert sich die Biodiversität dramatisch, wenn das Eis schmilzt und die Temperaturen steigen. Wärmeempfindliche Pflanzen und Tierarten müssen höher wandern. Kaltwasserbewohner in Flüssen sind bedroht, wenn ihr Habitat nicht mehr von Gletscherwasser gekühlt wird.

Von Gletschern freigegebene Gebiete dürfen nicht sämtlich als Freizeitgebiet genutzt werden.
Von Gletschern freigegebene Gebiete dürfen nicht sämtlich als Freizeitgebiet genutzt werden.
Keystone

«Manche Arten mögen es nicht, wenn das Wasser warm wird, und Flüsse könnten so weit austrocknen, dass Fische und andere aquatische Lebewesen keine Chance fürs Überleben haben», sagt Farinotti. Das Schweizer Wasserforschungsinstituts Eawag schreibt, womöglich müssten empfindliche Flussbewohner von Menschen auch in höhere Lagen umgesiedelt werden. Dort müssten sie auch geschützt sein. Von Gletschern freigegebene Gebiete dürfen also nicht sämtlich als Freizeitgebiet oder zur Produktion von Energie durch Wasserkraft genutzt werden.

Neue Bakterien oder Pilzarten

Im Gletschereis werden immer wieder unbekannte Mikroorganismen entdeckt. Was passiert, wenn das Eis schmilzt? Chinesische Forschende dokumentierten in Berg- und Polargletschern DNA von mehr als 10.000 Virenarten, die nach ihren Angaben aber keine grosse Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellen. In Schweizer Gletschern und Permafrost hat Beat Frey vom WSL mit Kollegen zehn neue Bakterienarten und eine neue Pilzart entdeckt. 

Ein Blick auf die Schönegg (vorne) und die Berner Alpen. Durch Gletscherschmelze gibt es mehr neue Bakterienarten.
Ein Blick auf die Schönegg (vorne) und die Berner Alpen. Durch Gletscherschmelze gibt es mehr neue Bakterienarten.
Bild: Marcel Bieri/KEYSTONE/dpa

Diese Organismen können Aufschluss über vergangene Klimaveränderungen liefern. Untersucht wird, ob sie womöglich auch im Kampf gegen antibiotikaresistente Keime nützlich sein können. Frey und Kollegen fanden zudem, dass manche Bakterien bestimmte Kunststoffe bei sehr niedrigeren Temperaturen abbauen konnten. «Unsere langfristige Vision ist, eine Lösung für einige globale Probleme zu finden», sagt Frey dem Portal swissinfo.ch.

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33 Kommentare

  1. Mafeba15.03.2025 17:34
    Leute die das sagen sind keine Wissenschaftler oderr sonst welche Gellehrte.Absoluter Quatsch mit Sauce.Die Erde war mehr Eisfrei alsl Eis bedeckt.Klimawandel ist ein natürlicher Zyklus der sich regelmässig wiederholt.Nicht Menschengemacht.CO2 ist dafür nicht verantwortlich,auch bewiesen.Die Glestscher stammen aus der letzten Eiszeit.Alles was auf der Erde ist,verschwindet und kommt wieder.Berge werden flach,Wüsten werden wieder zu Grünflachen usw.Das ist der lauf der Zeit.Die Gletscher verschwinden uns irgendwann wieder da.Mensch kapier endlich.Du bist nicht Herr der Schöpfung.Das ist nur Schöpfer Gott alleine.
  2. Argus4915.03.2025 13:10
    Man kann diese wissenschaftlichen Prognosen weglächeln, vielleicht sind sie tatsächlich nichts anderes als Panikmache.
    Sollten sich diese düsteren Prognosen jedoch bewahrheiten, hat die Menschheit ein Problem, welches dannzumal nicht mit einem einfachen Hebel-Umlegen zu meistern sein wird.
    Es ist ein Spiel mit dem Feuer.
    Wir sollten und den nachfolgenden Generationen zuliebe prophylaktisch einschränken, und nicht erst dann, wenn es zu spät ist.
  3. Kantholz15.03.2025 10:06
    Definition "Eiszeit": Mindestens eine der Polkappen ist vereist. Wir kommen aus einer Eis- in eine Warmzeit. Das war schon zig-mal der Fall. Unter den schmelzenden Gletschern kommen deshalb abgestorbene Wälder zum Vorschein - und trotzdem gibt es uns. Unsere Vorfahren müssen demnach solche "Katastrophen" überlebt haben. Und das auch noch ohne TV und Handy ...
  4. Friekauppau2915.03.2025 09:54
    Zum Glück hat der Mensch keinen Einfluss auf das Klima. Für das Klima ist die Sonne und der Mond zuständig und sonst niemand!
    1. robbingwood081515.03.2025 13:03
      Friekauppau29 umbedingt – und Osterhasi legt die Wester-Eier (oder Oster-, was weiss denn ich)
  5. Freudvoll15.03.2025 09:30
    Diese pseudo Wissenschaftler haben grüne Ideolobie studiert, aber sonst nichts.. Das ganz gab es unzählige Male in der Erdgeschichte und ist gar nichts Neues. Neu ist lediglich die Panikmache gewisser Kreise!!
  6. skifahrer15.03.2025 08:58
    Und gleichzeitig verkünden die Wintersportorte den zweiten Superwinter in Folge.
    1. Goschibupp5415.03.2025 17:52
      skifahrer @Skifahrer Genau es gab mal Superwinter mit grossen Schneehöhen von November bis Ostern. Heute ist das ohne Schneekanonen nicht mehr möglich.
  7. michelebinger15.03.2025 08:54
    Hysterie pur, die Menschheit hat schon mehre Zeiten ohne Gletscher überstanden, aber beim Klima schaltet das Denken immer aus
  8. alh193915.03.2025 08:36
    Man sollte sich lieber darauf konzentrieren und vorbereiten, wie man ohne Gletscher zurecht kommt und ausreichend Wasser hat und nicht diesen nachtrauern.
  9. Gollum7815.03.2025 08:19
    Bin ich froh, dass die Schweiz mit einem Anteil von 0,00004% des gesamten menschengemachten CO2 sich am Klimaschutz beteiligt. Ohne unser Mitwirken wäre die Welt wirklich am Ende.
    1. Ernst_Fischer15.03.2025 08:55
      Gollum78 Die Zahlen sind richtig, und der geneigte Leser darf über die Angstmacherei lachen und das Portemonnaie zücken.
    2. robbingwood081515.03.2025 10:09
      Gollum78 Die Schweiz spielt eine wichtige Rolle als Plattform für weltweiten Rohstoffhandel (und ist Klassenerster apropos Containerschifffahrt).
      Denken hilft.
  10. Hanno15.03.2025 07:23
    Nie in den letzten 10000 Jahren und nie während des gesamten Eiszeitalters war der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre so hoch wie in der Gegenwart. Man studiere auch die Messresultate der letzten 70 Jahren. Ab den 1950er konnte man genaue Messungen machen. Nicht vom Mensch gemacht?????
    1. robbingwood081515.03.2025 10:14
      Hanno Diese Fundi-Flacherdler sind praktisch unkaputtbar

      (in ihrem eng limitierten Auffassungshorizont)