Interlakner Mordprozess Angeklagte bestreitet die Vorwürfe

SDA/uri

5.12.2022 - 12:50

Sicht auf das geschlossene Interlakner Restaurant, dessen Wirt im Herbst 2020 Opfer eines Tötungsdelikts wurde.
Sicht auf das geschlossene Interlakner Restaurant, dessen Wirt im Herbst 2020 Opfer eines Tötungsdelikts wurde.
Keystone

Eine brasilianischstämmige Profi-Boxerin steht ab heute im Berner Oberland vor Gericht. Sie soll ihren Ehemann, einen Interlakner Wirt, erschlagen haben.

Im Interlakner Mordprozess hat die Angeklagte am Montag vehement bestritten, ihren Ehemann umgebracht zu haben. Allerdings blieben viele Fragen offen.

Sie sei mit ihrem Mann zuerst befreundet und dann verlobt gewesen. Vier Monate später, im August 2019, hätten sie geheiratet. Sie hätten beide viel gearbeitet, betonte die ehemalige Box-Weltmeisterin vor Gericht.

Aus der Befragung wurde deutlich, dass offenbar ein Kinderwunsch vorhanden war. Diesen hätten sie und ihr Mann bis am Schluss gehabt, sagte die Frau. Das Gericht hielt der Angeklagten vor, dass ein mit einer spanischen Klinik vereinbarter Termin für eine Beratung zu einer künstlichen Befruchtung nicht wahrgenommen wurde.

Ihr Mann habe gerade dann keine Lust gehabt, den Termin wahrzunehmen. Er habe eben seinen eigenen Kopf gehabt. Das heisse aber nicht, dass er den Kinderwunsch aufgegeben hätte, sagte die Angeklagte, die temperamentvoll und rasend schnell sprach.

Als die Frau der Staatsanwältin aufbrausend ins Wort fiel, musste sie der Gerichtspräsident zur Räson bringen.

Konflikte in der Beziehung

In gemeinsamen Ferien mit dem neunjährigen Sohn in der Westschweiz geriet das Paar offenbar in Streit. Die Frau fuhr dann unverrichteter Dinge mit dem Sohn auf einem Moped nachts bei Regen zurück an ihren Wohnort in Oberried am Brienzersee. Weshalb es zum Streit kam, liess die Angeklagte weitgehend offen. Wenn ihr Mann ihr sage, «geh!», dann gehe sie, meinte sie lediglich.

Ob sie eifersüchtig sei, wollte eine der Regionalrichterinnen von der brasilianischstämmigen Frau wissen. Sie verneinte vehement. Sie habe auch nie das Telefon ihres Mannes kontrolliert, gab sie an. Ihr Mann und sie hätten sich vertraut, sagte die Angeklagte.

Die Staatsanwaltschaft kommt in der Anklage zum Schluss, dass das Paar nach dem Ferienstreit kaum noch persönlichen Kontakt hatte, dies vor allem, weil der Ehemann seine Gattin ignorierte.

Das Gericht hielt der Angeklagten auch die Aussage ihres Sohnes vor, wonach das Paar über eine Scheidung gesprochen habe. Das stimme nicht, sagte die Angeklagte. Ihr Sohn habe wohl aus den Umständen geschlossen, dass eine Scheidung ein Thema sein könnte. Aber sie hätten nie über Scheidung gesprochen.

Film geschaut

Die Angeklagte beteuerte, am Abend der Tat zu Hause gewesen zu sein. Dass eine Überwachungskamera ihr Auto kurz vor der Tat gefilmt haben soll, bestritt sie. Sie habe auf ihrem iPad einen Film gestartet. Es sei gar nicht möglich, dass ihr Auto dann so kurze Zeit später an diesem Ort hätte gefilmt werden können. Ausserdem würden viele ähnliche Autos wie ihres in der Gegend herumfahren.

Der Verteidiger hatte am Vormittag dem Gericht verschiedene Anträge gestellt, unter anderem seien zahlreiche zusätzliche Zeugen zu befragen. Der Verteidiger liess durchblicken, dass es Zeugen gebe, die von merkwürdigen «Typen» berichteten, die im Restaurant des Interlakner Wirts aufgetaucht seien. Es soll um personalrechtliche Streitigkeiten gegangen sein. Die Männer sollen versucht haben, Lohnforderungen einzutreiben.

Ob das Gericht die von der Verteidigung genannten Zeugen befragen will, hat es vorderhand noch offen gelassen.

Mit Baseballschläger traktiert

Die Angeklagte soll im Oktober 2020 ihren Ehemann, einen Interlakner Wirt, mit einem Baseballschläger erschlagen haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr Mord, allenfalls vorsätzliche Tötung vor.

Die Angeklagte eroberte 2018 den Championtitel des grössten Boxverbandes der Welt, der World Boxing Association (WBA). Sie betrieb in Interlaken einen Boxkeller.

Der Prozess vor dem erstinstanzlichen Regionalgericht in Thun ist auf mehrere Tage angesetzt. Das Urteil wird am 9. Dezember verkündet.

SDA/uri