Kritik an Ausbeutung in China Unter diesen miesen Bedingungen wird unser Spielzeug produziert

tmxh

20.11.2019

Spielzeugproduktion unter prekären Bedingungen: Wie die Arbeiter und Arbeiterinnen in chinesischen Fabriken ausgebeutet werden, deckt nun ein Report auf.
Spielzeugproduktion unter prekären Bedingungen: Wie die Arbeiter und Arbeiterinnen in chinesischen Fabriken ausgebeutet werden, deckt nun ein Report auf.
Bild: Soidar Suisse

Die grossen Spielzeughersteller stehen in der Kritik: Disney, Lego und Co. lassen neuen Recherchen zufolge unter äussert prekären Arbeitsbedingungen in chinesischen Fabriken produzieren – auch für den Schweizer Markt. 

Die Lego-Burg, Barbiepuppen, die «Frozen»-Schneekugel – zahlreiche Kinder hoffen hierzulande, dass auch in diesem Jahr wieder die begehrten Spielzeuge unterm Weihnachtsbaum liegen.

Derweil werden die ersehnten Geschenke unter überaus prekären Arbeitsbedingungen produziert, wie ein Report der Nicht-Regierungsorganisation «Solidar Suisse» nun aufdeckt. Im Fokus steht China, wo zwei von drei Spielzeugen hergestellt werden, die in den hiesigen Läden landen.

Bei der Arbeit am Fliessband werden Arbeitsschutzmassnahmen kaum beachtet.
Bei der Arbeit am Fliessband werden Arbeitsschutzmassnahmen kaum beachtet.
Bild: Solidar Suisse

Wie der «Toys Report 2019» zeigt, würden gerade grosse Hersteller wie Disney, Lego, Mattel und Hasbro ihre Produkte in chinesischen Fabriken fertigen lassen, in denen zum Teil ausbeuterische Verhältnisse herrschten.

«Die Missstände in der Produktion des Spielzeugs für das hiesige Weihnachtsgeschäft verstossen gegen die grundlegenden Rechte der ArbeiterInnen», schreibt die Non-Profit-Organisation «Solidar Suisse», in deren Auftrag die Arbeitsrechtsorganisation «China Labor Watch (CLW)» in fünf Fabriken mit verdeckten Ermittlern am Fliessband recherchierte.

Geringe Bezahlung und Ruhezeiten

Die Ergebnisse der geheimen Recherchen sind erschreckend: In den meisten Fabriken würden die Arbeitenden – vor allem als Wanderarbeiterinnen aus ländlichen Gebieten – weit unter dem in China bei rund 420 Franken liegenden Existenzlohn bezahlt. So erhielten Arbeiterinnen in der Fabrik Kong Xing in Guangdong, wo etwa Disney sein «Frozen II Snow Globe Surprise» fertigen lässt, einen Basislohn von nur 243 Franken.

Disney lässt in China unter anderem sein «Frozen II Snow Globe Surprise» fertigen.
Disney lässt in China unter anderem sein «Frozen II Snow Globe Surprise» fertigen.
Bild: Solidar Suisse

Trotz eines vergleichsweise umfassenden Arbeitsgesetzes in China reichen die Missstände dem Bericht zufolge noch viel weiter: In einigen Fabriken arbeiten die Angestellten bis zu 126 Überstunden im Monat – bei erlaubten 36.

«Hohe Überstunden sind eine Folge von niedrigen Löhnen, da viele ArbeiterInnen es vorziehen, Überstunden zu machen, in denen sie den eineinhalbfachen – bzw. an Wochenenden den doppelten – Stundenlohn erhalten», heisst es in dem Report.

In der Fabrik Wing Fai, ebenfalls in Guangdong, wo unter anderem Lego Nischenprodukte wie Schwerter und Schilde für die Ritterwelten der Legoland-Themenparks herstellen lässt, werden laut Report nicht einmal die gesetzlichen Ruhezeiten von einem Tag pro Woche eingehalten.

Arbeiter bei Ever Front produzieren im Schnitt während 11 Stunden pro Tag Spielzeug.
Arbeiter bei Ever Front produzieren im Schnitt während 11 Stunden pro Tag Spielzeug.
Bild: Solidar Suisse

Lange Liste an Missständen

Allgemein ist die Liste der Missachtung von Arbeiterrechten lang: Bemängelt werden fehlendes Sicherheitstraining und ungenügender Arbeitsschutz – ebenso wie das Fehlen von Arbeitnehmerrepräsentation, gesetzlicher Sozialversicherung und systematischer Gesundheitsprüfung.

