Bahn Greta lässt grüssen – kommt jetzt die Schlafwagen-Renaissance?

dpa/SDA/uri

27.7.2019

Nostalgie schwingt bei vielen mit, die an Nachtzüge denken. Die SBB hat ihre Schlafwagen bereits 2009 ausrangiert, doch durch Klimawandel und «Flugscham» könnte das Konzept europaweit eine Renaissance erleben.

Gemächlich durch die Nacht ruckeln, ausgestreckt auf einer Pritsche Bahnhöfe vorbeiziehen lassen, morgens ausgeschlafen am Zielort ankommen: Eine Fahrt mit dem Schlaf- oder Liegewagen der Bahn verbinden viele Menschen mit alten Zeiten.

Doch angesichts von Klimawandel und «Flugscham» ist das Thema Nachtzüge wieder brandaktuell: So ergab eine Umfrage im Auftrag des Verkehrsclubs der Schweiz (VCS) von Anfang Juni, dass sich Zwei Drittel der Schweizerinnen und Schweizer vorstellen können, ihre Reisen in Europa künftig mit dem Nachtzug zu unternehmen.



Greta Thunberg lässt dabei grüssen. Die junge schwedische Umwelt-Aktivistin fuhr im Januar 65 Stunden mit dem Zug nach Davos und zurück, um den beim Weltwirtschaftsforum versammelten Bankbossen und Industriemanagern in puncto Klima die Leviten zu lesen. Seither vermittelt gerade auch die «Fridays for Future»-Bewegung vielen das Gefühl, sich wegen klimaschädlicher Effekte fürs Fliegen schämen zu müssen.

Bereitschaft für Nachzugreisen in der Schweiz. 
Bereitschaft für Nachzugreisen in der Schweiz. 
Grafik: VCS

In der Schweiz machen auch Parlametarier Druck

Sollte das Angebot mit Schlaf- und Liegewagen als Alternative zum Fliegen also nicht ausgebaut werden? «Das Nachtzuggeschäft hat Zukunft», meint der Sprecher der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), Bernhard Rieder. Auch die SBB kann sich vorstellen, das 2009 eingestellte Geschäft mit klassischen Nachtzügen wiederzubeleben.

Anders die Deutsche Bahn: Sie bietet aus wirtschaftlichen Gründen seit 2016 keine eigenen Schlaf- und Liegewagen mehr an. «Ein eigenes Angebot mit klassischen Schlaf- und Liegewagen ist aktuell nicht geplant», sagt eine Sprecherin in Berlin. Die Bahn wolle nachts aber mehr ICE- und Intercity-Züge mit Sitzwagen auf die Schiene bringen. Und sie unterstütze die ÖBB, die Schlaf- und Liegewagen in Deutschland anbieten, etwa mit Triebfahrzeugführern und teils mit Loks.

In der Schweiz machen inzwischen auch viele Parlamentarier Druck. Sie fordern die Regierung auf zu prüfen, wie klassische Nachtzüge gefördert werden können. «Wir sehen einfach den Bedarf im Markt und prüfen deswegen, ob wir wirklich den Nachtzugverkehr wieder ausbauen können», sagte der Leiter internationaler Personenverkehr, Armin Weber, dem SRF-Nachrichtenmagazin «10vor10». Mit Subventionen könnte sich eine Wiederaufnahme für die SBB rechnen, meint Sprecher Raffael Hirt: «Heute decken die Einnahmen aus dem Nachtzug-Geschäft die Kosten nur zur Hälfte.»

In diese Länder würden Schweizer am liebsten mit dem Nachtzug reisen. 
In diese Länder würden Schweizer am liebsten mit dem Nachtzug reisen. 
Grafik: VCS

Österreich macht vor, wie das Geschäft funktioniert

Die Österreicher haben vorgemacht, wie das Geschäft funktioniert: Die ÖBB haben als einzige ihr Nachtzugangebot nicht nur beibehalten, sondern ausgebaut, und bedienen heute die Verbindungen in die Schweiz und nach Deutschland. Hamburg-Wien, Berlin-Zürich – auf diesen Strecken können sich Bahnreisende heute im österreichischen Nightjet ausstrecken. «Wir haben jetzt 18 eigene Linien und insgesamt 26 zusammen mit Partnern», sagt Rieder.

Die ÖBB seien auch bereit, stärker in das Nachtzuggeschäft zu investieren. 13 neue Züge wurden bei Siemens schon bestellt und werden ab Frühjahr 2022 geliefert. Dreh- und Angelpunkt, damit das Geschäft knapp kostendeckend kalkuliert werden könne: dass die Züge einheitlich in Österreich gewartet werden. Die Strecken müssen dementsprechend konzipiert sein. Verbindung fernab von Österreich anzubieten, etwa Barcelona-Amsterdam, wäre deshalb schwierig.

Umweltgedanke bei vielen eher theoretisch da

Auch die ÖBB stellen in Fahrgastbefragungen mehr Umweltbewusstsein fest. Weil sie zu 100 Prozent mit grünem Bahnstrom fahren, verbrauche der Fahrgast im Nightjet 31 mal weniger klimaschädliches CO2 als beim Fliegen auf der gleichen Strecke, betont Rieder.

Aber: «Der Umweltgedanke ist bei vielen noch eher theoretisch da und zeigt sich nicht ganz im Buchungsverhalten.» Während die teuersten Plätze im Schlafwagen stets schnell ausverkauft seien, merke man im günstigen Segment der Sitzwagen sofort, wenn auf einer Strecke zwischen zwei Metropolen eine Billig-Arline fliegt. «Sofort gehen die Buchungen runter», sagt Rieder.

Die Organisation «Objectif Train de nuit» in Frankreich will Schlaf- und Liegewagen an Güterzügen durch die Nacht rauschen lassen. «Absurd», winkt Rieder ab. «Güterzüge fahren meist nicht durch Personenbahnhöfe.»

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