Milliarden-Loch bei den SBB«Wenn man so baut, muss man sich nicht wundern»
Philipp Dahm
30.11.2024
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Guido Schoch von Swiss Railvolution hat es ja gesagt – aber keine wollte es hören: Das 14-Milliarden-Loch beim SBB-Ausbau kommt laut dem Experten nicht von Ungefähr. Die Gründe für das Desaster erfährst du hier.
Philipp Dahm
30.11.2024, 00:00
Philipp Dahm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Der Ausbau der Bahninfrastruktur bis 2035 soll neu 30,4 statt 16,4 Milliarden Franken kosten. Viele sind davon überrascht.
Nicht so Guido Schoch vom Verein Swiss Railvolution: Das Grundproblem sei, dass ein Langzeit-Plan fehle, der auf einer neutralen Evaluierung der Anforderungen beruht.
Stattdessen würden die Kantone ihre eigenen Interessen im Kopf haben und Forderungen stellen, ohne den Nutzen zu beachten.
Schoch kritisiert vor allem Millionenprojekte wie den Tunnel zwischen Zürich und Aarau oder den Umbau der Bahnhöfe in Luzern und Basel.
Züge doppelt so häufig fahren zu lassen, verursache auch doppelte Kosten. Stattdessen müssten die SBB auf Geschwindigkeit setzen.
Herr und Frau Schweizer, aber auch viele Politikerinnen und Politiker sind baff. Der Ausbau der Bahninfrastruktur bis 2035 soll neu 30,4 statt 16,4 Milliarden Franken kosten. Selbst der Präsident der nationalrätlichen Verkehrskommission hat nicht damit gerechnet. «Ich bin ehrlicherweise sehr erschrocken über diese Kostensteigerungen», sagt Philipp Kutter im SRF.
Und weiter: «Dass man gewisse Kostensteigerungen akzeptieren muss, das bin ich mir gewohnt. Aber dieses Ausmass hätte ich nie erwartet.» Fabian Peter spricht von einem «grossen Schock»: «So kann man das nicht einfach akzeptieren und stehenlassen», meint der Präsident der Schweizer ÖV-Direktoren von der FDP.
Guido Schoch ist dagegen nicht besonders überrascht von der jüngsten Hiobsbotschaft: Der frühere Direktor der Verkehrsbetriebe Zürich ist nicht nur Mitglied im Zentralvorstand von Pro Bahn Schweiz, sondern auch einer der Vizepräsidenten des Vereins Swiss Railvolution.
Schoch kritisiert «Lobbying» der Kantone
Schoch hat das Desaster kommen sehen. «Es wird nämlich nicht dort investiert, wo der grösste Kundennutzen entsteht, sondern hauptsächlich dort, wo die Kantone das beste Lobbying betreiben und am lautesten rufen», rechnet der Bahn-Fan im «4x4 Podcast» mit den Ausbauplänen ab.
«Die Politik muss endlich erkennen, dass sie nicht zuerst über Infrastrukturen diskutieren muss, sondern über Angebote. Es muss nämlich dort gebaut werden, wo das Angebot den grössten Kundennutzen stiftet. Niemand würde ein Haus bauen, ohne genau zu wissen, wofür er es braucht», ärgert sich Schoch.
Es fehle ein «gesamtschweizerisches, langfristiges, konsistentes Angebotskonzept», kritisiert der Zürcher. Dieses müsse auch über den geplanten Zeitraum bis 2035 hinaus denken. Der bisherige Plan sei ein «Flickwerk», bei dem das Motto «Immer mehr vom Gleichen» gelte.
Kein echtes Gesamtkonzept?
Die SBB wehren sich, dass wegen der Zeit, die bis zu Fertigstellung eines Ausbaus vergehe, diverse Projektanpassungen vorgenommen werden müssten, die in der Folge die Kosten in die Höhe trieben. «Aber damit sind wir genau beim Punkt», meint Schoch.
Er verweist auf die für ihn mangelhafte Langzeit-Planung, die sich dann auch noch auf «isolierte Einzelprojekte» stütze. Mit «Pflästerli» würden die SBB versuchen, ihre Ziele für 2035 zu erreichen. «Es braucht wirklich ein Konzept für die ganze Schweiz, zum Beispiel auf der Ost-West-Achse.»
Was meint Schock konkret? «Man macht dort einen Bahnhofsausbau, man plant einen Tunnel zwischen Zürich und Aarau, aber was im anschliessenden Nadelöhr Olten passiert, ist nicht bekannt. Wenn man so baut, baut man entweder zu viel oder zu wenig, aber sicher nicht das Richtige.»
«Jeder Kanton will möglichst viel für sich herausholen»
Weitere Beispiele seien die geplanten Tiefbahnhöfe in Basel und Luzern. Diese würden zusammen «gegen 15 Milliarden» Franken kosten, weiss der Manager. Für den oben genannten Tunnel seien sieben Milliarden Franken veranschlagt. «Aber all' diese Projekte sind nicht in einem gesamtschweizerischen Angebot hinterlegt», mahnt Schoch.
«Einmal mehr fordert man Infrastrukturen, bevor man weiss, was die Anforderungen sind. Wenn man so baut, muss man sich nicht wundern, wenn die Kosten aus dem Ruder laufen», fährt der frühere Bänker fort. Er fordert eine wissenschaftliche Untersuchung, die neutral erhebt, welche Massnahmen wirklich nötig sind.
Sein Verein Swiss Railvolution und er hätten schon zuvor auf die Probleme aufmerksam gemacht. «Es wurde einfach zu wenig oder überhaupt nicht beachtet», gesteht der frühere VBZ-Chef. Und nun sitze «die Politik vor dem grossen Topf für das Ausbau-Projekt, in dem anscheinend viel Geld ist, und jeder Kanton versucht, möglichst viel für sich herauszuholen».
«Geschwindigkeit ist ein echter Marktvorteil»
Trotz grosser Investitionen stagniere der Bahnanteil gegenüber der Strasse. Die Bahn habe vor allem die Vorteile Geschwindigkeit und Flächen-Effizienz, so Schoch. «Geschwindigkeit ist ein echter Marktvorteil gegenüber der Strasse. Die Häufigkeit dämpft lediglich den Systemnachteil: Mit dem Auto kann ich jederzeit abfahren und muss nicht auf die Bahn warten.»
Mehr Züge in kürzeren Abständen würden mit Blick auf Personal und Material auch mehr Kosten bedeuten. Mehr Geschwindigkeit würde dagegen die Produktivität erhöhen und Ausgaben einsparen. Die Verdichtung durch mehr Züge mache den Fahrplan dagegen komplexer und würden auch mehr Infrastruktur-Kosten verursachen.
Und nun? Nationalrat Kutter will Albert Rösti und die Führung der SBB in die Verkehrskommission einladen, um über den Ausbau zu diskutieren.
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