Alkohol am Steuer Viele Menschen halten sich für fahrtüchtig, obschon sie längst betrunken sind

SDA

7.12.2021 - 13:33

Einer Studie zufolge können viele nur schlecht einschätzen, ab wann sie die gesetzliche Promillegrenze zum Autofahren erreicht haben. (Symbolbild)
Einer Studie zufolge können viele nur schlecht einschätzen, ab wann sie die gesetzliche Promillegrenze zum Autofahren erreicht haben. (Symbolbild)
Keystone

Zu viele Menschen glauben, dass sie trotz Bier- und Weinkonsum noch ein Auto lenken können. Ein feuchtfröhliches Experiment stimmt Mediziner*innen jedenfalls sorgenvoll.

Ein Gläschen kann doch nicht schaden, oder doch? Beim Trinken von Alkohol unterschätzen die meisten Menschen ihre Trunkenheit. Überschätzt wird hingegen die eigene Fahrtauglichkeit. Das haben Mediziner*innen an der deutschen Universität Witten-Herdecke in einem alkoholschwangeren Experiment herausgefunden und im Fachmagazin «Harm Reduction Journal» beschrieben.

90 Teilnehmer aus Deutschland – mit guter körperlicher Fitness und durchschnittlich 24 Jahre alt – betranken sich für die Studie unter kontrollierten Bedingungen mit Bier und Weisswein. Sie sollten dabei einschätzen, wann sie die gesetzliche Promillegrenze zum Autofahren erreicht hatten. Wie in der Schweiz liegt diese in Deutschland bei einem Wert von 0,5 Promille. 

Alkohol am Steuer stellt den Experten zufolge trotz vieler Aufklärungsbemühungen weltweit noch immer ein hohes, aber vermeidbares Unfall- und damit Gesundheitsrisiko dar. Laut Touring Club Schweiz (TCS) sind in der Schweiz 17 Prozent der Verkehrsunfälle mit Schwerverletzten und Todesopfern auf Alkohol zurückzuführen. Der TCS rät «grundsätzlich davon ab, unter Alkoholeinfluss ein Motorfahrzeug zu lenken».

Selbstüberschätzung ist keine Geschlechterfrage

Die Proband*innen sollten bei dem Versuch so lange trinken, bis sie ihrer Meinung nach die Promillegrenze erreicht hatten. Am ersten Studientag meldeten sich 39 Prozent der Teilnehmenden erst, nachdem sie schon über der Schwelle waren. Am zweiten Studientag waren es sogar 53 Prozent, die zu viel getrunken hatten. Einige Proband*innen überzogen das Limit sogar sehr deutlich – und hielten sich noch immer für fahrtüchtig.

Die Ergebnisse seien unabhängig davon gewesen, ob die Probanden zuerst Bier oder Wein getrunken hatten. Auch das Geschlecht habe keinen wesentlichen Unterschied bei der Fähigkeit zur Selbsteinschätzung gemacht, heisst es in der Studie.

Im Experiment wurden durchschnittlich 1,4 Liter Bier in etwas über zwei Stunden getrunken, bis die Promillegrenze überschritten war. Beim Weisswein genügte eine knappe Flasche – «wobei davon auszugehen ist, dass der nach mehr als zwei Stunden gemessene Atemalkoholwert von dann jeweils 0,6 Promille auch nach Trinkstopp weiter ansteigt, weil der Alkohol erst nach und nach ins Blut übergeht», sagte Studienleiter Kai Hensel der Deutschen Presse-Agentur. 

Gewisse Lerneffekte erkennbar

«Die Häufigkeit der Fehleinschätzungen muss uns deshalb Sorgen machen, weil im Strassenverkehr ja wenige reichen, um schwerwiegende Unfälle auszulösen», so Hensel. Zudem habe sich gezeigt: Je mehr die Probanden tranken, desto weiter wich ihre Selbsteinschätzung von den tatsächlichen Messwerten ab.

«Allerdings gibt die Studie auch Hinweise auf gewisse Lerneffekte, sodass wir glauben, dass es durchaus helfen kann, das eigene Bewusstsein für den Effekt von Alkohol auf die Fahrtüchtigkeit zu schärfen», sagte Hensel weiter. Es sei daher sinnvoll, bei Aufklärungskampagnen erfahrbar zu machen, wie schnell das eigene Limit in Sachen Fahrtüchtigkeit erreicht sei – etwa durch Teststationen in Bereichen, wo Alkohol getrunken werde.

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