Unhygienischer ZahnarztDie Patienten müssen zum HIV-Test, aber «keine Angst haben»
Von Gil Bieler
25.4.2023
Rund 6000 Namen umfasst die Kundenkartei des Zahnarztes aus Birr, dessen Praxis wegen unhygienischer Zustände geschlossen wurde. Viele von ihnen müssen jetzt zum HIV-Test: Was das genau heisst.
Von Gil Bieler
25.04.2023, 19:16
25.04.2023, 20:22
Gil Bieler
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Die Aargauer Behörden haben die Praxis eines Zahnarztes aus Birr dichtgemacht, weil gravierende Verstösse gegen die Hygienevorschriften entdeckt wurden.
Die Kund*innen der Klinik sollen sich auf HIV, Hepatitis B und C testen lassen.
Beim Bundesamt für Gesundheit und bei der Aids-Hilfe Schweiz unterstützt man diesen Aufruf.
Die Aids-Hilfe erklärt aber zugleich: «Die betroffenen Personen müssen keine Angst haben.»
Sämtliche Personen, die sich seit März einen Termin hatten, seien persönlich angeschrieben worden. Wegen des relativ grossen Kreises von Betroffenen werde der Fall auch öffentlich gemacht.
Die Klinik des Zahnarztes wurde geschlossen, seine Berufsbewilligung ist er permanent los, wie das Aargauer Departement für Gesundheit und Soziales blue News bestätigt.
Er habe rund 6000 Namen in seiner Kartei stehen, sagte der betroffene Zahnarzt dem «Blick». «Für mich ist die Karriere vorbei», wird der 62-Jährige zitiert. Es gehe ihm seit einem Jahr nicht mehr gut, er «schlittere die ganze Zeit an einem Burnout entlang». Er entschuldige sich bei allen Patient*innen «für die Umtriebe».
Wie sehen diese «Umtriebe» aus, und wie gross ist das Infektionsrisiko überhaupt? blue News hat nachgefragt.
Liste mit allen Aids-Teststellen gibt es im Netz
Einen HIV-Test führen sowohl Hausärzt*innen, Spitäler als auch die regionalen Aids-Hilfestellen durch. Auf Wunsch erfolgt das Ganze auch anonym. Die Aids-Hilfe Schweiz führt eine Liste mit allen Teststellen. Es gibt auch Selbsttests für Zuhause, wobei du dich hier besser beraten lässt, damit die Qualität stimmt. Informationen hierzu gibt es etwa unter Check-at-home.ch.
Auch für Teststellen für Hepatitis gibt es eine Übersichtskarte. Diese findest du unter Hep-check.ch.
Beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) stützt man den Aufruf zum Testen. Die Erreger von HIV, Hepatitis B und C würden durch Blut übertragen. «Wenn die Hygieneregeln nicht eingehalten werden, kann ein Risiko der Übertragung dieser Viren nicht ausgeschlossen werden», erklärt BAG-Sprecherin Céline Reymond.
Sollte jemand positiv getestet werden, werde die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt die nächsten Schritte festlegen.
HIV-Infektion über den Mund «praktisch nicht möglich»
«Die betroffenen Personen müssen keine Angst haben», heisst es bei der Aids-Hilfe Schweiz. Dies liege daran, dass eine HIV-Übertragung über den Mund «praktisch nicht möglich» sei, wie Jan Müller, Leiter Kommunikation bei der Aids-Hilfe Schweiz, erklärt. «Denn die Mundschleimhaut ist sehr robust und schützt.»
Aus diesem Grund gälten auch Küssen und Oralsex gemeinhin als sicher. Ein Zahnarztbesuch stelle «grundsätzlich ebenfalls ein sehr geringes Risiko dar». Wobei bislang nicht bekannt wurde, wie die Hygieneverstösse in der Praxis in Birr genau aussehen. Wohl auch daher befürwortet die Aids-Hilfe den Aufruf der Behörden, dass Patient*innen sich testen lassen sollen.
Und was gilt es zu beachten, bis das Testergebnis vorliegt? Das BAG rät, Safer Sex zu praktizieren und keine Instrumente, die mit Blut in Berührung kommen können, mit anderen Menschen zu teilen.
Sollte tatsächlich eine HIV-Infektion entdeckt werden, sollten sich die Betroffenen bei einer Fachstelle melden, rät die Aids-Hilfe Schweiz. Und sie macht Mut für den Worst Case: HIV sei zwar nicht heilbar, aber behandelbar. Medikamente verhinderten, dass sich im Körper eines infizierten Menschen das Virus vermehre.
«Nach einiger Zeit ist bei einer gut wirksamen Therapie im Blut kein HIV mehr nachweisbar. Man spricht dann von einer Viruslast unter der Nachweisgrenze – eine Übertragung von HIV ist nicht mehr möglich.»
Wichtig zu wissen: Ein positiver HIV-Test muss immer durch einen zweiten Test bestätigt werden.
Zahnärzt*innen werden mittels Stichproben überprüft
Falls du dich aufgrund des Falles aus Birr nun fragst, wie streng Zahnärzten und Zahnärztinnen überhaupt auf die Finger geschaut wird: Die hygienischen Zustände in den Praxen würden «sporadisch» überprüft, erklärt Christian Prochaska, Leiter Gesundheitsberufe beim Aargauer Departement für Gesundheit und Soziales. Mehr könne er zu dem Thema nicht sagen.
Videografik: Wie HIV das Immunsystem angreift
Wie das HI-Virus in den Körper gelangt und welche Folgen das hat – das Video erklärt es dir.