So heisst es in dem Report etwa: «Keine Fabrik erfüllte die staatliche Vorgabe, den Angestellten 24 Stunden vor dem Arbeitsantritt eine Sicherheitsschulung zu geben».

Kritisiert wird auch die Genderdiskriminierung auf Führungsebene. Gerade die Frauen, die die Mehrheit stellen, seien laut Bericht «mit diversen Benachteiligungen konfrontiert: Sie haben weniger Chancen, in höhere Führungspositionen befördert zu werden und müssen während der Schwangerschaft weiterhin Überstunden leisten und sind giftigen Chemikalien ausgesetzt». Hinzu kämen Fälle sexueller Belästigung.

Leim und Chemikalien sind ein Gesundheitsrisiko für die Arbeiter.
Leim und Chemikalien sind ein Gesundheitsrisiko für die Arbeiter.
Bild: Solidar Suisse

Überaus prekär seien auch die Lebensbedingungen der Frauen, die ihre Kinder oft in der Heimat liessen und vor Ort gemeinschaftlich untergebracht seien: «Die Fabrik-Unterkünfte sind meist überfüllt und in prekärem Zustand, Bettwanzen sind keine Seltenheit», schreibt «Solidar Suisse». Hier würden sich die Verhältnisse von Fabrik zu Fabrik unterscheiden. 

Hersteller in der Pflicht

Aber was tun angesichts der Ausbeutung in den chinesischen Fabriken?

«Seit Jahren versprechen uns die grossen Spielzeugmarken, die Produktionsbedingungen in ihren Lieferketten seien menschenwürdig, doch wir sehen davon nichts», wird Simone Wasmann zitiert, die Kampagnenverantwortliche für faire Arbeit in Asien bei «Solidar Suisse». Sie kritisiert: «Statt sich ernsthaft um bessere Arbeitsbedingungen in den Fabriken zu kümmern und bei der eigenen Einkaufs- und Preispolitik anzusetzen, wälzen die Konzerne die Verantwortung auf die Fabrikbesitzer ab.»

Dabei, so die abschliessende Forderung in dem Bericht des Non-Profit-Unternehmens, seien vor allem die grossen Hersteller in der Pflicht: «Wo auch immer produziert wird, es liegt in der Verantwortung der Markenunternehmen, Massnahmen zur grundlegenden Reform der Arbeitsbedingungen in ihrer Lieferkette zu ergreifen.»

Lego zeigt sich «beunruhigt»

Derweil hat sich Lego nun zu den laut Report aufgedeckten Missständen geäussert: «Wir sind sehr beunruhigt über die Untersuchungsergebnisse der Fair Toy Coalition in Bezug auf die Dongguan Wing Fai Foam Products-Fabrik, in der eine geringe Anzahl von Schaumstoffspielzeugen hergestellt wird», teilte das Unternehmen gegenüber «Bluewin» mit.

Weiter hiess es in dem Statement: «Wir nehmen die Erkenntnisse sehr ernst und werden uns unverzüglich mit den im Report erhobenen Missständen befassen und eine Überprüfung der Bedingungen im Werk einleiten.» Man wolle «sicherstellen, dass alle Menschen, die an der Herstellung von Produkten unserer Marke beteiligt sind, fair und mit Respekt behandelt werden. Dazu arbeiten wir eng mit unseren externen Lieferanten zusammen und fordern von ihnen, dass sie allen internationalen Standards und lokalen Vorschriften entsprechen.»

Fabrikbesuch geplant

Auch konkrete Schritte seien laut Lego-Presseteam bereits geplant: «Wir werden die Dongguan Wing Fai Foam Products-Fabrik in der kommenden Woche besuchen und die Bedingungen in der Produktionsstätte überprüfen». Man orientiere sich dabei an den örtlichen Vorschriften, zudem verwies das Unternehmen auf seine ethischen Standards.

Nach dem Kenntnisstand von Lego «erhalten die Mitarbeiter von Wing Fai den gesetzlichen Mindestlohn. Wenn dies nicht ausreicht, um Nahrung, Unterkunft und andere Grundbedürfnisse zu decken, werden wir dies mit den Eigentümern von Wing Fai besprechen.» Ziel sei es, «durch die Zusammenarbeit mit dem Zulieferer eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu erreichen. Sollte dies nicht langfristig erfolgreich sein, werden wir über alternative Schritte entscheiden.»

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