Bitcoin und Co. im Sinkflug «Ich bin arm!» – Warum der Kryptomarkt einbricht wie nie

dpa

18.6.2022 - 16:21

Nicht nur Bitcoin ist gerade im freien Fall.
Nicht nur Bitcoin ist gerade im freien Fall.
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Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether sind für ihre starken Kursschwankungen bekannt. Am Samstag ging es erneut steil bergab. Gründe gibt es viele. Manche sind eher kurzfristiger Natur – andere nicht.

99 Prozent eines Investments zu verlieren, das ist eine bittere Pille – selbst für den elfreichsten Mensch der Welt. Changpeng Zhao ist der Geschädigte und zumindest nach einem Tweet von Mitte Mai zu urteilen «wieder arm». Noch im April konnte sich der chinesische Geschäftsmann angesichts seiner Finanzspritze in das Währungspaar Terra/Luna beruhigt zurücklehnen. Der Startbetrag von 300 Millionen Dollar hatte sich zwischenzeitlich auf 1,6 Milliarden Dollar potenziert.

Von der Aufbruchsstimmung ist mittlerweile nichts mehr übrig. Der Grund dafür ist ein bis dato beispielloser Absturz von Kryptowährungen, der viele Anleger hart trifft. Für Zhao sind 99 Prozents seines Investments vorerst Geschichte.

Seit Zhaos Tweet voller Galgenhumor dürfte seine Stimmung und die vieler anderer Anlegerinnen und Anleger noch negativer geworden sein. Am Samstag büsste ein Bitcoin, die älteste und nach Marktwert grösste Digitalwährung, erneut ein und fiel unter die Marke von 20.000 US-Dollar. Die Nummer zwei am Markt, Ether, sank unter die Schwelle von 1000 Dollar. Der Marktwert aller rund 19.900 Kryptoanlagen ging weiter zurück.

Ein Bitcoin kostet damit so wenig wie zuletzt Ende 2020, der Ether-Kurs hatte zuletzt Anfang 2021 so niedrig gelegen. Das Marktvolumen aller derzeit existierenden Kryptowährungen fiel laut Coinmarketcap auf 832 Milliarden Dollar. Das ist weniger als ein Drittel des im November markierten Rekords von fast drei Billionen Dollar.

Verheerende Jahresentwicklung im Krypto-Sektor

Lösen sich die von Kritikern als Luftschlösser verschrienen Digitalwährungen also in Rauch auf? Ist der Krypto-Hype an seinem Ende angelangt? Prominente Skeptiker gibt es zuhauf. Angesichts des aktuellen Sinkfluges von Bitcoin und Co. dürften sie sich bestätigt fühlen. Nicht zuletzt zählt sich Christine Lagarde, die Chefin der Europäischen Zentralbank, dazu. «Nichts wert» seien die Assets, polterte die 66-Jährige Ende Mai.

Die Jahresentwicklung vieler Digitalwährungen fällt verheerend aus. Seit Jahresbeginn hat der Bitcoin fast 60 Prozent seines Werts eingebüsst, Ether hat sogar mehr als 70 Prozent an Wert verloren. Besonders in den vergangenen Wochen nahm die Abwärtsspirale wegen der allgemein schlechten Stimmung an den Finanzmärkten an Fahrt auf.

Die Gründe für die hohen Kursverluste in den vergangenen Monaten sind zum einen ökonomischer Natur: Auf der ganzen Welt heben viele Notenbanken ihre Leitzinsen an, um der hohen Inflation Herr zu werden. An den Kapitalmärkten steigen deshalb die Zinsen in historisch hohem Tempo. Riskante Anlagen, zu denen Kryptowerte gehören, werden durch die Entwicklung belastet, weil sie keine laufenden Erträge abwerfen. Im Gegensatz dazu werden etwa festverzinsliche Wertpapiere wieder lukrativer.

«Viele Akteure am Kryptomarkt sind verunsichert»

In diesem ohnehin ungünstigen Umfeld wiegen sich häufende Probleme im Sektor besonders schwer. So lastet seit einiger Zeit auf der Stimmung, dass der Krypto-Kreditgeber Celsius Network Auszahlungen und Überweisungen pausiert hat. Spekulationen über Kryptoriesen in Geldnot tun ihr Übriges. Vor einigen Wochen hatte bereits ein Kurseinbruch bei einer als eigentlich stabil konstruierten Internetdevise, dem sogenannten Stablecoin TerraUSD, für grosses Aufsehen gesorgt.

Der Krypto-Hedgefonds Three Arrow Capital – zwischenzeitlich für etwa zehn Milliarden Dollar zuständig – sorgte mit einem vagen Statement auch nicht unbedingt für Ruhe. Der Gründer kommentierte die derzeitige Lage lediglich schwammig: «Wir sind entschlossen, das zu schaffen».

Kryptowährungen wie Bitcoin haben derzeit einen schweren Stand.
Kryptowährungen wie Bitcoin haben derzeit einen schweren Stand.
Bild: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa-tmn/Illustration

«Viele Akteure am Kryptomarkt sind verunsichert», bestätigte Fabian Schär, Professor für Finanzen an der Universität Basel, in einem Interview mit dem «Spiegel». Der Absturz des Stablecoin-Paares Terra USD und Luna seit laut des Experten nicht überraschend gewesen. Er hätte aber eine Kettenreaktion in Gang gebracht: Investoren seien bemüht, Verluste auszugleichen, indem sie Assets abstossen. «Das drückt die Kurse», erläuterte Schär. 

Der Bitcoin und andere Digitalwährungen sind traditionell starken Schwankungen ausgesetzt, in den vergangenen Jahren gab es bereits mehrere sogenannte «Krypto-Winter» etwa 2014 und 2018, in denen die Kurse stark einbrachen, bevor es später wieder aufwärts ging. Diesmal zeichnet sich allerdings noch ein schwierigeres wirtschaftliches Umfeld als damals ab.

Agenturen/twei

dpa