FinCEN-FilesDas müssen Sie zum neuesten Geldwäscherei-Skandal wissen
tafu
21.9.2020
Woher stammen die Daten aus den FinCEN-Files und worum geht es dabei? Was bedeutet Geldwäscherei und wie wird in der Schweiz dagegen vorgegangen? Wir beantworten die zentralen Fragen zu den Enthüllungen.
400 Journalisten aus 90 Ländern veröffentlichten am Sonntag ihre Recherchen über ein neues Datenleak des US-Finanzministeriums. Die Daten und Dokumente offenbaren gravierende Probleme bei der Bekämpfung von Geldwäscherei.
Es geht um grosse namhafte Banken aus aller Welt, die Umgehung von Anti-Geldwäscherei-Vorkehrungen, Korruption und kriminelle Machenschaften. Wir haben Ihnen die wichtigsten Fragen und Antworten zu den FinCEN-Files zusammengetragen.
Was sind die FinCEN-Files?
Der Name des Rechercheprojekts – also «FinCEN-Files» – basiert auf der dem amerikanischen Finanzministerium unterstellten US-Behörde Financial Crimes Enforcement Network (kurz: FinCEN). Deren Mitarbeitende überwachen Überweisungen, um Geldwäscherei, Terrorfinanzierung und andere Verbrechen aufzudecken und zu bekämpfen.
Verdächtig erscheinende Überweisungen müssen von Banken mit Sitz in den USA umgehend an diese Behörde gemeldet werden. Dies wird als «Geldwäschereiverdachtsmeldung» bezeichnet. Allerdings hätten diese Meldungen oft reinen Pro-forma-Charakter, so die «Süddeutsche Zeitung». Grund sei eine chronische Unterbesetzung der mit der Prüfung betrauten Behörden.
Worum geht es bei den FinCEN-Files?
Zusammengefasst zeigen die Enthüllungen, dass zahlreiche Banken aus der ganzen Welt Überweisungen dubioser Kunden in Höhe von Hunderten Milliarden Dollar pro Jahr vornehmen. Das, obwohl die Banken selbst die Vermutung hegen, dass dadurch Geld von Terrorgruppen, korrupten Oligarchen und anderen Kriminellen in Umlauf gebracht wird.
Die Daten betreffen Überweisungen aus den Jahren 1999 bis 2017 sowie Geldtransfers in Höhe von zwei Billionen Dollar. Durch die Recherchen wurde aufgedeckt, dass sowohl Banken – darunter die US-Grossbank JP Morgan Chase oder die HSBC-Bank – als auch Behörden häufig tatenlos zusehen, wie Kriminelle weltweit Geld verschieben.
Bei den geleakten Informationen handelt es sich um über 2’100 Geldwäschereiverdachtsmeldungen sowie interne Berichte des US-Finanzministeriums. Sie wurden dem US-Onlinemedium Buzzfeed News zugespielt, welches sie mit dem International Consortium of Investigative Journalists und mehr als 400 Journalisten geteilt hat. Angaben zur genauen Herkunft der Unterlagen werden aus Gründen des Quellenschutzes nicht gemacht.
Was hat der amtierende US-Präsident Donald Trump mit den Leaks zu tun?
Nach Berichten der «Süddeutschen Zeitung» sind die meisten in den FinCEN-Files genannten Geldwäschereiverdachtsmeldungen Teil der Unterlagen, die Robert Mueller, damaliger US-Sonderermittler, zusammengetragen hat. Er hatte 2017 bis 2019 mögliche illegale Beziehungen von Trumps Wahlkampfteam zur russischen Regierung untersucht.
So gehe aus den Daten unter anderem hervor, dass der frühere Wahlkampfmanager von Donald Trump, Paul Manafort, aus dem Ausland Geld über geheime Briefkastenfirmen bekommen und es der US-Steuerbehörde verheimlicht hatte.
Was ist überhaupt Geldwäscherei?
Die Vereinten Nationen schätzen, dass täglich im Schnitt bis zu 5,5 Milliarden Dollar aus schmutzigen Geschäften gewaschen werden, schreibt die «Süddeutsche Zeitung».
