Nicht nur wegen CoronaFachkräfte sind weniger gesucht – trübe Aussichten am Stellenmarkt
ys
27.11.2020 - 15:54
Die Lage am Arbeitsmarkt spitzt sich zu: Die Gesamtbeschäftigung sinkt, und es werden auch weniger Fachkräfte gesucht. Die Gründe dafür liegen nicht nur in der Corona-Krise.
«Der Fachkräftemangel hat zum ersten Mal, seit wir diese Studie machen, abgenommen. Das bedeutet, dass wir zwar immer noch einen Mangel an Fachkräften haben. Die Zahl der Stellen, die ausgeschrieben werden, hat jedoch sichtbar abgenommen», beschreibt Monica Dell’Anna im Interview bei «SRF», wie die Corona-Krise die Lage auf dem Schweizer Arbeitsmarkt verändert.
Die Schweiz-Chefin des Personaldienstleisters Adecco sieht die grössten Veränderungen im Vergleich zum Vorjahr «im Überangebot von Fachkräften in den kaufmännischen und administrativen Berufen.» Auch in der Reinigungsbranche, den kosmetischen Berufen oder im Bereich der Gastronomie und Hotellerie habe die Corona-Krise nachhaltige Auswirkungen.
Zwischen 2016, als der Fachkräftemangel-Index, den Adecco in Zusammenarbeit mit der Universität Zürich erhebt, zum ersten Mal erschienen ist, und 2019 nahm der Fachkräftemangel jährlich zu. Im Jahr 2020 sank der Index nun erstmals – und zwar gleich um 17 Prozent.
Stellenmarkt schrumpft insgesamt
Auch insgesamt ist der Stellenmarkt in der Schweiz rückläufig, wie das Bundesamt für Statistik (BFS) mitteilt. Im dritten Quartal dieses Jahres wurden 5,138 Millionen Beschäftigte gezählt. Die Zahl der Stellen sank damit innert Jahresfrist um 0,4 Prozent. Die Aussichten für das nächste Quartal seien gemäss BFS nach wie vor nicht sonderlich gut.
Der Fachkräftemangel-Index stützt die Zahlen des BFS. In den meisten Berufen sinkt demnach die Zahl der offenen Stellen, während die Zahl der Stellensuchenden steigt. In Berufen mit einem Fachkräfte-Überangebot verschärft sich damit die Lage für Stellensuchende weiter.
Die Corona-Krise sei aber nur ein Grund dafür: «Die Unternehmen streichen Stellen, auf die man relativ einfach verzichten kann, beispielsweise solche, die nicht umsatzrelevant sind», erklärt Monica Dell’Anna und weist auf einen zweiten Grund hin. Dieser habe eine nachhaltige, strukturelle Wirkung: die Digitalisierung.
«Viele administrative Aufgaben werden automatisiert. Hinzu kommt, dass viele Stellen ins Ausland ausgelagert werden, deshalb gibt es entsprechend ein kleineres Stellenangebot in der Schweiz», analysiert Dell'Anna. Und davon seien besonders die kaufmännischen Berufe betroffen. Um einen Job in diesem Bereich zu finden, sei «es wichtig, dass man sich weiterbildet – vor allem in Digitalisierungsbereichen – oder eine Sprache lernt. Damit kann man fast nichts falsch machen.»
Verunsicherte Unternehmen
Allerdings besteht in einigen Branchen nach wie vor ein Fachkräftemangel, wie der Index zeigt: «Am Fachkräftemangel in Berufen wie dem Ingenieurwesen, der Informatik, der Technik oder der Medizin hat die Corona-Krise wenig geändert», heisst es bei Adecco. So habe etwa auch die Mobilität von Fachkräften wegen der Verunsicherung durch Reisebeschränkungen abgenommen.
Auch in Berufen, die im Allgemeinen nicht von einem Fachkräftemangel betroffen sind, fehlten Spezialisten. So seien gut ausgebildete Pflegefachkräfte, insbesondere solche mit Spezialisierung Intensivpflege, aktuell sehr gesucht.
Derweil würden die Unternehmen bei der Einstellung von Mitarbeitern bereits auf ihre Erfahrung im Zuge der Pandemie aufbauen. Die erste Welle der Covid-19-Pandemie habe die Unternehmen verunsichert, sodass sie nur noch zögerlich oder zeitweise gar kein neues Personal eingestellt hätten, kommentiert Monica Dell'Anna. «In der zweiten Welle können sie dagegen auf ihren Erfahrungen aufbauen. Sie rekrutieren nun trotz der einschränkenden Massnahmen wieder vermehrt Personal.»