Südafrikas drastischer ImagewandelVom Mandela- zum Mutanten-Land
Von Ralf E. Krüger, dpa
16.3.2021 - 20:45
Safari, Strände, Sonnenschein: Südafrika stand im internationalen Tourismus lange für Genuss und Abenteuer. Das ist seit Corona vorbei. Die Tourismusindustrie steht vor dem Aus – auch wegen Restriktionen in Deutschland.
16.03.2021, 20:45
dpa
Mcebo Dlamini ist empört. «Wir müssen Berichte einer neu entdeckten südafrikanischen Covid-19-Variante kritisch hinterfragen», mahnt der einstige Johannesburger Studentenführer zum Jahreswechsel. Afrika habe lange unter einer Falschdarstellung des Westens gelitten und müsse nun weiterhin als Inbegriff allen Übels herhalten.
Dlamini drückt ein Unbehagen aus, das sich am Kap zunehmend artikuliert. Die «südafrikanische Variante» gilt in der öffentlichen Wahrnehmung als Mutter allen Corona-Übels: schnelle Verbreitung, wenig erforscht, unheimlich.
Verdrängt wird das positive Image des sympathischen «Mandela-Landes», in dem der erste schwarze Präsident Nelson Mandela für einen friedlichen Übergang von der düsteren Apartheid-Zeit zur Demokratie sorgte. Nun stigmatisiert am Kap plötzlich der Begriff des «Mutanten-Landes», zusätzlich zu den eh schon grossen Sorgen der unter strikten Corona-Beschränkungen ächzenden Tourismus-Branche. «Die Konsequenzen sind nicht nur wirtschaftlicher Natur, sondern beeinträchtigen auch unser Sozialwesen und die Art und Weise, wie die Welt sich mit uns auseinandersetzt», so Dlamini.
Kann man denn in Corona-Zeiten noch Urlaub in Südafrika machen? Zurückkehrende Europäer berichten zunehmend über Zurückhaltung und Ablehnung auch im eigenen Umfeld, sobald sie ihren südafrikanischen Aufenthaltsort nennen. Dabei herrscht dort angesichts akut gefallener Infektionszahlen seit Anfang März die niedrigste Corona-Alarmstufe – mit einer weitgehenden Rückkehr zur Normalität. Doch das hat sich bei vielen noch nicht herumgesprochen.
Tourismus-Branche vor dem Aus
«Die gesamte Tourismusbranche steht kurz vor dem Aus, da die Gäste einfach ausbleiben oder sehr zurückhaltend sind und die bevorstehende mehrtägige Zwangsquarantäne bei der Rückkehr nach Deutschland scheuen», stöhnt Johannes Feiertag. In Südafrikas Limpopo-Provinz gehört er der Owathola-Gruppe an, zu der neben einer Lodge auch lokale Tourguides gehören. Die Infektionsgefahr in Deutschland sei weit höher, meint er: «Kaum ein Land ist derzeit so sicher wie Südafrika bei einer 7-Tages-Inzidenz von 14 pro 100'000 Einwohner.»
Die deutsche Bundesregierung hatte wie andere Staaten auch mit Restriktionen gegen Reisende aus Südafrika und seinen Nachbarländern reagiert. Für Südafrikas Tourismus-Branche, die vor Corona für fast zehn Prozent des Brutto-Inlandsprodukts und Hunderttausende Jobs stand, ist das verheerend. Feiertag plant daher gemeinsam mit Gleichgesinnten aus dem Tourismus eine öffentliche Kampagne zugunsten einer Abschaffung der deutschen Quarantänepflicht für Südafrika-Rückkehrer.
Diskriminierende geografische Bezeichnung?
Er wendet sich auch gegen die Bezeichnung «Südafrikanische Virusmutation», die das Land seiner Meinung nach an den Pranger stellt. Auch der südafrikanische Virologe Salim Abdool Karim, der eine wichtige Rolle im Corona-Beirat der Kap-Regierung innehat, versucht das Bild bei öffentlichen Auftritten geradezurücken. Zwar wurde die Variante zuerst in Südafrika entdeckt, aber deswegen muss sie nicht unbedingt aus dem Kap-Staat stammen: «Man sollte es besser bei seinem Namen benennen: 501Y.V2», meinte er in einem TV-Interview.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt ebenfalls vor diskriminierenden geografischen Bezeichnungen wie dem vom früheren US-Präsidenten Donald Trump geprägten Corona-Namen «Chinesisches Virus». Eigentlich ist die der WHO angeschlossene ICD-Abteilung (International Classification of Diseases) zuständig für die Namensfestlegung neuer Viren. Ausdrücklich warnt sie in ihren Richtlinien davor, neue Infektionen nach geografischen Bezeichnungen zu benennen. Denn die stimmten schon bei der Spanischen Grippe nicht – sie hielten sich aber lange Zeit und wirkten stigmatisierend.
Die Frankfurter Unternehmerin Hanna Kleber hat die Initiative «Voice 4 Africa» gegründet, die die Werbetrommel für Afrika rührt. Denn, so meint sie: «Wenn wir etwas gegen die Migration Richtung Europa tun wollen, müssen wir auch für Arbeitsplätze in den dortigen Ländern sorgen – und acht Touristen sichern einen Arbeitsplatz am Kap.» Sie habe ihre Initiative gestartet, um Afrika eine Stimme zu geben: «Wir müssen hier ein differenziertes Bild schaffen, dass mehr Menschen nach Afrika reisen», sagte sie mit Hinweis auf den Wirtschaftsfaktor.
Kleber sieht sich dabei einig mit Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU). Der forderte bereits eine Überprüfung der verhängten Reisebeschränkungen für afrikanische Staaten – und wies darauf hin, dass allein in Afrika 25 Millionen Menschen vom Tourismus leben.