Unter Geldwäscherei wird die Einschleusung von illegal erwirtschafteten Geldern in den legalen Finanzkreislauf verstanden. Grosse Summen, die in der Organisierten Kriminalität durch Drogen- oder Waffenhandel, Prostitution, Korruption oder illegales Glücksspiel verdient werden, müssen «reingewaschen» werden. Nachdem sie durch verschiedene Konten und Firmen geschleust wurden, ist am Ende nicht mehr nachzuvollziehen, woher die Gelder stammen und wem sie gehören.
Wie sieht es in der Schweiz aus?
Laut der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) ist der Finanzplatz Schweiz Geldwäscherei-Risiken besonders ausgesetzt, da er ein weltweit führender grenzüberschreitender Vermögensverwaltungsstandort für Privatkunden darstellt. Obwohl viele Banken ihre Geldwäscherei-Prävention verbessert haben, vermehrt verdächtige Vermögenswerte erkennen und diese der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) melden, bleibt das Risiko gemäss FINMA hoch.
So hat die MROS laut ihrem Jahresbericht für 2019 im vergangenen Jahr auf der Grundlage von 7’705 Meldungen über 2’000 Berichte an die Strafverfolgungsbehörden verfasst. Dies entspricht Vermögenswerten in Höhe von 12,9 Milliarden Franken. Vorwiegend stammen die Gelder aus mutmasslichen Betrugs- und Korruptionsdelikten.
Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, haben mehrere Verdachtsmeldungen einen Bezug zur Schweiz. In den Details zu verdächtigen Geldtransaktionen werden zahlreiche Schweizer Banken wie die Credit Suisse, die UBS, Bank Vontobel, Raiffeisen, Pictet, Julius Bär, Bank Sarasin und die Zürcher Kantonalbank aufgeführt. Zudem finden zahlreiche in der Schweiz ansässige Auslandsbanken in den FinCEN-Files Erwähnung.
Dabei handelt es sich allerdings nur um Verdachtsfälle, nicht zwingend um kriminelle Gelder. US-Banken melden oft verdächtige Fälle, bei denen sie wegen des Bankgeheimnisses aus der Schweiz oder anderen Drittstaaten keine Informationen erhalten.
Wie wird Geldwäscherei in der Schweiz verhindert?
In der Schweiz erfolgt die Bekämpfung der Geldwäscherei auf Grundlage «des Geldwäscherei-Gesetzes, des Strafgesetzbuches sowie der relevanten ergänzenden Bestimmungen in weiteren Gesetzen, in welchen die internationalen Standards umgesetzt werden», heisst es beim Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA).
Verdachtsmeldungen bezüglich Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung werden durch die MROS im Bundesamt für Polizei von Finanzintermediären entgegengenommen und allenfalls an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet. Ausserdem überwachen die FINMA und die Eidgenössische Spielbankenkommission (ESBK) die Einhaltung der Sorgfaltspflichten durch die ihnen unterstellten Finanzintermediäre.
Auf internationaler Ebene engagiert sich die Schweiz vornehmlich in der «Groupe d’action financière» (GAFI). Die 40 Empfehlungen der GAFI, die die international anerkannten Standards im Bereich der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung bilden, hat die Schweiz mitgestaltet.
Funktioniert die Geldwäscherei-Bekämpfung in der Schweiz?
Dass die Geldwäscherei-Abwehr in der Schweiz aber keinesfalls effizient arbeitet, erklärt Daniel Thelesklaf, bis Juni Chef der MROS, gegenüber dem «Tages-Anzeiger». «Das Resultat ist, dass wir nur einen Bruchteil der Gelder abwehren, die in der Schweiz gewaschen werden.» Einerseits, weil die Bedrohung abstrakter Art sei.
Andererseits aber auch, weil Banken aufgrund des wachsenden politischen Drucks vorsichtiger geworden seien und schneller Verdachtsfälle melden würden. «Doch jetzt gibt es deswegen einen Flaschenhals bei der MROS. Ende 2019 waren über 6'000 Meldungen noch nicht bearbeitet», erklärt Thelesklaf weiter. Das entspreche einem mutmasslich illegalen Vermögen von mehreren Milliarden Franken.